Gößweinstein: Christliche Vorbilder Hildegard und Franziskus
„Hildegard und Franziskus“, diese Worte gliederten wie ein Refrain den Vortrag über die beiden prominenten mittelalterlichen Heiligen, die Sr. Verena Haase von den Franziskusschwestern Vierzehnheiligen für das Wallfahrtsmuseum am 17. September in Gößweinstein hielt. Erfrischend minimalistisch wirkte der Wortvortrag mit zwei kurzen musikalisch hinterlegten Pausen und dem Mitnehm-Angebot einfacher Kopien zur Veranschaulichung und zum Nachlesen. Zur Lebendigkeit trugen auch viele Selbstäußerungen und Zitate der Heiligen bei.
Der Gedenktag der hl. Hildegard von Bingen, zugleich Gedenktag der Stigmata des hl. Franz von Assisi, präsentierte einen schönen Sommerabend, passend zum Vortragsschwerpunkt „Christliche Vorbilder gelungenen Lebens im Sinne der Schöpfung“. Rund 30 Besucher, mehr waren im Rahmen der aktuellen Auflagen nicht zugelassen, verfolgten den nach Lebensabschnitten in vergleichender Gegenüberstellung gegliederten Vortrag über zwei außergewöhnliche Menschen, die bei aller Verschiedenheit doch grundlegende Übereinstimmungen hegten, wie die Referentin betonte.
Hildegard und Franziskus ließen sich von Gott ansprechen und folgten ihrer Berufung. Beide überschritten konventionelle Grenzen und begaben sich dadurch in die Gefahr, als Ketzer verfolgt zu werden. Hildegards Konvent wurde sogar an ihrem Lebensende für kurze Zeit mit dem Interdikt belegt, weil sie es als Äbtissin gewagt hatte, einen reuigen Sünder auf ihrem Friedhof bestatten zu lassen, dessen Absolution angezweifelt worden war. Dieser Kirchenbann verbot den Nonnen sämtliche gemeinschaftlichen religiösen Handlungen, inklusive Gesang. Beide, Hildegard und Franziskus, übten Kritik an klerikalen Missständen und hatten dabei einflussreiche Förderer, die sie in Schutz nahmen.
Während Hildegards zentrales Anliegen die „discretio“ war, das rechte Maß, nach dem sich der Mensch in allem richten solle, um seinen Platz in der Ordnung der Schöpfung einzunehmen, so war für Franziskus die Armut, der Dreh- und Angelpunkt. Nicht Armut um ihrer selbst willen, war die Motivation, sondern frei zu sein in allem, um ganz Gottes Auftrag leben zu können. „Wenn wir Besitz hätten, bräuchten wir auch Waffen, um ihn zu verteidigen“, soll er sich gerechtfertigt haben.
Die Liebe zu Gott und seine Schöpfung äußerte sich bei Franziskus darin, alle Mitgeschöpfe mitsamt den Elementen als Teile einer Familie zu sehen. „Bruder Sonne“, heißt es in seinem berühmten Sonnengesang, und „Mutter Erde“. Auch Hildegard spricht von Mutter Erde und steht damit in der Tradition vieler Indigener Kulturen. Erst 2010 entschloss sich die UNO die Bezeichnung „Mutter Erde“ anzuerkennen und zu übernehmen.
Nach Hildegards Verständnis nimmt der Mensch die zentrale Stellung in der Schöpfung ein, um mit ihrer Hilfe Gottes Mitschöpfer zu werden. Allerdings sei er Gott verantwortlich und benehme sich als Rebell, wenn er die göttliche Ordnung in Unordnung verkehre. Sie spricht auch von dem Aufruhr der Elemente als Reaktion auf dieses Fehlverhalten.
Wie aktuell scheint ihre Warnung, angesichts nahezu weltweiter prekärer Klima- bzw. Umweltsituation. „O Mensch, du bist mir verantwortlich“, mit diesem Wort Gottes aus einer Vision Hildegards könnten wir uns heute jeden Tag aufs Neue angesprochen fühlen.
Hildegards und Franziskus‘ Richtschnur, Maß zu halten und sich geschwisterlich mit allen Geschöpfen verbunden zu fühlen, hat seine Gültigkeit wie eh und je.
Der junge russische Künstler Alexandr Markin schuf in diesem Sinne ein abstrahiertes Plakatmotiv. Es zeigt Hildegard und Franziskus im Lichte Gottes eine Pflanze haltend. Seine Sonderausstellung I.N.R.I. ist weiterhin im Wallfahrtsmuseum zu sehen, dienstags bis sonntags, 10:30 – 16:30 Uhr.
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