Offener Brief des BDS zum aktuellen „Lockdown light“

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An die Mitglieder des Bayerischen Landtages

Sehr geehrte Damen und Herren,

nun ist er also da –der Lockdown light. In der Pressekonferenz vom letzten Donnerstag konnte jeder hören, dass sich das Corona-Virus so schnell verbreitet, weil wir, die Bevölkerung, zu viele Kontakte untereinander haben. Sowohl im Freizeitbereich als auch in den Schulen finden wohl die meisten Begegnungen zwischen Menschen statt. Politisch-gesellschaftlich akzeptabel sei die Schließung der Gastronomie sowie der Veranstaltungs-, Freizeit-und Sportbranche, weil alle Betroffenen eine mehr als großzügige Ausfallentschädigung erhalten, vermutlich mehr als sie unter den bisherigen Beschränkungen überhaupt verdienen hätten können. Die Inhaber der Betriebe machen einen Monat Urlaub und nebenbei erhalten sie Geld ohne einen einzigen Handstreich, die hohen Infektionszahlen gehen zurück und wir können alle ein schönes Weihnachtsfest feiern. Klingt gut –ist es aber nicht!

Hier wird mit Steuergeldern vertuscht, dass in den letzten Monaten kaum Vorbereitungen für den Herbst und den Winter getroffen wurden! Die Abwägung, Schulen oder die Freizeitbranche zu schließen, hätte nie auf der Tagesordnung gestanden, wenn es zum einen verbindliche Regelungen für eine kontaktarme Schülerbeförderung geben würde und zum anderen in den Sommerferien der Startschuss für die Installation und das Aufstellen von mobilen Filteranlagen gefallen wäre. Die vielen Kontakte in den Schulen wären heute kein Thema mehr, wenn nicht nur der Regelunterricht vollmundig angekündigt, sondern auch die Grundlagen dafür geschaffen worden wären. Quarantänen in Bildungseinrichtungen –positiv getestete Schülerinnen, Schüler, Lehrerinnen und Lehrer –die Tagespresse im ganzen Land ist voll mit entsprechenden Berichten. Seit 2.10.2020 stehen nun Fördertöpfe für Luftreiniger zur Verfügung –viel zu spät!

Das Freizeitverhalten in Deutschland führt zu derschnellen Verbreitung des Virus. Deswegen gibt es jetzt für alle eine Nachhilfestunde –eine Disziplinübung, wie Herr Aiwanger am Donnerstag in seiner Rede sagte. Ob wir, die Bürgerinnen und Bürger, uns so erziehen lassen?

Stück für Stück ging in den letzten Wochen und Monaten das zunächst große Vertrauen in die, die derzeit die Entscheidungen in unserem Land treffen, verloren. Verordnungen wurden erlassen und postwendend von Verwaltungsgerichten als überzogen wieder einkassiert –der letzte Fall ist noch zum Greifen nahe. Selbst ausgefeilte, kostspielige Hygienekonzepte führten nun zur Betriebsschließung. Politik mit Angst und Verboten, widersprüchliche Aussagen von Experten und Wissenschaftlern, Berichte zu Corona-Tests mit hohen Fehlerquoten und mittendrin wir Bürgerinnen und Bürger, mehr oder weniger besorgt wegen einer Ansteckung mit dem Virus und alleine gelassen mit der Entscheidung, was denn nun stimmt und was nicht.

Was brauchen wir jetzt?

Ja, die Anzahl der positiven Corona-Tests ist mehr alsbesorgniserregend. Ja, die steigende Zahl der Menschen, die mit einer SARS2-Virus-Erkrankung in die Krankenhäuser eingeliefert werden, ist ein untrügliches Zeichen für das steigende Infektionsgeschehen. Und ja, wir Menschen müssen unser Verhalten ändern, denn bei der Suche nach „der“ Coronaquelle tappen wir alle -so ebenfalls in der Pressekonferenz zu hören –im Dunklen.

Seit heute müssen aber nun einige wenige Branchen den Kopf für all das Durcheinander hinhalten. Ausgerechnet die Betriebe, die in den letzten Wochen und Monaten vorbildlich gehandelt haben. Hygienekonzepte und Abstandsregelungen wurden ausgearbeitet und durch hohe Investitionskosten umgesetzt. Wir Unternehmer haben verstanden, um was es geht. Es gibt keinen einzigen Presseartikel, der über einen Hotspot in Lokalen, Gaststätten, Fitness-Studios oder bei einem Künstlerauftritt berichtet. Aber sie alle sind jetzt Bauernopfer. Der Frust ist hoch –der Erfolg ist offen, ebenso wie offen ist, ob dieser Lockdown light eine weitere Verordnung wird, die ein Gericht gekippt.

Als Wirtschaftsverband setzen wir uns dafür ein, dass die Unternehmer und ihre Kunden sowohl körperlich als auch wirtschaftlich gut durch die Corona-Pandemie kommen. Wir informieren, appellieren und suchen Gespräche mit den Politikern. Unsere Mitglieder geben ihr Bestes –sie verzichten auf Umsätze, stellen Desinfektionsmittel auf, rücken Tische und Stühle auseinander, bauen Plexiglastrennwände auf, achten auf Abstände, führen Gästelisten und versuchen mit aller Kraft, ihr Unternehmen über Wasser zu halten.Die Unternehmer waren in den letzten Monaten aktiv! Sie haben Wege gefunden, um trotz des Virus ihre Betriebe am Laufen zu halten und dabei kein Corona-Hotspot zu sein. Und was hat die öffentliche Hand getan außer Verordnungen zu erlassen?

Wir fordern, dass alle Maßnahmen des jetzigen Lockdowns wie zugesichert nach zwei Wochen gründlich evaluiert werden. Die massiven Eingriffe, insbesondere in die Freiheit der Berufsausübung, müssen geeignet sein, um die Ausbreitung der Pandemie zu verhindern, ansonsten sind sie nicht rechtens. Die zugesicherten finanziellen Unterstützungen müssen schnell und unbürokratisch fließen.

Parallel fordern wir von den Regierungsvertretern endlich eine Abkehr von der Verbotspolitik hin zu lösungsorientiertem Handeln. Was muss passieren, damit die Schülerinnen und Schüler sich nicht gegenseitig infizieren, sie das Virus nicht mit nach Hause in die Familie bringen oder weiterhin große Teile der Lehrerschaft in Quarantäne sitzen? Wie können öffentlicher Verkehr und Schülerbeförderungentzerrt werden? Wo lauern bisher nicht entdeckte Übertragungswege? Wie können Corona-Infizierte ohne Symptome frühzeitig erkannt werden? Wie können Tests schnell und sicher im ganzen Land angeboten werden? Welche Unterstützung kann dabei der Katastrophenschutz mit seinen Tausenden von Ehrenamtlern bieten? Diese Aufgaben und Fragen stehen seit Wochen auf der To-Do-Liste unserer Regierung und müssen endlich mit Unterstützung von unabhängigen Wissenschaftlern angegangen werden, um den nächsten, den übernächsten und den überübernächsten Lockdown überflüssig zu machen.

Wir fordern, dass nicht mehr überregional alle Unternehmer über einen Kamm geschert werden. Die Anstrengung des Einzelnen muss gewürdigt werden. Die Unternehmer, die vorbildlich und bestmöglich Sorge dafür tragen, dass von ihrer Tätigkeit keine erhöhte Gefahr ausgeht, müssen von flächendeckenden Zwangsschließungen verschont bleiben. Leistung muss sich lohnen und ein Ansporn für andere sein. Branchenabhängige Konzepte mit Zertifikat können eine Lösung sein. Gerne sind wir, der BDS, bereit an solch einem System mitzuarbeiten.

Nur wenn Unternehmertum, Politik, Wissenschaft und die Bevölkerung gemeinsam überlegt und verantwortungsvoll handeln, werden wir gut durch die Pandemie kommen. Dazu dürfen dieUnternehmer in ihren Bemühungen nicht nachlassen, die vereinzelten schwarzen Schafe müssen bestraft werden. Unsere Regierungsvertreter haben stark daran zu arbeiten, das verloren gegangene Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Mangelnde Transparenz, scheinbares Machtgehabe und gefühlte Willkür sind Feinde der Glaubwürdigkeit. Die Skepsis und die Zweifel wieder abzubauen, ist eine Mammutaufgabe, die aber ganz entscheidend im Kampf gegen die Pandemie ist.

Der Wissenschaft drücken wir die Daumen beim Entdecken neuer Erkenntnisse und beim Experimentieren um einen geeigneten Impfstoff.

Und alle Bürgerinnen und Bürger bitten wir inständig um ein vernünftiges Handeln! Die Unternehmen brauchen zum Überleben gesunde Mitarbeiter und gesunde Kunden. Wir Unternehmer brauchen Solidarität für unsere vielen Betriebe. Wenn die Wirtschaft nicht mehr auf die Beine kommt, stellt sich die Frage nach der nächsten großen Feier oder der nächsten Urlaubsreise für die meisten so schnell nicht mehr. Je mehr Luft wir dem Virus geben, desto tiefer stürzen wir unser Land in Schulden – ein Erbe, das wir unseren Kindern und Enkel hinterlassen.

Handeln Sie verantwortungsvoll und bleiben Sie gesund!

Freundliche Grüße
Gabriele Sehorz
Präsidentin des Bundes der Selbständigen