Betroffene Brauereigasthöfe äußern sich zur „Fassbierklausel“

Bierfässer
Das fränkische Problembier in seiner natürlichen Umgebung ...

Viele Brauereigasthöfe erhalten derzeit keinerlei Unterstützung, weil es sich um sogenannte „Mischbetriebe“ handelt

Brauereigaststätten sind als Mischbetriebe von den Lockdown-Wirtschaftshilfen ausgenommen, da sie weniger als 80 Prozent ihres Umsatzes durch die Gastwirtschaft erzielen bzw. mehr als 20 Prozent durch die hauseigene Brauerei. Von den etwa 300 bayerischen Brauereigasthöfen liegen die meisten in Oberfranken. Laut Handwerkskammer Oberfranken betreiben 120 der 170 Brauereibetriebe eine eigene Gaststätte.

Die Fassbierklausel solls richten

Nun soll Abhilfe geschaffen werden, wie MdB Andreas Schwarz verkündete: „Fassbierklausel hilft Brauereien!

Was hat es damit auf sich? Grob gesagt: Der Absatz von Fassbier zählt demnach nicht mehr zu den Einnahmen aus der Brauerei, und somit werden theoretisch weniger als 20% mit Bierabsatz erwirtschaftet, die 80/20-Regel für Mischbetriebe kann eingehalten werden und die Finanzhilfen können fließen. Alles wird gut!

Zu früh gefreut

Tja, wie schon geschrieben: „theoretisch“ … denn die grausame Wirklichkeit sieht anders aus. Die Vergleichszahlen beziehen sich ja schließlich auf die Vorjahresmonate, in diesem Fall November und Dezember. Dem bierkundigem Leser fällt es sofort auf: Wann sind die großen Bierfeste, Vereinsfeiern, Kirchweihen und Altstadtfeste, also die Umsatzbringer der Brauereien? Richtig, im November und Deze… äh … moment mal … da stimmt doch was nicht? Genau! Die weitaus überwiegende Menge des Fassbieres wird im Sommer verkauft! Im Winter gibst fast nichts zum „rausrechnen“. Nix wirds mit der Finanzhilfe.

Und außerdem gibts ja Brauereien die fast nur Flaschenbier abfüllen – die schauen eh in die Röhre.

Es scheint geradezu als würden die Politiker den Brauereien eine lange Nase drehen.

Wir haben ein paar Brauereien in der Nachbarschaft gebeten ein paar Fragen dazu zu beantworten. Danke an Elch-Bräu Thuisbrunn (EB), Lindenbräu Gräfenberg (LG) und Brauerei Nikl (NIK) in Pretzfeld!

WB: Es ist viel die Rede von „Novemberhilfe“ und „Dezemberhilfe“. Damit sollen die Ausfälle gegenüber den entsprechenden Vorjahresmonaten kompensiert werden. Haben Sie davon etwas bekommen?

EB: Nein.

LG: Nein, davon haben wir nichts bekommen, da wir ein „Mischbetrieb“ sind.

NIK: Wir haben nichts bekommen.

WB: Warum nicht? Liegt es an der bisher geltenden Mischbetriebs-Klausel? Wie sieht das bei Ihnen aus?

EB: Ja, wegen der Mischbetriebsklausel.

LG: Ja, denn es gilt die 80/20% Regel, d.h. die Brauerei müsste 80% ihres Umsatzes mit Gaststätten machen. Unser Gasthaus ist zwar geschlossen und die Gaststätten, die wir beliefern auch. Dadurch dass wir aber Getränkemärkte mit Flaschenbier beliefern, die ja nach wie vor geöffnet sind, fallen wir aus der Hilfe raus.

NIK: Ja, wir zählen als Mischbetrieb.

WB: Jetzt gilt ja die neue „Fassbier-Klausel“. Ist Ihnen damit geholfen? Bekommen Sie jetzt Unterstützung?

EB: Nein, das hilft uns nicht weiter, unsere Brauerei fällt fast nur in Flaschen ab.

LG: Diese Klausel kenn ich nicht,…..aber bei allen bisherigen Nachbesserungen sind wir nicht dabei.

NIK: Das ist lächerlich. Im November und Dezember wird viel viel weniger Fassbier verkauft als in den Sommermonaten.

WB: Glauben Sie noch daran dass unsere zuständigen Politiker jemals eine sinnvolle Lösung für die Situation der Brauereigasthöfe finden?

EB: Wir glauben nicht, dass die Politiker in Berlin das schaffen, aber hoffen noch auf eine bayerische Lösung.

LG: Eine sinnvolle Lösung kann nur gefunden werden, wenn die Betriebszweige Brauerei und Gaststätte getrennt betrachtet werden.

NIK: Ich hoffe es. Meiner Meinung nach ist es ganz einfach: Es ist völlig egal ob man mit der Gastwirtschaft 80, 50 oder 20 % Umsatz macht, das Geld fehlt und das braucht jeder! Vor allem bekommen Bäcker und Metzger für Ihre Gastronomie Geld, das ist nicht gerecht.

WB: Wie könnte denn eine sinnvolle Lösung Ihrer Meinung nach aussehen?

EB: Dass jeder Betrieb, bei dem ein Teil des Betriebes geschlossen wurde, für den geschlossenen Bereich Entschädigung bekommt, so wie es auch bei den Bäckereien mit angeschlossenem Cafe ist.

LG: Für die Gaststätte getrennt betrachtet müsste die November- und Dezemberhilfe greifen und für die Brauerei, die ja auch durch geschlossene Gaststätten, die beliefert werden, Umsatzeinbussen hat, kann die Überbrückungshilfe in Anspruch genommen werden (was ja jetzt auch schon alle beantragen können, die Umsatzeinbussen haben).

NIK: Für den tatsächlichen Umsatzausfall müssen, wie von einigen Politikern groß versprochen, die 75 % bezahlt werden.