Forchheimer Gesundheitsregionplus: „No. 8 der Kampagne zur kritischen Mediennutzung“ – Digitalisierung versus soziale Kompetenz?

Digitalisierung versus soziale Kompetenz? – Geht die soziale Kompetenz durch Digitalisierung verloren?

Die Antwort in aller Kürze: Es gibt zwar Hinweise auf negative Folgen der Digitalisierung hinsichtlich der sozialen Kompetenz. Entscheidend ist jedoch, der richtige Umgang mit digitalen Medien und dass das Leben der Kinder und Jugendlichen nicht nur digital stattfindet, sondern die soziale Kompetenz persönlich, von Angesicht zu Angesicht, erworben und gestärkt wird.

Home-Schooling, Home-Office, private Video-Calls mit Freunden, … – Aktuell finden soziale Kontakte überwiegend digital statt. Gruppenarbeiten in der Schule, Meetings im Job, Spieleabende und sogar Treffen mit den engsten Freunden oder der Familie. Durch die andauernde Corona-Pandemie müssen persönliche Kontakte vermieden werden. Doch ist das Digitale wirklich ein Ersatz für das persönliche Treffen? Geht eventuell sogar ein Stück der sozialen Kompetenz verloren? Und wie ist das bei den Jüngsten unter uns?

Um diese Fragen zu beantworten muss zunächst geklärt werden, was soziale Kompetenz überhaupt ist: Sozialkompetenz oder soziale Kompetenz ist ein Teilbereich der sogenannten Soft Skills. Unter dem Begriff werden verschiedene Fähigkeiten zusammengefasst, die für den sozialen Umgang mit anderen wichtig sind. Darunter fallen beispielsweise Kommunikationsfähigkeit, Höflichkeit und Kontaktfähigkeit. Mit sozialer Kompetenz werden zudem Freundschaften geschlossen, Streitereien begonnen und durch Versöhnung wieder beigelegt und sie hilft, sich in Gruppen zu integrieren.

Vor allem im Alter von 6 bis 11 Jahren ist persönlicher Kontakt sehr wichtig, da in dieser Altersspanne viele soziale und emotionale Kompetenzen erworben werden. Gerade in der Grundschule könnte Home-Schooling demnach mit negativen Folgen einhergehen.

Aktuelle empirische Forschungsergebnisse dazu liegen bisher zwar noch nicht vor. Eine ältere Studie lieferte jedoch das Ergebnis, dass die vermehrte Nutzung von sozialen Medien zu einem Gefühl von Isolation führen kann. Vor allem digitale Medien, bei welchen soziale Vergleiche gezogen werden können, wie zum Beispiel Instagram, können das Selbstbewusstsein schädigen. Eine weitere Studie gab Hinweise auf den Verlust von Empathie, wenn Kinder viel Zeit mit technischen Geräten verbringen. Der Umgang mit „echten“ Spielkameraden hilft demnach dabei, sich besser in andere Personen hineinversetzen zu können. Das Fazit lautete hier, dass ein Bildschirm keine menschliche Interaktion ersetzen kann.

Auf der anderen Seite besagen die Resultate der Kinder-Medien-Studie aus dem Jahr 2018, dass die meisten Kinder sowohl mit analogen, wie auch digitalen Medien- und Freizeitaktivitäten aufwachsen und sich mit beiden Formen gut zurechtfinden. Zur Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen gehören also gleichermaßen das Zocken auf dem Computer oder der Spielekonsole, das Schauen von Youtube-Videos und die Nutzung von sozialen Medien, wie auch das Spielen oder Treffen von Angesicht zu Angesicht. Und keines von beiden scheint mit negativen Folgen einherzugehen. Eine Langzeitstudie der Universität Oxford und der Universität Hohenheim in Stuttgart weist in die gleiche Richtung. So konnte kein negativer Effekt der sozialen Medien auf die Lebenszufriedenheit von Jugendlichen gefunden werden. Bedeutender ist hier der Einfluss von Familie, Freunden und dem schulischen Umfeld. Herausfordernd scheint weniger der Verlust der sozialen Kompetenz, sondern vielmehr das Suchtpotenzial bei der Nutzung von Smartphones oder die problematischen Inhalte und der Umgang mit diesen beim Surfen im Internet.Letztendlich macht es die Mischung aus: Kinder und Jugendliche dürfen ihre Freizeit selbstverständlich auch digital verbringen und es ist auch nicht alles schlecht, was digital passiert.

Wichtig ist hier jedoch der richtige Umgang mit den digitalen Medien und die Stärkung der digitalen Kompetenz. Durch die rasante Entwicklung und neuen Möglichkeiten ist dies ein andauernder Prozess, der auch im Erwachsenenalter nicht endet. Aus diesem Grund müssen alle Kinder, Jugendlichen, Eltern und auch Fachkräfte immer am Ball bleiben und sich gegenseitig beim gesunden und richtigen Umgang mit der digitalen Welt unterstützen.

Wichtig ist zudem das Angebot von nicht-digitalen Alternativen: „Ein Kind, das ganz viele Erfolgserlebnisse beim Sport hat oder sozial gut angedockt ist, muss sich Anerkennung und Aufmerksamkeit nicht über digitale Medien holen“, sagt die Medienpädagogin Christina ter Glane.

Durch die lange Phase des Home-Schoolings und der fast ausschließlich stattgefundenen digitalen Kontakte wird es Aufgabe der Eltern und Fachkräfte sein, die Kinder und Jugendlichen wieder zum persönlichen Treffen, Interagieren und Beschäftigen von Angesicht zu Angesicht zu ermutigen und zu animieren. So bedarf es aktuell und in naher Zukunft nicht nur Unterstützung beim Erwerben von digitaler Kompetenz, sondern auch in etwas größerem Ausmaß beim (Zurück-)Erwerben der sozialen Kompetenz.

Autorin: Corinna Drummer, M.A. Soz., Gemeindejugendpflegerin der Stadt Ebermannstadt in Kooperation mit der Polizei Ebermannstadt/Bamberg

Quellen:

Ulrike Schattenmann in „klasseKinder! Nr 3/2019 (https://ulrikeschattenmann.com/2019/09/11/digitalisierungund-grundschule-sozialkompetenz-lernt-man-nicht-am-bildschirm/)

Marie Rövekamp in „Der Tagesspiegel“ 5.5.2019; Wie sozial ist digital? (https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/unser-digitalisiertes-leben-wie-sozial-ist-digital/24304856.html)

Wirtschaftswoche 27.8.2014: Schaden digitale Medien den sozialen Fähigkeiten? (https://www.wiwo.de/erfolg/trends/einfluss-der-technik-schaden-digitale-medien-den-sozialenfaehigkeiten/10615538.html)

https://www.schooleducationgateway.eu/de/pub/resources/tutorials/digital-competence-the-vital-.htm

https://www.stepstone.at/Karriere-Bewerbungstipps/sind-sie-sozial-kompetent/

COPSY-Studien 2020/21 (COrona und PSYche): https://bvpraevention.de/cms/index.asp?inst=newbv&snr=13313


Die Kampagne zum kritischen Medienkonsum wurde entwickelt von der Projektgruppe „Digitale Sucht“ der Gesundheitsregionplus. Die Gesundheitsregionplus ist ein vom Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gefördertes Projekt mit einer Laufzeit von fünf Jahren. Weitere Auskünfte dazu erhalten Sie von Frau Bärbel Matiaske unter der Telefonnummer: 09191/86-3510.