Orchideen am Walberla: Das Brand-Knabenkraut – der Winzling unter den Orchideen

Das Brand-Knabenkraut. Foto: Adolf Riechelmann
Das Brand-Knabenkraut. Foto: Adolf Riechelmann

Mit dem Brand-Knabenkraut (Neotinea ustulata) begegnet uns die kleinste und am wenigsten variable Art der Orchideen auf der Ehrenbürg, die Pflanzen gehören mit einer Höhe von nur zehn bis 15 Zentimetern zu den Winzlingen. Wie der deutsche Name andeutet, sieht die dunkelpurpurn gefärbte Außenseite der helmartig zusammen neigenden Blütenblätter so aus, als ob die Pflanze „angebrannt“ wäre: ein Eindruck, der vor allem von den fast schwarz wirkenden ungeöffneten Knospen an der Spitze des Blütenstandes hervorgerufen wird. Sobald er sich mit seinen schwarzen Sprossen ans Tageslicht schiebt, lassen sich die unscheinbaren Pflanzen leicht identifizieren, allerdings sind sie in diesem Stadium schwer auffindbar. Die Volksnamen dieser Wiesenorchidee leiten sich entweder von der ruß-schwarzen Farbe vor dem Aufblühen (Brändle), von der schwarzweißrötlichen Färbung des Blütenstandes (Kaninchen) oder der beim Aufblühen nach oben verglühenden Röte der Blütenähre (Pulverbrenner) ab.

Der anfangs kurze Blütenstand streckt sich im Laufe der Blütezeit, wobei die dunkle Kappe zusehends heller wird. Ursache dafür ist, dass in der geöffneten Blüte die dunklen Blütenblätter mit der Zeit ihre Farbe verlieren. Die kleinen, punktierten Blüten – sie strömen einen Geruch nach Honig oder Vanille aus – produzieren keinen Nektar und werden offenbar hochspezifisch von einer Raupenfliege bestäubt.

Das Brand-Knabenkraut besiedelt am Walberla nur einige, eng umgrenzte Bereiche im Halbtrockenrasen. Leider gibt es schon seit langem nur noch wenige ungestörte und ungedüngte Wiesen, die es als Voraussetzung für seine Existenz benötigt. In den letzten Jahren war diese Spezies auf der Ehrenbürg kaum anzutreffen, die Anzahl der blühenden Exemplare unterliegt nämlich jährlich starken Schwankungen. Solche treten besonders bei den Winterblatt bildenden Orchideen auf, zu denen auch diese Art gehört. Sie bildet deshalb ab Oktober Rosetten aus, mit denen sie bereits während dieser Jahreszeit das Sonnenlicht nutzen kann. Jedoch erfolgt der Austrieb sehr uneinheitlich, in manchen Jahren bis in den März hinein. In diesem Frühjahr reichte die Regenmenge aus, sodass mehr als 20 Exemplare zur Blüte gelangen konnten.

Am Walberla lässt sich diese Art ausschließlich an besonders wärmebegünstigten Standorten finden. Beim Brand-Knabenkraut kann man an seiner Lebensweise erkennen, dass es seinen Ursprung im Mittelmeerraum hat. Denn dort sind die Sommer sehr heiß und trocken, sodass die beste Zeit für die Entwicklung der Pflanzen der relativ milde und feuchte Winter ist. Die Gewächse sind darauf angewiesen, günstige Witterungsabschnitte im Winterhalbjahr für ihre Existenz zu nutzen, ehe sie im späten Frühjahr das Wachstum beenden und nach dem Einziehen als Knollen bis zum Herbst im Boden überdauern. Blütenausfälle können vor allem durch Spätfröste unmittelbar vor Blühbeginn verursacht werden. Als Licht liebende Art findet das Brand-Knabenkraut am Südwesthang der Ehrenbürg geeignete Standortbedingungen, zumal der gesamte Bereich einmal jährlich beweidet wird und dadurch eine wesentliche Voraussetzung für den Erhalt der Halbtrockenrasen geschaffen wurde.

Im Gegensatz zu manch anderen heimischen Orchideenarten, die vom wärmeren Klima der letzten Jahre profitieren und teilweise in Ausbreitung begriffen sind, vermögen sich die Bestände des Brand-Knabenkrauts sehr schwer zu regenerieren. Die Trockenheit der letzten Jahre war den Pflanzen nicht zuträglich. Aufgrund der geringen Individuenzahl muss das Brand-Knabenkraut am Walberla in die Kategorie der stark gefährdeten Orchideenarten eingereiht werden.

Adolf Riechelmann