Sonntagsgedanken: Vertrauen

Symbolbild Religion

Es war Jahrmarkt in einer Kleinstadt, ein großes Fest für Jung und Alt. Schausteller aus allen Teilen des Landes hatten ihre Buden aufgebaut und überall duftete es nach allerlei Leckereien. Die große Attraktion jenes Tages aber war eine Artistenfamilie, die ein Seil über den ganzen Marktplatz gespannt hatte. Ohne Netz und in schwindelerregender Höhe zeigte Sie ihre Kunststücke, und Höhepunkt der Darbietung war, als einer aus der Truppe – hoch oben auf dem Seil – den Marktplatz überquerte, und das, indem er eine Schubkarre vor sich her über das Seil schob, eine Schubkarre, in der ein mit Kartoffeln voll gefüllter Sack lag. Alles blickte nun wie gebannt auf den jungen Artisten, bis er mit der Karre wieder auf dem festen Podest angelangt war. Dann brach stürmischer Beifall los, den erst eine ausdrucksstarke Geste des Artisten wieder zum Verstummen brachte. Mit wohlgesetzten Worten begann der junge Mann nun zu reden und sagte: „Hochverehrtes Publikum. Ich bitte nun um Ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Es folgt jetzt der absolute Höhepunkt unseres Programms. Mit verbundenen Augen werde ich nun diese Schubkarre zurück über das Seil schieben. Ich bin vollkommen davon überzeugt, dass ich es heute schaffen werde, und ich denke, auch Sie trauen es mir jetzt uneingeschränkt zu!“ Die Zuschauer applaudierten überaus kräftig, und bekundeten damit ihre Zuversicht, dass dies eine großartige Darbietung werden würde. Noch einmal bat der Artist ganz theatralisch mit einer Handbewegung die Menge um Ruhe und sagte: „Das war aber eine recht mäßige Zustimmung, das möchte ich schon noch einmal etwas genauer wissen. Sie da unten…“ Und damit zeigte er auf einen etwas rundlichen Mann in der Menge, der sich durch seinen lautstarken Beifall ganz besonders hervorgetan hatte, „… Ja, Sie da in der dritten Reihe, sind Sie tatsächlich überzeugt davon, dass ich die Überquerung mit verbundenen Augen schaffen werde?“ „Natürlich schaffen Sie es!“ rief der Mann von unten hoch und begann erneut ganz laut zu applaudieren. „Also gut“, sprach der Artist, nahm seine Schubkarre, drehte sie kurz herum, so dass der Kartoffelsack vom Seil herunter laut platschend auf die Erde fiel, „Also gut, wenn Sie so überzeugt davon sind, wenn es also keinen Zweifel für Sie gibt, dass ich es schaffen werde, dann kommen Sie jetzt auf das Seil und setzen sich hier in meine Schubkarre!“
Quelle unbekannt

Pfarrer Klaus Weigand (rechts) mit Urmel ...

Pfarrer Klaus Weigand (rechts) mit Urmel …

Liebe Freunde,
Jeder kann sich denken, wie die Geschichte weiterging: Der Mann ist weder auf das Seil geklettert, noch in die Schubkarre gestiegen. Es ist etwas anderes, ob ich es einem zutraue oder dann selber gefordert bin.
Die einen machen diese Erfahrung auf dem Jahrmarkt, andere wenn sie mit dem Boot auf dem See unterwegs sind.

„Meister, kümmert es dich denn gar nicht, dass wir zugrunde gehen?“ Die Jünger hatten offenbar vielmehr Frucht, als Jesus zu vertrauen.

Und wir heute? Überwiegt nicht oft auch in uns die Angst, sogar auch die Angst vor Gott? Können wir ihm wirklich vertrauen, diesem allmächtigen Gott? Trauen wir ihm noch zu, dass er alles zum Guten führen kann?

Auch bei uns überwiegt die Angst und noch immer haben wir nicht begriffen, dass unser Gott ein Gott für uns ist. Es stimmt schon, dass er allmächtig ist. Aber er ist nicht allmächtig im negativen Sinn, sondern er ist wirkmächtig, er ist mächtig und zwar mächtig, alles für mich zu tun. Glauben heißt, anfangen zu begreifen, dass dieser allmächtige Gott mein Gott ist, weil er all dessen nicht nur mächtig ist, sondern weil er all dies für mich auch tut. Nur ist sein Helfen und Beistehen oft anders, als wir es uns vorstellen. Aber ich darf ihm vertrauen, dass er mächtig ist für mich.

So wünsche ich uns allen, dass wir anfangen, unser Gottesbild zu überdenken und endlich weggehen von einem Allmächtigen, vor dem ich wirklich Angst haben muss, auch Angst, etwas falsch zu machen und er mich dann straft.

Ich wünsche uns vielmehr das Vertrauen in unseren Gott, der mächtig für uns ist; und zwar wirkmächtig: der deswegen für mich da ist, auch und gerade in dunklen Stunden.

Klaus Weigand


Weitere Sonntagsgedanken

Infos zu Pfarrer Klaus Weigand

  • Geboren 1966 in Erlenbach am Main (Unterfranken)
  • Abitur am Theresianum in Bamberg 1989
  • Studium der Kath. Theologie in Bamberg und Wien
  • Priesterweihe 1998
  • Tätigkeiten:
  • Fürth, Christkönig von 1997 – 2010
  • Buckenhofen als Pfarradministrator 2010 – 2015
  • seit 2015 in Heroldbach und Hausen