Studie in Oberfranken zeigt: Wohnortnahe Bildungsangebote sind für die Bildungschancen der Menschen in der Region wichtig

Symbolbild Bildung

Forschungsprojekt BiLO – BildungsLandschaft Oberfranken zieht Fazit

Das Forschungsprojekt „BildungsLandschaft Oberfranken (BiLO)“ ist Ende September abgeschlossen worden. Über fünf Jahre lang untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe (LIfBi) den Zusammenhang zwischen regionalen Bildungsangeboten und individuellen Bildungsentscheidungen und befragten dafür etwa 8.000 Menschen und 1.500 Bildungsanbieter in Oberfranken. Ihr Fazit: Mit innovativen Methoden und Ansätzen hat BiLO zum einen eine Forschungslücke adressiert, zum anderen konnte das Projekt eine Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis schlagen, indem es wichtige Informationen und Instrumente für das kommunale Bildungsmonitoring bereitstellt. Finanziert wurde BiLO von der Oberfrankenstiftung.

Seit Januar 2014 untersuchte die BiLO-Forschungs­gruppe um Dr. Michaela Sixt vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe in Bamberg das Zusammenspiel von lokalen Bildungsangeboten und individuellen Bildungs­entscheidungen in verschiedenen Phasen des Lebens­laufs – von der frühkindlichen und schulischen über die berufliche Bildung bis hin zur Weiterbildung im Erwach­senenalter und zur kulturellen Bildung. Das zentrale Ergebnis: Das lokale Bildungsangebot  spielt im Lebenslauf eines Menschen nicht immer dieselbe, aber stets eine bedeutende Rolle für seine Bildungsentscheidungen. Die am Beispiel von Oberfranken gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse können auch auf andere, vergleichbare Regionen übertragen werden.

Hohe Bedeutung der wohnortnahen Bildungseinrichtungen: BiLO liefert vielfältige wissenschaftliche Erkenntnisse

Um zu Aussagen über die lokale Bildungslandschaft zu kommen, wurden 1.500 Bildungsanbieter und rund 8.000 Einwohnerinnen und Einwohner Oberfrankens befragt. Anhand der so ermittelten Daten zeigt sich: Je näher Bildungseinrichtungen am Wohnort vorhanden sind, desto eher werden diese auch genutzt. Dafür stehen exemplarisch eine Reihe von Forschungsergebnissen, die im Rahmen von BiLO entstanden und in einem Sammelband zusammengefasst sind:

  • Jeder Kilometer zählt! Je weiter das Gymnasium vom Wohnort entfernt ist, desto unwahrscheinlicher ist dessen Besuch. (Sixt 2018: S. 86-114)
  • Lange Schulwege belasten Schulkinder. (Stöhr & Sixt 2018: 115-137)
  • Für Schülerinnen und Schüler mit Eltern ohne Abitur: Ist im näheren Umkreis des Wohnorts mindestens eine weiterführende Schule, wird diese oft statt einer dualen Ausbildung gewählt. (Fischer, Zeichner & Hofmann 2018: S. 138-166)
  • Vor allem für Studienberechtigte mit niedriger sozialer Herkunft kommen eher wohnortnahe Studienorte in Frage. (Baur & Fischer 2018: S. 67-192)
  • Bildungsbenachteiligte profitieren von nahen und vielfältigen Weiterbildungsangeboten. (Baur & Stöhr 2018: S. 193-216)
  • Auf die Zugangsmöglichkeit zu Kindertageseinrichtungen wirken sich der Wohnort und der Bildungsstatus der Familie benachteiligend aus. (Müller 2018: S. 57-85)
  • Bei der Nutzung von Kindertageseinrichtungen nehmen Kinder von Eltern mit niedrigerem Bildungsstatus weitere Distanzen auf sich. (Müller 2018: S. 57-85)
  • Wenn sich am Ort ein Theater befindet, kann dies insbesondere für die Personen ein Anreiz sein, regelmäßig ins Theater zu gehen, die in der Vergangenheit selten an hochkulturellen Angeboten teilgenommen haben. (Sixt & Thürer 2018: S. 217-245)

Die ausführlichen Beiträge finden sich im Sammelband von Michaela Sixt, Michael Bayer und Doreen Müller (Hrsg.): „Bildungsentscheidungen und lokales Angebot. Die Bedeutung der Infrastruktur für Bildungsentscheidungen im Lebensverlauf“, erschienen 2018 im Waxmann Verlag.

Von der Wissenschaft in die Praxis

Eine besondere Transferleistung stellt der „Atlas BildungsLandschaft Oberfranken“ dar. Er bietet für kommunale Bildungsbüros, aber auch für die interessierte Öffentlichkeit, vergleichbare und verlässliche Informationen zur Bildungssituation in Oberfranken im Sinne eines umfassenden kommunalen Bildungsmonitorings auf Kreisebene. Es gibt ihn als Printversion mit detaillierten Informationen zu einzelnen Kreisen sowie digital in Form einer lokalen Bildungsdatenbank für Oberfranken. Diese wurde in Zusammenarbeit mit der LIfBi-Softwareentwicklung erstellt und steht Interessierten kostenfrei zur Verfügung (www.bilo-atlas.de).

Beitrag für die überregionale Bildungsforschung

Die Erkenntnisse aus dem Projekt BiLO dienen auch der überregionalen Bildungsforschung, indem sie ins Nationale Bildungspanel (NEPS) übergehen, der größten deutschen Längsschnittstudie zu Bildungsverläufen, die am LIfBi beheimatet ist. Die im Projekt gewonnene Expertise sowohl zu Adressdatenhaltung, Georeferenzierung und Distanzberechnung als auch zur Durchführung von Onlinebefragungen werden in die künftigen Planungen und Arbeiten für das NEPS einfließen. Für Bildungsforschende stehen  seit März 2020 die anonymisierten Daten kostenlos zur wissenschaftlichen Nutzung zur Verfügung (www.bilo-data.de).

Über das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi)

Das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg untersucht Bildungsprozesse von der Geburt bis ins hohe Erwachsenenalter. Um die bildungswissenschaftliche Längsschnittforschung in Deutschland zu fördern, stellt das LIfBi grundlegende, überregional und international bedeutsame, forschungsbasierte Infrastrukturen für die empirische Bildungsforschung zur Verfügung.

Kern des Instituts ist das Nationale Bildungspanel (NEPS), das am LIfBi beheimatet ist und die Expertise eines deutschlandweiten, interdisziplinären Exzellenznetzwerks vereint. Weitere Großprojekte, an denen das LIfBi beteiligt oder führend ist, sind die Geflüchtetenstudie ReGES, das schulbezogene Inklusionsprojekt INSIDE, die Förderstudie für benachteiligte Kinder und Familien BRISE oder die oben dargestellte regionale Studie zu Bildung in Oberfranken BiLO.

Grundlage dafür sind die eigenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, insbesondere die fundierte Instrumenten- und Methodenentwicklung für längsschnittliche Bildungsstudien, von der auch andere Infrastruktureinrichtungen und -projekte profitieren.