Sonntagsgedanken: Eine Lektion aus dem Wirtshaus
Mein Großvater betrieb bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts eine Gaststätte. Wenn die Männer, Frauen gingen damals ohnehin nicht ins Wirtshaus, ein paar Biere intus hatten, erzählten sie dort von ihren Erlebnissen im Krieg. Der Alkohol lockert ja bei so manchem die Zunge, und es tat ihnen gut, sich einmal von der Seele zu reden, was sie erlebt und erlitten hatten, in der Gewissheit, dass ihre Zuhörer gleiches durchgemacht hatten und sie nicht verurteilten. So war der Stammtisch vielleicht eine Art Selbsthilfegruppe, und das kann er noch heute sein. Männer tun sich ja bis heute schwer, zum Psychiater zu gehen.
Da gab es freilich auch Kerle, die unter Alkoholeinfluss mit ihren angeblichen Heldentaten im Krieg prahlten, ja sogar mit Kriegsverbrechen. Mein Großvater fuhr dann oft dazwischen, er wolle solche Reden in seinem Haus nicht hören. Viele klagen heute über die Verrohung unserer Gesellschaft. Doch sagen die Menschen jetzt eben nur das offen, was man früher allenfalls im vertrauten Kreis von sich gab. Im Internet kann man sich hinter einem Pseudonym verstecken und ohne Angst vor Konsequenzen Dampf ablassen.
Wir sollten so wie mein Großvater den Leuten auch mal ins Gewissen reden, wenn sie Verschwörungstheorien verbreiten, auf Ausländer oder Politiker schimpfen. Natürlich braucht es dafür den Mut anzuecken, die Bereitschaft, auch mal eine grobe Antwort zu kassieren. Doch es geht hier um das soziale Klima in unserer Gesellschaft, um die Regeln unseres Zusammenlebens, letztlich um die Gebote Gottes. Gott will, dass wir die Wahrheit sagen, das Gute tun. Das klingt nun wie ein Gemeinplatz, und mancher stört sich an diesem moralisierenden Ton. Aber wie ganz anders wäre die Welt, wenn wir einfach nur Gottes Willen täten!
Weitere Sonntagsgedanken
Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
Infos zu Christian Karl Fuchs:
- geb. 04.01.66 in Neustadt/Aisch
- Studium der evang. Theologie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
- Vikariat in Schornweissach-Vestenbergsgreuth 1993 – 1996
- Promotion zum Dr. theol. 1995
- Ordination zum ev. Pfarrer 1996
- Dienst in Nürnberg/St. Johannis 1996 – 1999
- seither in Neustadt/Aisch
- blind
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