REGIOMED Klinikum Coburg zum „Tag des Schlaganfalls“ am 10. Mai

Fragen zum Schlaganfall an den kommissarischen Chefarzt der Abteilung für Neurologie am REGIOMED Klinikum Coburg, Dr. med. Peter Kühnlein

Dr. med. Peter Kühnlein, Kommissarischer Chefarzt Neurologie am REGIOMED Klinikum Coburg

Dr. med. Peter Kühnlein, Kommissarischer Chefarzt Neurologie am REGIOMED Klinikum Coburg

Jährlich ereignen sich knapp 270.000 Schlaganfälle in Deutschland, etwa 200.000 davon sind erstmalige Schlaganfälle. Trotz stetiger Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten und Therapieoptionen und einem nahezu flächendeckend vorhandenem Netz spezialisierter Schlaganfalleinheitenist der Schlaganfall immer noch ein lebensbedrohliches Krankheitsbild mit oft weitreichenden Folgen. Auch im REGIOMED Klinikum Coburg befindet sich seit vielen Jahren eine zertifizierte, regionale Stroke Unit, auf der Schlaganfallpatienten von einem spezialisierten, multidisziplinären Team behandelt werden. Dennoch bleibt rund die Hälfte der überlebenden Schlaganfallpatienten ein Jahr nach dem Ereignis dauerhaft behindert und ist auf fremde Hilfe angewiesen. Aktuell leiden so fast eine Million Bundesbürger an den Folgen dieser Erkrankung. Der Schlaganfall ist also eine sehr ernstzunehmende Erkrankung und jeder sollte zum heutigen bundesweiten Schlaganfalltag wissen, wie man typische Symptome erkennt, schnell richtig handelt und so das eigene Risiko minimiert.

Was ist ein Schlaganfall?

Ein Schlaganfall ist eine plötzliche Durchblutungsstörung im Gehirn mit plötzlich einsetzenden neurologischen Ausfällen. Diese betreffen meist nur eine Körperhälfte und umfassen plötzlich einsetzende Lähmungserscheinungen, Sensibilitätsstörungen, Fallneigung, Schwindel oder Gangunsicherheit, aber auch Sprach- und Sprechstörungen sowie Sehstörungen wie Gesichtsfeldausfälle oder Doppelbilder, Verwirrtheit, und Kopfschmerzen. Die Ursachen sind entweder ein Hirninfarkt, also eine Mangeldurchblutung des Gehirns, oder eine Hirnblutung, bei der Blut in das Hirngewebe austritt. In jedem Fall muss sofort gehandelt werden.

Was sind typische Symptome?

Typische Symptome, die auf einen Schlaganfall schließen lassen sind beispielsweise einseitiges Taubheitsgefühl, plötzliche auftretende einseitige Lähmung, Sehstörungen, ungewöhnliche Sprechstörungen, die zuvor nicht bestanden haben wie Stottern oder Lallen, verminderte Ausdrucksfähigkeit, Verständnisstörungen, Wortfindungsstörungen, starke Kopfschmerzen und plötzlicher eintretender starker Schwindel.

Einen Schlaganfall kann man auch mit Hilfe des FAST-Tests erkennen:

  • Face (für Gesicht): Fordern Sie die betroffene Person zum Lächeln auf. Verzieht sich ihr Gesicht einseitig, deutet das auf eine Halbseitenlähmung hin.
  • Arms (für Arme): Lassen Sie die betroffene Person die Arme nach vorne strecken und dabei die Handflachen nach oben drehen. Kann sie ihre beiden Arme nicht anheben bzw. sinken oder drehen sich diese, handelt es sich um eine Lähmung.
  • Speech (für Sprache): Bitten Sie die betroffene Person, einen einfachen Satz nachzusprechen. Ist sie dazu nicht in der Lage oder klingt die Stimme verwaschen, ist eine Sprachstörung sehr wahrscheinlich.
  • Time (für Zeit): Rufen Sie den Notarzt unter 112 und schildern Sie die Symptome. Jede Minute kann Leben retten oder helfen, bleibende Schäden zu vermeiden.

Wie verhält man sich richtig, wenn man vermutet einen Schlaganfall zu haben?

Das Wichtigste ist, keine Minute zu verlieren und sofort den Rettungsdienst unter der Rufnummer 112 zu verständigen.

Eine Modellberechnung von Ärzten aus den USA unterstreicht die Relevanz des Leitspruches „Zeit ist Gehirn‘“ oder „Time is brain“: Bei einem Schlaganfall gehen pro Minute ca. 2 Millionen Nervenzellen und ca. 12 km Nervenbahnen zugrunde.

Wie wird ein Schlaganfall therapiert?

Der Schlaganfall und speziell der Hirninfarkt kann in vielen Fällen mittlerweile sehr gut behandelt werden, wenn der Patient frühzeitig einer entsprechenden Spezialeinheit zugeführt wird. In der Klinik übernehmen modernste Schlaganfalleinheiten die unmittelbare Erstversorgung von Schlaganfallpatienten. Spezialisten verschiedener medizinischer Fachrichtungen arbeiten hier zusammen, um eine schnellstmögliche intensivmedizinische Behandlung zu gewährleisten. Da jeder Zeitverlust nach Symptombeginn die Prognose verschlechtert, greifen in einer Stroke Unit alle Rädchen der Akutmedizin nahtlos ineinander: vom behandelnden Ärzte- und Pflegeteam über die bildgebende Diagnostik und therapeutische Verfahren bis hin zur Frührehabilitation. Verschlossene Gefäße werden durch die Verabreichung von Medikamenten zur Gerinnselauflösung oder mechanische Entfernung des Blutpropfes über Katheterverfahren wieder eröffnet.

Wie kann ich das persönliche Schlaganfallrisiko verringern?

Die wichtigsten Risikofaktoren sind Bluthochdruck, Übergewicht und insbesondere Mangelbewegung, Rauchen, Diabetes mellitus, ein erhöhter Cholesterinspiegel und Thromboseneigung. Diese Risikofaktoren können zum einen medikamentös, aber auch durch nicht medikamentöse Lebensstilmodifikationen positiv beeinflusst werden. Hierzu zählen die Nikotinabstinenz, viel körperliche Bewegung und Ausdauersport sowie eine gesunde, idealerweise an den mediterranen Stil angelehnte Ernährungsweise.

Allerdings ist ein nicht beeinflussbarer Risikofaktor das Lebensalter, denn allgemein sind Menschen ab etwa 60 Lebensjahren stärker gefährdet, einen Schlaganfall zu erleiden. Trotzdem können auch junge Menschen betroffen sein und sollten ungewöhnliche Symptome sehr ernst nehmen.

Zeigt die gegenwärtige Corona-Pandemie Auswirkungen auf die Schlaganfallbehandlung im Krankenhaus?

Die Versorgung von Schlaganfallpatienten ist keinesfalls eingeschränkt. Deutschland hat eines der leistungsfähigsten Gesundheitssysteme der Welt; hier gibt es mehr als 330 zertifizierte Stroke Units mit multidisziplinären Teams aus hoch qualifizierten Ärzten, Pflegenden und Therapeuten, die sich speziell um Schlaganfallpatienten kümmern. Dennoch konnte in der ersten Welle der Pandemie deutschlandweit ein deutlicher Rückgang der stationär im Krankenhaus behandelten Schlaganfälle beobachtet werden. Nach einer kürzlich vorgestellten Studie scheint es so, dass die Patienten nicht oder zu spät im Krankenhaus vorstellig wurden und insbesondere bei geringen oder rückläufigen Symptomen die Krankenhausaufnahme vermieden. Leider wurden daher im vergangenen Jahrvermehrt sehr schwere Fälle in den Stroke Units behandelt. Wichtig ist aber für alle Betroffenen, dass alle deutschen Kliniken gleich nach dem ersten Ausbruchsgeschehen in Deutschland durchdachte und belastbare Hygienekonzepte umgesetzt haben. Niemand muss daher vor außergewöhnlich hohen Risiken einer Ansteckung mit dem Coronavirus im Krankenhaus Angst haben.

Der kommissarische Chefarzt der Abteilung für Neurologie am REGIOMED Klinikum Coburg, Dr. med. Peter Kühnlein, hat anlässlich des Tags des Schlaganfalls einen ganz persönlichen Appell an alle:

Seien Sie achtsam und nehmen Sie auch geringe und schnell rückläufige Symptome ernst! Scheuen Sie sich nicht auch vorübergehende Ausfallerscheinungen ärztlich abklären zu lassen. Haben Sie keine Angst vor einer Behandlung in der Klinik. Nur in spezialisierten Fachabteilungen ist eine schnelle Diagnostik und Therapie gewährleistet.

Das tückische an sogenannten kleinen Schlaganfällen mit vorübergehenden Ausfällen ist, dass die Ursache des Schlaganfalles auch bei abklingenden Symptomen weiterhin fortbesteht. So könnte z.B. eine Engstelle der Halsschlagader oder eine Herzrhythmusstörung mit Gerinnselbildung im Herzen die Ursache für die vorübergehenden Probleme sein. Nur die konsequente Abklärung und Aufdeckung eines solchen Risikofaktors kann eine optimale Behandlung, sei es medikamentös, durch Lebenstilmodifikation oder operative Verfahren, ermöglichen.

Insbesondere diese anfänglich nur gering oder vorübergehend betroffenen Patienten, haben ohne adäquate Abklärung und entsprechende Behandlung ein deutlich erhöhtes Risiko für einen erneuten Schlaganfall, der in den meisten Fällen mit dann weitreichenden Folgen und dauerhafter Behinderung einhergehen kann.