LBV-Jahresbilanz 2020 – Gewinner und Verlierer des Artenschutzes in Bayern
Erfolge bei Weißstorch, Kranich und Gartenvögeln – Sorge um Steinadler, Feuersalamander und Kiebitz
Mit Blick auf den bayerischen Naturschutz im Jahr 2020 freut sich der LBV über Erfolge und sorgt sich gleichzeitig um einige besonders gefährdete Arten. Für seine Jahresbilanz hat der bayerische Naturschutzverband beispielhaft drei Gewinner und drei Verlierer des Artenschutzes im Freistaat ausgewählt. „Mit Freude sehen wir die Erfolge, die wir vergangenes Jahr in Bayern beim Kranich, Weißstorch und den Gartenvögeln feiern konnten. Hingegen beobachten wir mit Sorge, wie Steinadler, Feuersalamander und Kiebitz im Freistaat immer stärker in Bedrängnis geraten“, sagt der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer. Das Jahr 2020 war geprägt durch die Corona-Pandemie, die auch Auswirkungen auf den Naturschutz hatte. So führte der Lockdown aus Sicht des LBV zum einen dazu, dass sich die Menschen mehr mit der Natur vor der eigenen Haustüre beschäftigten und viele Arten in der direkten Nähe entdeckten. Zum anderen stieg der Druck auf die Natur, weil sich viel mehr Menschen wegen fehlender Freizeitalternativen in den bayerischen Naturschutzgebieten und Nationalparks aufhielten.
Der große Gewinner im bayerischen Naturschutz ist der Weißstorch. Im Jahr 2020 meldeten die ehrenamtlichen Horstbetreuer*innen des LBV über 750 Storchenpaare im Freistaat. Das sind knapp 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Durchschnitt wurden zudem pro besetztem Nest mehr als zwei Jungvögel flügge. Der Brutbestand im vergangenen Jahr stellt somit einen neuen Bestandsrekord seit Beginn der regelmäßigen Erfassung 1980 auf. Artenschutz-Maßnahmen im Brutgebiet und die Zunahme des Gesamtbestandes in Europa dank günstiger Überwinterungsbedingungen sind dafür verantwortlich. „Die Koloniebildung der Weißstörche wird vermutlich auch in den nächsten Jahren anhalten. Der Ansiedlungsdruck führt allerdings auch zu Neuansiedlungen auf ungeeigneten Standorten wie beheizten Kaminen, dadurch erhöht sich der Beratungsaufwand im Rahmen des Weißstorch-Monitorings“, erklärt Norbert Schäffer.
Ein weiterer Gewinner des Jahres 2020 ist der Kranich. Der anmutige Vogel siedelt sich seit Anfang der 2000er Jahre langsam wieder in Bayern an. Jahrzehntelange internationale Schutzbemühungen wie Moorrenaturierungen, Nestbewachung und Zugvogelschutz führten in Europa zu einer Bestandserholung. So konnte sich der Kranich schließlich auch in Bayern in ungestörten Gebieten wieder etablieren, nachdem er dort zuletzt gegen Ende des 19. Jahrhunderts Brutvogel war. „Im Jahr 2020 wurden ungewöhnlich viele neue Paare beobachtet, die nach einem geeigneten Revier suchten. Feste Kranichpaare waren es über 40, von denen gut die Hälfte brütete. Wir wissen von 22 Jungvögeln, zwei davon wurden sogar auf einer LBV-Fläche beobachtet“, so der LBV-Vorsitzende. Der Kranich ist ein Sinnbild für erfolgreichen Klimaschutz, denn dort, wo Kraniche zu brüten beginnen, haben die Moorwälder genügend Wasser. Somit herrschen in diesen Gebieten in der Regel optimale Bedingungen, die gegen den Klimawandel wirken.
Ebenfalls zu den Gewinnern 2020 zählen unsere heimischen Gartenvögel, weil sie im vergangenen Jahr besonders viel Aufmerksamkeit von der bayerischen Bevölkerung erhielten. Über 25.500 Menschen in Bayern haben bei der „Stunde der Gartenvögel“ Anfang Mai 2020 in über 17.400 Gärten, Parks und Balkonen ihre Vögel gezählt und dem LBV gemeldet. Eine Rekordteilnahme, die das bisherige Rekordergebnis des Vorjahres sogar verdoppelt hat. „Ausgelöst durch den Lockdown entdeckten mehr Menschen die Natur vor der eigenen Haustüre. Dieses gesteigerte Interesse an der bayerischen Natur ist ein Phänomen, das der LBV im gesamten Jahr 2020 feststellen konnte“, erklärt Schäffer. Mitmachaktionen wie die „Stunde der Gartenvögel“ ermöglichen es große Datenmengen über Arten wie Haussperling, Kohlmeise und Amsel zu sammeln. Nur durch die Unterstützung interessierter Bürgerforscher*innen können die Artenschützer*innen auch erste Aussagen zu Auswirkungen von Klima oder Krankheitserregern auf Vogelarten treffen.
Corona erhöhte zwar das Interesse an der Natur in Bayern, steigerte aber auch den Freizeitdruck auf bisher störungsarme Regionen und die dort lebenden Wildtiere. „Der Steinadler leidet seit Jahren unter dem zunehmenden Erholungsdruck in den bayerischen Alpen. Gerade am Nordalpenrand war der Bruterfolg 2020 sehr gering: In 31 vom LBV betreuten Steinadler-Revieren flogen 2020 nur sieben Jungvögel aus“, sagt der LBV-Vorsitzende. Dabei sind nicht direkte Schäden am meist sicher in der Felswand gelegenen Horst der Grund für schlechten Bruterfolg. Eher führt die häufige Störung von Gamskitzen, Birkhuhn und Murmeltier durch Erholungssuchende dazu, dass die imposanten Greifvögel weniger Beutetiere finden und ihre Jungen nicht mit genügend Nahrung versorgen können, so dass diese eingehen.
Zu den Verlierern 2020 zählt auch der Feuersalamander. Laboruntersuchungen eines in der Marktgemeinde Ebrach im Landkreis Bamberg im Mai 2020 gefundenen toten Feuersalamanders bestätigten eine Infektion mit dem Hautpilz Bsal (Batrachochytrium salamandrivorans). Vor über zehn Jahren wurde der Pilz in den Niederlanden entdeckt und breitete sich über die Eifel bis nach Deutschland aus. Für Bayern war dies der erste Nachweis. Alle heimischen Salamander- und Molcharten können durch den Pilz erkranken, wobei die meisten Arten eine Infektion offenbar überleben. „Bei Feuersalamandern hingegen führt eine Ansteckung dagegen fast immer zum Tod. Aufgrund der akuten Bedrohung für die bayerischen Feuersalamander plant der LBV aktuell gemeinsam mit dem BN und dem LARS sowie in Kooperation mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt ein größeres Artenhilfsprogramm. Es muss nun alles dafür getan werden, dass dieser Pilz sich nicht weiterverbreitet und weitere Salamander-Populationen im Freistaat gefährdet“, betont Schäffer.
Ein dritter Verlierer des Jahres 2020 ist ein weiteres Mal der Kiebitz. Er leidet – wie auch viele andere Feldvögel – schon seit Jahrzehnten unter der intensiven Landwirtschaft und dem daraus resultierenden Rückgang der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft. Durch den Mangel an geeigneten Flächen zur Nahrungssuche sind die sympathischen Vögel immer seltener in der Lage, ihren Nachwuchs erfolgreich großzuziehen. Zudem gehen in jedem Jahr unzählige Nester und Jungvögel bei der Bewirtschaftung von Acker- und Grünlandflächen verloren. „Zu den Verlierern des Jahres 2020 zählt der Kiebitz vor allem auch deshalb, weil Europaparlament und EU-Agrarminister nicht den überfälligen Systemwechsel in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union, hin zu einer naturverträglichen Landwirtschaft, vollzogen haben. Stattdessen wurde – auch unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft – die Fortschreibung des Status Quo für die kommenden Jahre beschlossen“, sagt der LBV-Vorsitzende. Für den Kiebitz und die vielen anderen gefährdeten Tier- und Pflanzenarten der Agrarlandschaft bedeutet dies eine ungewisse Zukunft.
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