Der Fall „Campus Kulmbach“ – Dekan Dr. Stephan Clemens im persönlichen Gespräch mit den Wirtschaftsjunioren

WJ Kreissprecherin Mientje Krüger (r.) führt durch den Abend mit Prof. Dr. Stephan Clemens (l.)
WJ Kreissprecherin Mientje Krüger (r.) führt durch den Abend mit Prof. Dr. Stephan Clemens (l.)

Biologe und Dekan – statt Taxifahrer: Prof. Dr. Stephan Clemens spricht mit den Wirtschaftsjunioren im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Auf ein Bier mit…“ über seine Leidenschaft für die Wissenschaft und den Campus Kulmbach

Sein Beruf sei seine Berufung, sagt Prof. Clemens heute, dabei war sein Weg in die Wissenschaft keineswegs vorgezeichnet. Zunächst studierte er nämlich Geschichte, Germanistik und Politikwissenschaften mit dem Ziel Journalist zu werden. Dann wechselte er doch in einen „handfesteren“ Studiengang und kam so zur Biologie. Aufgrund seiner zunehmenden Begeisterung für das wissenschaftliche Arbeiten entschied er sich für eine Promotion am Institut für Biochemie und Biotechnologie der Pflanzen an der Universität Münster. „Allerdings hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Ambition dauerhaft wissenschaftlich zu arbeiten. Eigentlich habe ich – wie viele aus meiner Generation – immer damit gerechnet, ich würde nach dem Studium als Taxifahrer enden“, so Clemens. [lacht]

Dennoch, purer Zufall hat ihn nicht in seine heutige Position gebracht – Talent, Fleiß und vor allem die Leidenschaft für sein Forschungsgebiet waren ausschlaggebend. Von 1996 bis 1998 sammelte er in einem Postdoctoral Research Program an der University of California in San Diego weitere wichtige Praxiserfahrungen in der Spitzenforschung, bis ihn das Leibniz-Institut wieder nach Deutschland holte, um dort die Gruppenleitung der Pflanzenbiochemie zu übernehmen. Parallel habilitierte er an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. 2006 wurde Clemens dann an den Lehrstuhl für Pflanzenphysiologie der Universität Bayreuth berufen und übernahm später zusätzlich die „Forschungsstelle für Nahrungsmittelqualität“ am Max Rubner-Institut. Seit 2018 ist Dr. Stephan Clemens Gründungsdekan der „Fakultät für Lebenswissenschaften: Lebensmittel, Ernährung und Gesundheit“ auf dem neu entstehenden Campus Kulmbach – ein Projekt, das unsere Stadt in den letzten beiden Jahren auf Trapp gehalten hat.

Forschung ist und bleibt Leidenschaft

Nebst seinen vielseitigen Verpflichtungen als Dekan brennt Prof. Clemens v.a. für die Forschung und ist gefragter Experte zum Thema gentechnisch veränderte Pflanzen – so auch für den Bundestag. Er beschäftigt sich unter anderem mit den Mechanismen zur Aufnahme und Speicherung von Nährstoffen in Pflanzen. „Leider hat die Öffentlichkeit vor allem durch eine falsche und einseitige Information der Medien starke Vorurteile, was das Thema angeht. Dabei leben wir seit Jahrtausenden von der genetischen Veränderung. Aufgrund dieses Imageproblems wird viel Innovationspotenzial ungenutzt gelassen“, bedauert Clemens.

Der Fall „Campus Kulmbach“

Seit 2018 hält Dr. Stephan Clemens als Gründungsdekan mit dem Projekt „Campus Kulmbach“ die Stadt in Atem. Zum aktuellen Stand zeichnet er ein positives, aber durchaus auch kritisches Bild.

Er sei von Anfang an überzeugt von der Grundidee gewesen, die sehr viel Gestaltungsspielraum und Potenzial für alle Beteiligten biete. Erste Erfolge können gefeiert werden: 18 Studenten aus 12 Ländern sind bereits immatrikuliert, einzelne Professuren konnten an renommierte Wissenschaftler vergeben werden. Deren Forschungsprojekte könnten wertvolle Drittmittel gewinnen und so zusätzliche Arbeitsplätze schaffen sowie mit ihrer Strahlkraft für die Attraktivität der Stadt Kulmbach und die Region von Bedeutung sein. Und auch die Politik, sowohl auf lokaler als auch auf Landesebene, unterstütze das Vorhaben tatkräftig. Die Bereitschaft und das Interesse, das Projekt „Campus Kulmbach“ langfristig erfolgreich zu machen, sein an vielen Stellen vorhanden.

Andererseits gäbe es auch einige Herausforderungen. So fehle es an Infrastruktur: Der Campus hat zwar Räumlichkeiten in der ehemaligen Verwaltungsvilla der Spinnerei Kulmbach zur Verfügung und für die Übergangszeit werden auch Teile des Fritz genutzt, doch es fehlt weiterhin an Forschungslaboren und Vorlesungssälen. Denn die finale Entscheidung bezüglich eines Grundstückes für den Campusbau konnte bis heute aufgrund der hohen bürokratischen Hürden und diffusen Zuständigkeiten nicht getroffen werden. Eine neue Baurichtlinie fordert jetzt zudem eine auf den Euro genaue, finale Kostenaufstellung – dies sei laut Clemens jedoch kaum möglich.

Daneben sollte der Campus aber auch ein Anstoß für die Weiterentwicklung Kulmbachs selbst sein. Damit das Projekt gelingen kann, gilt es u.a. städtische Infrastrukturen zu optimieren sowie die Präsentationsplattformen und Angebote der Stadt zu internationalisieren. Und dabei wünscht er sich, dass nicht der Campus selbst „Antreiber“ ist. Während das Team um Dr. Clemens weitere Ideen für die Integration der Neuankömmlinge erarbeitet, beispielsweise ein Paten-Konzept, würde er sich unterstützend auch Initiativen aus der Kulmbacher Bevölkerung und Unternehmerschaft wünschen. So könnte sich ein lokaler Universitätsverein um Kooperationen, Stipendien oder die kontinuierliche Kommunikation kümmern. „Hier kann jeder einzelne unterstützen“, sagt Clemens. „Schließlich geht es darum, JEDEM – unabhängig vom Campus – die Entscheidung FÜR Kulmbach und das Ankommen zu erleichtern.“

„Auf ein Bier mit…“ den Wirtschaftsjunioren Kulmbach

Der Grundgedanke, der hinter dem Projekt „Auf ein Bier mit …“ steckt, ist es, (Unternehmer-)Persönlichkeiten aus der Region in entspannter Atmosphäre zu interviewen.

Ziel ist es zum einen, Einblicke in den vielschichtigen Alltag und in die Historie der Person sowie den (beruflichen) Werdegang zu erhalten. Dabei freuen wir uns auch über persönliche Einblicke, die einem in einem Interview in klassischer Studioatmosphäre selten gewährt werden.

Bei dem Projekt geht es aber auch um den offenen Austausch. Das heißt, dass die jungen Unternehmerinnen und Unternehmer, die diesen Terminen beiwohnen, durchaus dazu angehalten sind, offene und ehrliche Fragen zu stellen. Und wie das eben oft im wahren Leben ist, lernen wir von den „alten Hasen“ des Geschäfts immer noch das meiste und eben auch das, was nicht in den Lehrbüchern dieser Welt steht.

Die Wirtschaftsjunioren (WJ) Kulmbach sind eine Vereinigung von jungen Unternehmern und Führungskräften aus allen Bereichen der Wirtschaft. Die WJ Kulmbach gehören den Wirtschaftsjunioren Deutschland (WJD) an, die mit mehr als 10.000 aktiven Mitgliedern den größten Verband von Unternehmern und Führungskräften unter 40 Jahren bilden. Die Mitglieder engagieren sich ehrenamtlich in diversen Projekten in den Bereichen Wirtschaft, Politik sowie Bildung und Soziales.

Interessierte Unternehmer und Führungskräfte heißen die Wirtschaftsjunioren zu ihren öffentlichen Veranstaltungen jederzeit gern willkommen. Alle Termine und weitere Informationen zu dem Verein mit mehr als 30 aktiven und über 20 fördernden Mitgliedern stehen unter www.wj-kulmbach.de zur Verfügung.