Hilfen kommen im Handwerk nicht an: „Es geht nicht mehr!“
Handwerkskammer für Oberfranken fordert Politk auf, Wirtschaftshilfen praktikabel anzupassen und Mittel auszuzahlen – Fahrplan aus der Krise heraus
„Die Grenze des Zumutbaren ist erreicht. Viele Betriebe stecken inzwischen tief in einem Existenzkampf.“ Der Vizepräsident der Handwerkskammer (HWK) für Oberfranken, Matthias Graßmann, findet nach der beschlossenen Verlängerung des Lockdowns für Deutschland durch die Ministerpräsidentenkonferenz deutliche Worte. „Wir brauchen jetzt nicht nur Ansagen, was nicht geht oder noch nicht geht. Wir brauchen jetzt endlich Hilfen und einen konkreten Fahrplan, wie wir aus dieser Lage wieder herauskommen.“ Diese Forderung unterstützt der Geschäftsführer der Handwerkskammer, Rainer Beck. „Das größte Problem ist, dass die vielfach und medienwirksam versprochenen Finanzhilfen bei unseren Mitgliedern bislang nicht oder nur sehr sporadisch und in geringem Umfang ankommen. Das geht einfach nicht mehr.“
Das Handwerk hat die Politik und die Gesellschaft in den inzwischen elf Monaten der Pandemie nach Kräften unterstützt und tut dies auch jetzt noch. So fordert der Präsident des Zentralverbands des deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, auch erneut einen „konsequenten Gesundheitsschutz“ ein, damit die geschlossenen Handwerksbetriebe – und auch alle weiteren von Schließung betroffenen Unternehmen – wieder arbeiten können und die Gesellschaft zu einem normalen Alltag zurückkehren könne. Das kann aber nur funktionieren, wenn die in Aussicht gestellten Hilfen endlich als flankierende Maßnahmen auch greifen.
Dies tun sie aber nicht. „Wir hören vielfach, wie viele Milliarden bereitgestellt werden und dass auch schon Mittel ausgezahlt wurden. Unsere Betriebe aber profitieren bisher kaum von den jeweiligen Paketen“, erläutert Geschäftsführer Beck. „Die Hürden für die Antragsstellung sind sehr hoch und viel zu bürokratisch, so dass die Hilfen für das Handwerk gar nicht greifen oder schlicht nicht praktikabel sind. Und: „Betriebe, die Mitte Dezember 2020 in die zweite Schließung mussten wie etwa unsere Friseure und Kosmetikerinnen sind von den Dezember-Hilfen faktisch ausgeschlossen. Die in Aussicht gestellten Überbrückungshilfen werden zum Beispiel Friseurbetrieben mit wenigen Angestellten in keiner Weise gerecht.“
Konkrete Perspektiven geben, konkreten Fahrplan aufstellen
Neben der dringend notwendigen, finanziellen Unterstützung brauchen das Handwerk und vor allem die von der Schließung betroffenen Betriebe eine Perspektive. „Wir fordern, dass die Politik jetzt endlich einen konkreten Fahrplan aufstellt und kommuniziert, wie die Wirtschaft ab spätestens Mitte Februar wieder hochgefahren werden kann und wann die Handwerkerinnen und Handwerker ihre Betriebe und Ladengeschäfte wieder öffnen dürfen“, betont HWK-Vizepräsident Graßmann. Entsprechende Hygiene- und Schutzkonzepte seien vorhanden und würden jederzeit professionell angepasst und umgesetzt werden. Graßmann: „Das haben unsere Betriebe längst bewiesen!“
Berufliche Bildungsstätten baldmöglichst wieder öffnen
Um Zukunftsperspektiven für das Handwerk geht es auch bei den Bestimmungen, die die berufliche Bildung betreffen. „Wir müssen, wie auch die Schulen, unsere Bildungsstätten bislang komplett geschlossen halten“, erklärt HWK-Geschäftsführer Bernd Sauer. Das bedeute konkret, dass vor allem die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung und die Prüfungsvorbereitung nicht stattfinden könnten. „Das sind bei uns alles praktische Lehrinhalte, die Auszubildenden lernen und üben dabei wichtige Fertigkeiten. Hier ist einfach kein Distanzunterricht möglich.“ Dennoch stünde für viele Auszubildende in den kommenden Wochen die Abschlussprüfung an. „Der Handwerksnachwuchs darf nicht auf der Strecke bleiben, er muss die Voraussetzung bekommen, die Lehre erfolgreich abschließen zu können.“ Nicht zuletzt auch, um die dringend notwendige Versorgung des Handwerks mit Fachkräften zu sichern. „Wie unsere Betriebe haben auch wir umfassende und erfolgreich getestete Hygienekonzepte auf den Weg gebracht. Daher fordern wir den Freistaat Bayern dazu auf, die beruflichen Bildungsstätten baldmöglichst wieder zu öffnen.“
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