Kunstausstellung des BBK – Oberfranken in Bamberg
Seit seiner Gründung 1947 zeigt der BBK – Oberfranken jährlich mindestens eine große Ausstellung mit Werken seiner Mitglieder in der Stadt Bamberg. Bis 1989 in der Neuen Residenz und dann in der Stadtgalerie Villa Dessauer. Dieses Jahr ist ein wesentlicher Teil der finanziellen Förderung durch die Stadt Bamberg für Kunstausstellungen bis in den Herbst gesperrt. Der BBK veranstaltet seine Ausstellung trotz des Risikos, dass aus der vorübergehenden Sperre eine komplette Streichung der Mittel wird, in der Hoffnung, dass Stadtverwaltung und Stadtrat Wege finden werden, dies zu verhindern. Die BBK-Ausstellungen widmen sich jeweils einem künstlerischen oder gesellschaftlichen Themenbereich. In diesem Jahr lautet der Titel „SELBST“ und lässt damit natürlich zunächst an die reiche Geschichte des Sebstporträts seit Beginn der Renaissance denken. Da überrascht es, dass nur wenige klassische Selbstporträts in der Ausstellung zu sehen sind. Ein Beispiel dafür ist Thomas Gröhling, der einer hölzernen Selbstportätbüste aus dem Jahr 1990 ein Relief seiner heutigen Erscheinung gegenüberstellt und damit auch die Spanne von 30 Jahren vergangener Zeit thematisiert.
Die Repräsentation der eigenen äußeren Erscheinung im bildnerischen Medium war nur ein Aspekt des Selbstportäts in der Kunstgeschichte, daneben und dahinter ging es immer auch um das Verhältnis eines Individuums zur Welt. Und darum geht es vielen der 24 beteiligten Künstlerinnen und Künstler auch in dieser Ausstellung: Die Zone, wo sich das Eigene und das Andere treffen, wo sie ineinanderfließen, sich vermischen und dann beginnen im Prozess der Individuation zu trennen. Dort wo wachsendes Bewusstsein und Identitätsgefühl mit einem Verlust von Verbundenheit bezahlt werden muss.
Das prägendste Phänomen unserer Kultur, das Auto bedeutet nichts Anderes als Selbst. Automobil, also selbstbeweglich wurde zum Synonym für selbständig. Adelbert Heil zeigt uns mit 4 Bronzeskulpturen seine Vorstellung davon, wie das Tretauto ausgesehen haben könnte, das der Bamberger Jesuit Peter Maser im späten 18. Jahrhundert baute und von dem nur wenige literarische Nachriten überliefert sind.
Bewege ich mich selbst, oder habe ich ein bewegliches Selbstbild? Oft scheint eine Steigerung des Ersten das Zweite einzuengen. Gert Ressel hingegen versucht das Selbstbild eines gedachten Künstlers zu erweitern. Mit dem „ich ist ein Anderer“ von Arthur Rimbaud, will er das festverankerte Ich verlassen. Die Freiheit dazu gewinnt er aus der bewussten Nichtbeachtung malerischer Konventionen.
Thomas Michel greift die fortschreitende Konventionalisierung von Schönheit auf. Aus biometrischen Datenbanken stammende Informationen menschlicher Gesichter werden von Algorithmen ausgewertet und so kombiniert, dass sich voreinstellbaren Konventionen entsprechend möglichst schöne aber künstlich erschaffene Gesichter ergeben, die er dann in handgemalte Ölbilder umsetzt. Sie folgen in den Grenzen der manuellen bedingten Imperfektion so weit wie möglich den computergenerierten Vorbildern.
Michaela Schwarzmann verwendet die Iris ihrer beiden Augen als visuelles und inhaltliches Bildmotiv. Mit bunten Fäden auf schwarzes Leinen genähte Linien verbinden sich zu ihrem individuellen Irismuster. Iris, die Göttin des Regenbogens verließ den Olymp nur, um die göttlichen Befehle den Menschen zu überbringen. Die Regenbogenhaut des Menschen bildet die Grenze zwischen Innen und Außen. Von sichtbarer Außenwelt, zu der man in Distanz treten muss, will man erkennen und innerer Welt, wo sich viele Einflüsse überlagern müssen, um Selbsterkenntnis zu ermöglichen.
Gerhard Schlötzer wird die Besucherinnen und Besucher bitten, mit ihm zusammen eine Gemeinschaftszeichnung zu erstellen. Wer daran teilnehmen will, soll aus dem Gedächtnis den Grundriss seiner ersten Wohnung auf einen großen Bildträger zeichnen, der sich während der Ausstellung mit Grundrissen füllen wird. Die dadurch ausgelösten Erinnerungen werden mit der Videokamera dokumentiert und erzählen vom Einfluss des frühen engen Lebensumfeldes auf die Entwicklung der eigenen Identität.
Wie tief eingegraben in die Erinnerung und identitätsprägend die Räume der Kindheit sein können, zeigt Nelly Schrott mit ihrer Serie „18 Zimmer“. Kleine Guckkastenbühnen, immer wieder unterschiedlich ausgestattet und bevölkert, nehmen als großes Fototableau eine Wand des Kaminzimmers in der Villa Dessauer ein. Ein Raum, in dem mit den Porträts des Erbauer-Ehepaares noch ein Erinnerungshauch an die Personen und die Zeit schwebt, als diese großbürgerliche Stadtvilla errichtet wurde. Nina Gross stellt sich selbst mit Graphit- und Bundstiftzeichnungen bei einer Reihe von Tätigkeiten in der Küche dar. Ein Raum, der eng mit dem traditionellen Tätigkeitsfeld von Frauen verknüpft ist aber schon immer vielfältig genutzt wurde, bis hin zur Heimarbeit in proletarischen Verhältnissen. Den Künstlerinnen und Künstlern, dem wirtschaftlichen Proletariat der Gegenwart, muss die Küche oft das Atelier ersetzten
Eine Reihe von Veranstaltungen wird diese Ausstellung begleiten. Die Termine und Inhalte sind unter: bbk-oberfranken.de zu finden.
Titel der Ausstellung: SELBST
- Ort: Stadtgalerie Villa Dessauer, Bamberg, Hainstraße 4a, 96047 Bamberg
- Eröffnung: Freitag 2.10.2020, 18:30 bis 21:30 Uhr
- 3.10.2020 bis 15.11.2020
- Öffnungszeiten: Donnerstag bis Sonntag und feiertags: 12:00 bis 18:00 Uhr
Begleitveranstaltungen:
- Sonntag 25.10. 15:00 Adelbert Heil, Vortrag zu Peter Masers Tretauto
- Sonntag 25.10. 16:00 Uhr, Künstlergespräch Nelly Schrott, Irmgard Kramer
- Sonntag 25.10. 17:00 Uhr, Gerhard Schlötzer, zeichne den Grundriss deiner ersten Wohnung
- Sonntag 8.11. 15:00 Uhr, Irmgard Kramer, Führung durch die Ausstellung
Weitere Begleitveranstaltungen unter: bbk-oberfranken.de
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