Offener Brief an die Stadt Bamberg zu „Beteiligungsplattform Bamberg gestalten“

Offener Brief der Bürgerinitiative Bamberg.Gemeinsam.Mobil:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, lieber Jonas,

erfreut und überrascht haben wir am Montag von der Freischaltung der Beteiligungsplattform bamberg-gestalten.de erfahren.

Grundsätzlich ist es sicherlich ein guter Gedanke, bei diesem wichtigen Thema eine Bürgerbeteiligung anzustoßen. Jedoch ist mehr als fraglich, ob hier ein aussagekräftiger Querschnitt der Bevölkerung erreicht werden kann: Wie werden hier ältere Menschen erreicht, die sehr spezifische Bedürfnisse an den Verkehr haben?

Werden hier nicht nur gezielt digital aktive Bevölkerungsgruppen angesprochen? Was ist mit den – wohl mehrheitlichen – Bürgern, die sich in einer repräsentativen Demokratie wähnen und nicht die Zeit haben, sich mit online-Diskussionen zu befassen?

Was ist mit den – wohl mehrheitlichen – Bürgern, die sich in einer repräsentativen Demokratie wähnen und nicht die Zeit haben, sich mit Onlinediskussionen zu befassen?

Nachdem wir uns intensiv mit der Plattform auseinandergesetzt haben, kommen doch erhebliche Zweifel auf, dass es sich hier um eine ergebnisoffene Form der Bürgerbeteiligung handelt. So wirken die Sätze doch wie eine Kopie des Forderungskatalogs vom Radentscheid.

Zudem ist weiterhin völlig unklar, inwiefern die Änderungsanträge der Stadtratsfraktionen bereits eingearbeitet wurden und welche Version des VEP überhaupt als Diskussionsgrundlage dienen soll. Die aufgeführten Diskussionspunkte sind somit doch sehr überraschend, widersprechen sie doch konkreten Stadtratsbeschlüssen oder Vereinbarungen.

Als Beispiel wäre hier der Punkt “Umgestaltung zentraler Räume zu Mischverkehrsflächen mit niveaugleichem Straßenraum; verkehrsberuhigte Geschäftsbereiche (z.B. Lange Straße)” zu nennen. Gibt es hier nicht aus dem letzten Mobilitätssenat einen Beschluss, der genau einen solchen Umbau eben nicht vorsieht?

In der Wirtschaftssondersitzung vom 28.4. wurde deutlich auf die Probleme des Handwerks in Bezug auf Anlieferung und Halten an Baustellen hingewiesen. Wie ernst diese Mahnungen genommen wurden, zeigt folgender Punkt: “Im Kern des Konzepts steht die Abstimmung der Lieferzeiten, der Einsatz alternativer Lieferfahrzeuge (z.B. Elektro-, Lastenrad) und die innovative Verteilung über sogenannte Micro-Hubs: Verteilzentren z.B. in Tiefgaragen oder Leerständen zur Bündelung des Verkehrs, Feinverteilung mit Kleinfahrzeugen” – Ein klarer Widerspruch zu getroffenen Aussagen.

Die Hoffnung, dass die Projektauswahl noch Thema im anstehenden Mobilitätssenat ist oder sogar diskutiert wird, zerschlägt sich mit der aktuellen Sitzungsvorlage. Somit bleibt der Eindruck, dass es hier um eine sehr subjektive Idee des Mobilitätsreferats geht.

Aber es gibt ja eine Beteiligungsfunktion. Schließlich gibt es ja erhöhten Gesprächsbedarf. Die Anmeldung ging zwar im Vergleich zum Impfzentrum recht zügig, allerdings haben wir den Versuch, einen Beitrag einzustellen schon eher als Hürde denn als Einladung wahrgenommen! Ein überdimensioniertes Antragsformular schreckt dann doch etwas ab – Titel, Titelbild, Zusammenfassung des Vorschlags, Vorschlagstext, Video anhängen, auf der Karte verorten und dann noch in drei Projektebenen eintragen… Sicher will man so spontane Äußerungen vermeiden.

Dann bekommt die Empfehlung auf der Plattform “Genießen Sie diesen Ort und die Stimmen, die ihn füllen. Er gehört auch Ihnen.” einen ganz anderen Geschmack – was durch die Tatsache belegt sein mag, dass Stand 6.5. noch kein einziger Beitrag eingestellt war.

Zu einem Verkehrsentwicklungsplan gehört es, dass alle Akteure des Verkehrs berücksichtigt werden. Liest man sich die übrigen Punkte durch wird aber schnell klar: Es geht um die Abschaffung des motorisierten Individualverkehrs! Sei es heute das Auto oder morgen autonom fahrende Vehikel. Wir verbauen uns und unseren Kindern damit die Zukunft!

Eine Verkehrswende wird jedoch nur gelingen, wenn man alle Akteure berücksichtigt und durch eine echte, ergebnisoffene Beteiligung ins Boot holt. Ein Durchdrücken eigener Wunschvorstellungen ist nicht nur egoistisch, sondern auch unsozial und – wie beschrieben – sogar anti-demokratisch.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Ulrich Krackhardt, Vorsitzender
Florian Köhn, Stellvertreter
Claudia John, Stellvertreterin