Der Nutria – ein Neubürger am Unterlauf der Wiesent

Nutria. Foto: Adolf Riechelmann
Nutria. Foto: Adolf Riechelmann

Nicht nur Menschen bewegen sich von einem Lebensraum in den anderen. Auch im Tierreich finden solche Vorgänge statt – jedoch häufig verursacht durch den Menschen.  Diese Tiere sind ausgesetzt worden oder ausgerissen oder einfach auf vier Pfoten eingewandert. Unsere Fauna in Bayern hat über die Jahrzehnte einigen Zuwachs bekommen. Eingewanderte, nicht heimische Tierarten werden als Neozoen bezeichnet.

Ein Beispiel hierfür ist der Nutria (Myocastor coypus), den man in den letzten Jahren am Unterlauf der Wiesent zwischen Kirchehrenbach und Reuth gelegentlich zu Gesicht bekommen kann. Diese Tiere sind sehr elegante Schwimmer, ihre Bewegungen im Wasser erinnern an die eines Fischotters. Daher kommt auch ihr spanischer Name „Nutria“, der nichts anderes als „Fischotter“ bedeutet. Ursprünglich stammt das pelzige Wassertier – auch Silberratte oder Sumpfbiber genannt – aus Südamerika.

Erste Zuchtanlagen in Deutschland wurden bereits Ende der 1920er Jahre aufgebaut. Neben der Pelzgewinnung bot man Nutriafleisch auch für den Verzehr an, da es schmackhaft und cholesterinarm ist. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges gab es eine abnehmende Nachfrage im Modesektor für die Pelze, und deshalb schrumpften die Farmbestände stark. Seither konnten sich immer wieder Populationen aus absichtlich oder unabsichtlich in die Freiheit entlassenen Käfigbeständen gründen. Diese waren anfangs nicht überlebensfähig und hatten nur kurzen Bestand. Da kalte Winter – bedingt durch den Klimawandel – als wichtigstes natürliches Regulativ eher von abnehmender Häufigkeit sind, förderte dies zugleich langfristig die Verbreitung der Nutria. Der ständige Nachschub führte über die Zeit dazu, dass sich der Sumpfbiber auch in der Fränkischen Schweiz an den Ufern der Wiesent etablieren konnte.

Der Nutria erreicht eine Körperlänge von etwa 65 Zentimeter und wiegt erwachsen circa acht Kilogramm. Männliche Nutrias werden generell etwas größer als die Weibchen. Auffällig ragen bei dieser Spezies die orangenen Nagezähne durch die gespaltenen Oberlippen hervor. Die orangene Färbung entsteht durch Eiseneinlagerungen, diese bewirken eine Härtung des Zahnschmelzes. Ihre Mundhöhle können die Nagetiere vor den Backenzähnen verschließen. Durch diese Teilung des Mundes ist es ihnen möglich, auch unter Wasser zu fressen, ohne sich dabei zu verschlucken.

Sie ernähren sich vor allem von Blättern, Wurzeln sowie Hackfrüchten, gehen aber auch ab und zu ins Getreidefeld. Um an Maiskolben heranzukommen, knicken sie einfach die Stängel ab. Kein Wunder, dass viele Landwirte nicht besonders gut auf die Nager zu sprechen sind, die gelegentlich auch die Nester von Bodenbrütern ausräubern. Zusätzlich zu den Fraßschäden über Tage unterhöhlt der Pflanzenfresser im Pelz unter Tage die Ufer von Bächen und Flüssen, das sie mitunter abbrechen lässt.

Sehr häufig kann man beobachten, wie sich Nutrias ausgiebig und scheinbar ungeniert putzen. Sie reiben dabei mit einem fettigen Sekret aus Wangen- und Afterdrüsen ihr Fell ein. Dadurch ist ihre Haut auch bei Tauchgängen im Wasser geschützt. Auch das dichte Bauchfell wird intensiv durchgekämmt und aufgelockert, um so ein schützendes Luftpolster zu schaffen.

Verwechslungsgefahren bestehen mit dem Biber und der Bisamratte. Der Nutria ist aber viel kleiner als der Biber, jedoch größer als die Bisamratte. Im Wasser kann man Nutrias leicht von Bibern unterscheiden, denn bei schwimmenden Nutrias sieht man sowohl Kopf als auch Rücken, während bei Bibern nur der Kopf sichtbar ist. Im Gegensatz zum abgeflachten Schwanz der Bisamratte ist der Schwanz des Nutrias rund, beschuppt und kaum behaart.

Generell muss man der Ausbreitung nicht heimischer Arten sehr kritisch gegenüberstehen. In den seltensten Fällen geschieht dies, ohne heimischen Arten zu schaden und auch für Nutrias gibt es erste Hinweise in diese Richtung. Der Sumpfbiber ist inzwischen in die Liste invasiver gebietsfremder Arten für die Europäische Union aufgenommen worden, was bedeutet, dass die weitere Einfuhr und Zucht verboten ist.

Adolf Riechelmann