Haushalt 2021 der Stadt Gräfenberg: Redemanuskript des Stadtrats Matthias Striebich
Haushalt 2021 der Stadt Gräfenberg: Redemanuskript des Stadtrats Matthias Striebich. Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrter Herr Steinlein,
sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
als Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Stadtrat Gräfenberg nehmen wir zum vorliegenden Entwurf des Haushalts sowie des mittelfristigen Investitionsplans der Stadt Gräfenberg wie folgt Stellung:
Wir danken Herrn Steinlein für die Erstellung des Entwurfs – es steckt wieder einmal sehr viel Arbeit drin! Und wie immer sind es vor allem die Bürgerinnen und Bürger sowie die Gewerbetreibenden, die durch ihre Steuern die Finanzierung dieses Haushalts überhaupt erst ermöglichen. Dafür sei diesen herzlich gedankt. Erfreulich ist, dass sich die Entwicklung der städtischen Finanzen trotz der Corona-Krise immer noch relativ positiv darstellt. Dafür sei an dieser Stelle auch ein Lob für die staatlichen Förderprogramme ausgesprochen.
Um es vorneweg zu sagen: Unsere Fraktion stimmt dem vorliegenden Entwurf des Haushalts und des mittelfristigen Investitionsplans zu, da er die in der vorigen Stadtratsperiode auf den Weg gebrachten Zukunftsprojekte wie die Sanierung des VG-Gebäudes, die Sanierung des Freibads und den Ersatzneubau des Hallenbads beinhaltet. Diese Projekte wollen wir damit unterstützen. Wir erinnern uns gut daran, wieviel Überzeugungsarbeit in den letzten Jahren selbst für kleine Summen zur Rettung der Bäder bei den Stadtratsfraktionen geleistet werden musste, die sich heute gerne als deren Retter feiern lassen. Aber sei es darum: Wir sind froh, dass diesbezüglich nun Einigkeit herrscht.
Und wir sind auch sehr froh darüber, dass für alle diese Projekte bereits in der vorigen Stadtratsperiode hohe Fördersummen erreicht worden sind. Dazu kam vor kurzem noch die Förderung des Landkreises in Höhe von 1,08 Mio. Euro für den Bau des Hallenbads. Hier möchte ich ausdrücklich den Kollegen Fraktionsvorsitzenden der Kreistagsfraktionen und Landrat Ulm danken, mit denen ich dazu ausführliche Gespräche geführt habe. Die Gespräche in allen Fraktionen sind nicht ganz einfach gewesen, aber wir haben es letztlich geschafft, dass der Beschluss für diese Förderung einstimmig gefallen ist.
Soweit die positiven Aspekte – leider müssen wir aber auch feststellen, dass sich in den vergangenen knapp zwölf Monaten in der Stadt, im Stadtrat und in der Zusammenarbeit vieles nicht gut entwickelt hat, was sich auch im Haushalt widerspiegelt.
Wir vermissen im mittelfristigen Investitionsplan beispielsweise Mittel für eine barrierefreie und attraktive Gestaltung der Altstadt. Die Stadtratsmehrheit aus FW und CSU hat es in der letzten Stadtratssitzung abgelehnt, entsprechende Mittel einzuplanen. Dabei gibt es dazu einen eindeutigen Beschluss aus der Stadtratssitzung vom 08.10.2020, der einstimmig gefasst wurde:
„Der Stadtrat nimmt das Konzept zur barrierefreien Altstadt zur Kenntnis. Im Bereich der Baumaßnahmen des Nahwärmenetzes sollen die Baumaßnahmen für die Herstellung einer Barrierefreiheit vorgezogen werden. Es sind hierzu vertiefende Planungen in Absprache mit der Regierung von Oberfranken (Städtebauförderung, VOB-Stelle) sowie den Planern des Nahwärmenetzes zu erstellen.“
Das haben wir alle einstimmig vor einem halben Jahr beschlossen! Wie soll das gehen, wenn nicht einmal im mittelfristigen Investitionsplan Mittel dafür vorgesehen sind? Die Argumente aus der letzten Stadtratssitzung gegen die Einplanung der Mittel waren: Man wisse ja noch nicht genau, was es kosten werde und man könne es dieses Jahr ohnehin nicht umsetzen. Das können wir nicht nachvollziehen. Maßnahmen, die im mittelfristigen Investitionsplan stehen, kann man grundsätzlich nie im laufenden Jahr umsetzen (sonst müssten sie ja im laufenden Haushalt stehen) und oft weiß man noch nicht genau, was sie kosten werden. Außerdem wäre ja seit dem einstimmigen Beschluss Zeit genug gewesen, zumindest grobe Kosten zu ermitteln. Für die vertiefende Planung in Zusammenhang mit dem Nahwärmenetz wäre es höchste Zeit! Was ist diesbezüglich seit einem halben Jahr passiert? Nichts? Da fragen wir uns: Wird so mit einem einstimmigen Stadtratsbeschluss umgegangen? Klar ist es dann irgendwann zu spät, es beim Nahwärmenetz zu berücksichtigen, wenn man lange genug nichts tut. Und bis zur Realisierung einer attraktiveren Altstadt sollen dann noch mindestens vier, fünf Jahre vergehen, wenn nicht einmal im mittelfristigen Investitionsplan Mittel dafür vorgesehen sind? Das kann dann auch nicht durch Gutscheine ausgeglichen werden.
Wir fragen uns außerdem: Stand der Haushalt schon vor der Beratung in der letzten Stadtratssitzung fest? War schon abgesprochen, dass nichts mehr verändert wird? Wie ist es sonst zu verstehen, dass selbst die bei der letzten Stadtratssitzung wenige Tagesordnungspunkte vor der Beratung des Haushalts beschlossene Erstellung eines Feuerwehrbedarfsplans für die Stadtratsmehrheit kein Grund war, den entsprechenden Ansatz im Haushaltsplan zu erhöhen, obwohl dieser mit der anstehenden Überarbeitung des Flächennutzungsplans ohnehin schon knapp bemessen ist? Die Haushaltsvorberatung im Stadtrat wäre eine Farce, wenn es gar nichts mehr zu beraten gibt, weil schon alles feststeht.
Viele Punkte, die uns wichtig sind, wurden von CSU und FW bedauerlicherweise boykottiert: Ökologisch und klimapolitisch wirksamer Stromtarif – abgelehnt wegen minimaler Mehrkosten. Mittel für mögliche Gutachten oder Rechtsberatung in Zusammenhang mit der Verfüllung hochbelasteter Stoffe im Steinbruch – abgelehnt wegen angeblich „fehlender Zuständigkeit“ – dabei sind wir als Stadt immer zuständig, uns politisch für die Interessen unserer Bürgerinnen und Bürger einzusetzen. In diesem Zusammenhang eine deutliche politische Formulierungen zur Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung und einer Lösung für geogenen Erdaushub – abgelehnt und weichgespült, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Was liegt aus unserer Sicht im Argen in Gräfenberg? Es fehlt an einer klaren politischen Ausrichtung für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, der Stadt als Gemeinwesen *und* der Umwelt einschließlich des Klimaschutzes. Wir wollen die Interessen der Stadt politisch vertreten sehen und nicht dauernd Verwaltungsjargon hören. Wenn es um die Interessen der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger geht, dann müssen wir als Stadt, als Stadtrat, als Bürgermeister, als Verwaltung deutlich politisch Stellung beziehen, auch wenn wir formal nicht zuständig sind. Wir wollen, dass für Zukunftsprojekte wie das Nahwärmenetz oder die Sanierung des Scheunenviertels klare Position bezogen und Mut gemacht wird und nicht dauernd die Probleme und Risiken betont werden – dass etwas schief gehen kann, wissen wir und die Leute schon selbst. Wir wollen in der Lage sein, ohne weiteres ins Amtsblatt zu schreiben „Leute, reißt keine geschützten Pflanzen heraus!“ – und dazu nicht die Untere Naturschutzbehörde brauchen. Wir wollen, dass wir alle zusammen den Umweltminister nicht nur anschreiben, wenn es um die Interessen unserer Stadt geht, sondern auch nachhaken, wenn wir keine befriedigende Antwort erhalten – und uns da nicht den Schwarzen Peter hin und her schieben. Auch das waren nur drei Beispiele von vielen.
Ja, wir stimmen dieses Mal dem Haushalt und dem mittelfristigen Investitionsplan zu, weil wir die genannten Zukunftsprojekte unterstützen wollen, und wir hoffen, dass dies dazu beiträgt, dass wir hier wieder mehr *miteinander* an einem Strang ziehen.
Matthias Striebich
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