BUND Naturschutz: „Kanufahren auf der Wiesent – Schwerwiegende Mängel bei den Verträglichkeits-Untersuchungen“
Keine ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Anträge der Bootsvermieter auf Schifffahrtsgenehmigung
Das Landratsamt Forchheim hat den BUND Naturschutz vor wenigen Wochen über die nun vorgelegten Verträglichkeitsuntersuchungen nach EU-Recht und die von den drei Kanuverleihbetrieben an der Wiesent eingegangenen Anträge auf Schifffahrtsgenehmigung informiert und um Stellungnahme bis zum 15.04.2021 gebeten. Es geht um die Frage, ob der Kanuverleih und die Vielzahl von Kanufahrten im Sommer auf der Wiesent mit den europäischen Schutzgebietsregeln vereinbar sind. Betroffen sind europäisch geschützte Arten wie der Eisvogel, der Zwergtaucher, die Groppe (eine Fischart), das Bachneunauge oder die Unterwasservegetation mit Flutendem Hahnenfuß.
Dass der BUND Naturschutz an dem Verfahren überhaupt beteiligt wird, geht auf eine gerichtliche Auseinandersetzung zurück.
Die Verträglichkeitsuntersuchungen zu den Auswirkungen auf das europäische Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH) und das Vogelschutzgebiet an der Wiesent gelangen zu dem Ergebnis, dass „keine erheblichen Beeinträchtigungen“ durch den gewerblichen Bootsverkehr verursacht werden.
Der BUND Naturschutz hat die beiden Gutachten mit Hilfe von Fachleuten und einer Rechtsanwaltskanzlei geprüft und kommt zu ganz anderen Ergebnissen. In einer 40-seitigen Stellungnahme wurde dies dem Landratsamt soeben mitgeteilt.
„Die Feststellung ‚keine erhebliche Beeinträchtigung‘ aufgrund der vorgelegten Gutachten ist aus unserer Sicht fehlerhaft. Die beabsichtigte Nutzung der Wiesent in der beantragten Form ist deshalb auch nicht genehmigungsfähig, die Genehmigungsvoraussetzungen für den beantragten Kanuverleih liegen nicht vor“, so Dr. Ulrich Buchholz, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Forchheim.
„Die Verträglichkeitsuntersuchungen wurden offenbar unter sehr hohem Druck erstellt. Die Kanuverleiher an der Wiesent wollen am 1. Mai wieder starten und deshalb konnten vom Gutachterbüro wichtige Untersuchungen offenbar nicht berücksichtigt werden, weil sie noch nicht fertig sind, darunter das Gutachten zur Beeinträchtigung des Kanuverkehrs auf die Fischfauna. Andere Gutachten wie das zu den Beeinträchtigungen der wertvollen Unterwasservegetation wurden einfach ignoriert. Eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung wurde vom Landratsamt offensichtlich gar nicht eingefordert“, so Christian Kiehr, Vorsitzender der BN-Ortsgruppe Ebermannstadt-Wiesenttal.
Mängel bei den Verträglichkeitsuntersuchungen:
- Für das FFH-Gebiet wertbestimmende Arten wie die Äsche wurden nicht betrachtet. Das gilt auch für weitere Arten.
- Das Gutachten des Büros sje – Ecohydraulic Engineering aus Stuttgart im Auftrag der Bezirks-Fischereifachberatung Oberfranken „Untersuchung zur Beeinträchtigung von Fischhabitaten in der Wiesent durch Bootsbefahrung“ wurde in Teilen zwar im Dezember 2020 vorgestellt, es ist aber noch nicht fertig. Die dort gemachten Einschätzungen lassen auf erhebliche Auswirkungen auf die Fische der Wiesent schließen. Diese Untersuchung beschreibt explizit die Auswirkungen der Kanufahrten auf der Wiesent und über erhebliche Beeinträchtigungen. Zudem kommt man zu dem Ergebnis, dass private Bootsfahrer weniger und weniger starke Störungen wie Kentern, und Auflaufen verursachen. Diese Untersuchung zeigt außerdem, dass erhebliche Unterschiede in der Besiedlungsdichte in Strecken mit und ohne Bootsbefahrung bestehen. Das Gutachten wurde nicht abgewartet und floss nur geringfügig in die Verträglichkeitsuntersuchungen ein.
- Ein von der Fa, IVL Röttenbach im Jahr 2017 erstelltes Gutachten belegt die erheblichen Auswirkungen auf die Unterwasservegetation durch v. a. ungeübte KanufahrerInnen. Es wurde praktisch ignoriert.
- Ungenügende Beachtung findet die rechtsverbindliche Pflicht der Behörde, den Übergang der Lebensraumtypen des FFH-Gebiets in einen günstigen Erhaltungszustand zu fördern.
- Mit Blick auf den Eisvogel erlauben die vorliegenden Daten z. B. keinen Hinweis darauf, dass bei gewerblichem Bootsverleih der Erhaltungszustand sich bessert und nicht weiterhin konstant in der schlechtesten Stufe bleibt.
- Verschiedene Arten des Vogelschutzgebietes wurden nicht betrachtet, obwohl es Beobachtungen dazu gab, z. B. der Flussregenpfeifer und der Waldwasserläufer.
- Die vorgesehenen als „Schadensbegrenzung“ betitelte Maßnahmen wie Einbringung von Totholz, größeren Steinen, Nisthilfen für den Eisvogel oder Gehölzanpflanzungen legen bereits nahe, dass alle Akteure von Schädigungen durch den gewerblichen Bootsverkehr ausgehen.
Darüber hinaus fehlt eine spezielle artenschutzrechtliche Untersuchung (saP). Sie wurde offenbar gar nicht eingefordert.
Den Anträgen der Kanuverleih-Firmen an der Wiesent auf eine unbefristete Genehmigung liegen deshalb die zwingend nötigen Prüfungen nicht zugrunde.
Anträge auf Schifffahrtsgenehmigung:
- Die von den Antragstellern vorgesehene Anzahl der Bootsfahrten wurde nicht durch Untersuchungsergebnisse untermauert oder anderweitig naturschutzfachlich begründet.
- Die Verleiher haben zwar erkannt, dass Niedrigwasser infolge der Trockenheit ein Problem darstellt und wollen auf die Befahrung des Wiesentabschnittes von Rothenbühl bis Ebermannstadt verzichten. Niedrigwasserbereiche gab es in den letzten Jahren aber auch an vielen anderen Stellen. Bei Niedrigwasser soll es nach ihrem Antrag aber überhaupt keine Einschränkungen des Bootsverkehrs mehr geben. Damit würden 2020 bereits erreichte Schutzmaßnahmen wieder rückgängig gemacht.
- Das Konzept der Antragsteller zum Bootfahren auf der Wiesent wird als „in Bearbeitung“ angegeben. Auf dieser Grundlage lässt sich eine Genehmigung nicht erteilen.
Hintergrund
Das Landratsamt Forchheim hatte 2018 eine Schifffahrtsgenehmigung erteilt, die den Kanuverleihern an der Wiesent den Betrieb trotz fehlender EU-Verträglichkeitsprüfung ermöglicht hatte. Dagegen hatte der BUND Naturschutz protestiert, weil die starke Belastung und teilweise Beschädigung der Ökosysteme an der Wiesent durch zu intensive Nutzung, überwiegend durch Leihbootkunden, offensichtlich war. Weil das nichts bewirkte, musste der BUND Naturschutz beim Verwaltungsgericht Bayreuth 2019 Klage gegen die Schifffahrtsgenehmigung erheben. Vor Gericht wurden Auflagen für die Nutzung der bestehenden Genehmigung festgelegt und für 2020 geeinigt, dass der BUND Naturschutz „… in dem anstehenden Genehmigungsverfahren nach September 2020 und im Rahmen der bereits laufenden Verträglichkeitsuntersuchung über wichtige Ergebnisse informiert und entsprechend beteiligt“ wird.
Diese Beteiligung ließ leider zu wünschen übrig. Anfang Dezember 2020 forderte der BUND Naturschutz nach einer Veranstaltung zu den Zwischenergebnissen das Landratsamt schriftlich auf, diese Ergebnisse dem Naturschutzverband zur internen Verwendung zu überlassen. Trotz schriftlicher Anfrage und Verweis auf die Vereinbarungen vor dem Verwaltungsgericht musste der BUND Naturschutz bis zum 05.3.2021 warten, um die Untersuchungen zu erhalten. Und nun soll es nach den Vorstellungen des Landratsamtes ganz schnell gehen. Eine angemessene Frist zur Stellungnahme wurde – auch unter Berücksichtigung einer Fristverlängerung von zwei Wochen – nicht gewährt. Dies ist unverständlich, oblag es doch dem Landratsamt, gemeinsam mit dem BN ein Konzept zu entwickeln.
„Auf den letzten Drücker ein Konzept vorzulegen, welches die Regelungen zu den Schutzgebieten wieder unzureichend berücksichtigt, darf nicht zu einer unbefristeten Genehmigung des Kanuverleihs führen. Der BN wird das weitere Vorgehen des Landratsamtes sehr genau prüfen und notfalls wieder das Gericht anrufen“, so Tom Konopka, Regionalreferent des BN.
Vor diesem Hintergrund musste der BN leider feststellen, dass die öffentlichen Maßnahmen an der Wiesent offensichtlich nicht unter Kontrolle sind: Mit Überraschung nahm der BN Gehölzschnitte am Wiesentufer zur Kenntnis. Während das Gutachterbüro vorschlägt, als Schadensbegrenzungsmaßnahme die Pflanzung von Gehölzen am Wiesentufer vorzunehmen, werden andererseits nach Auskunft von Beteiligten vom Ufer in das Wasser hereinragende Bäume und Zweige beseitigt, die offensichtlich die Fahrer von Booten behindern oder stören könnten.
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