Lichtenfelser Landrat: „Wer jetzt Urlaub bucht, sollte das nur im Reisebüro vor Ort tun“
Reisen ist infolge der Covid-19-Pandemie zum Risiko geworden, die Reisenden zum Risikofaktor: Bis zum 30. September 2020 gilt die weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amtes, was bedeutet: vor nicht notwendigen Reisen in die meisten Länder weltweit wird gewarnt. Für die reisefreudigen Deutschen ist das ein massiver Einschnitt, „für die gesamte Reisebranche, insbesondere die kleineren Unternehmen bei uns vor Ort existenzbedrohend. Eine ganze ‚Industrie‘ liegt am Boden“, betonte Gerd Laatz, Geschäftsführer des Thüringisch-Fränkischen Reisebüros (tfr) in Lichtenfels, als Landrat Christian Meißner sich bei einem Unternehmensbesuch über die aktuelle Situation der Touristiker informierte.
Dieser zeigte sich betroffen: „Es darf nicht sein, dass große Touristikkonzerne auf Kosten der Kleinen leben – und dadurch gerade jetzt die Situation noch verschärfen. Fachkompetente Beratung vor Ort sind die große Stärke unserer Reisebüros vor Ort. Die Mitarbeiter erstellen für ihre Kunden individuell maßgeschneiderte Reisen, kümmern sich, dass der Urlaub im wahrsten Sinne des Wortes zu den schönsten Wochen des Jahres wird. Sie sind auch während der Reise Ansprechpartner, sorgen dafür, dass bei etwaigen Problemen umgehend eine Lösung gefunden wird und ihre Kunden sorgenfrei reisen können. Diese wertvolle Arbeit muss auch entsprechend entlohnt werden“, fordert der Landrat.
„Gerade jetzt mit all den Herausforderungen infolge der Pandemie – sind unsere Reisebüros der richtige Ansprechpartner, wenn es um Urlaub geht, weil sie nämlich genau wissen, was geht und was nicht. Das können Online-Portale so nicht bieten. Ich wünsche mir, dass unsere Bürgerinnen und Bürger ihnen entsprechend das Vertrauen entgegenbringen. Wer jetzt Urlaub bucht, sollte das nur im Reisebüro vor Ort tun“, so Meißner.
Millionen Arbeitsplätze in Gefahr
In den ersten fünf Monaten des Jahres sank die Zahl der internationalen Touristen weltweit um 56 Prozent – die Welttourismusorganisation rechnet sogar damit, dass dieser Wert bis Jahresende auf 78 Prozent steigen könnte. In einer Videobotschaft sagte Uno-Generalsekretär António Guterres jüngst davon, dass in diesem Jahr dadurch weltweit rund 120 Millionen Jobs in der Branche in Gefahr – in Deutschland bangen laut Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft rund drei Millionen Reisefachleute um die Zukunft, viele davon auch in den Reisebüros vor Ort.
tfr-Geschäftsführer Laatz „will nicht jammern“. Vielmehr steht für ihn eine klare Forderung an erster Stelle: Die Branche dürfe und könne so nicht weiterarbeiten. Das Desaster habe nicht erst mit der Pandemie, sondern schon viel früher begonnen: „80 Prozent der Konzernumsätze mit Pauschalreisen wird von Reisebüros mit einem bis zehn Mitarbeitern – die Durchschnittsgröße liegt bei 2,8 Mitarbeitern – vermittelt. Während der Gewinn für die Veranstalter immer größer wurde, wurde die Provision für die Basis immer kleiner. Die aber wickelt das Hauptgeschäft ab und ist Bindeglied zum Kunden. Die Großen leben hier auf Kosten der Kleinen, die sich bei Beratung und Buchung in Deutschland und vor Ort in den Hotels und als Reiseleiter, Busfahrer etc. um die Kunden kümmern und die wahre Leistung erbringen.“
Mehr storniert als gebucht
Besonders drastisch zeigte sich das infolge der Pandemie: „Wir haben heuer doppelt so viele Reisen storniert, wie im Vorjahr gebucht wurden. Auch der Tagungstourismus und die Geschäftsreise ist ‚tot‘. Kunden, die bereits Urlaubsverträge geschlossen hatten, mussten beraten werden. Obwohl wir damit Arbeit ohne Ende hatten, bekamen wir dafür kein Geld. Denn die großen Veranstalter zahlen die Provision erst bei Abreise der Kunden“, erläutert Laatz. Mussten die Reisebüros früher die Gelder für gebuchte Reisen erst dann weiterreichen, wenn der Urlaub unmittelbar bevorstand, so flössen die Anzahlungen heute schon bei Buchungen weiter, seien aber nicht ausreichend abgesichert, so der tfr-Geschäftsführer weiter. Er sieht darin ein „ansatztechnisches Grundproblem“.
Mit einem „Brandbrief“ hatte sich Gerd Laatz bereits im April an die Bundeskanzlerin, den bayerischen Ministerpräsidenten und den Tourismusbeauftragten der Bundesregierung gewandt und auf fünf DIN A 4-Seiten das Dilemma geschildert und Lösungen gefordert. Sollten die Überbrückungshilfen den gebeutelten Unternehmen schnell unter die Arme greifen, ist inzwischen klar, dass es nicht so einfach und unkompliziert geht, wie gedacht, sagt der tfr-Geschäftsführer.
Überbrückungshilfen „überlebenswichtig“
Dennoch seien sie „überlebenswichtig“, genauso wie das Kurzarbeitergeld, auch wenn die Hilfen nur die Symptome linderten. Es bedürfe weiterer Verbesserungen und Lösungsansätze, die es den Unternehmen erlaubten, unter Wahrung des an erster Stelle stehenden Gesundheitsschutzes ihrer Arbeit nachgehen und Umsätze erzielen zu können. Statt einer pauschalen Reisewarnung brauche es eine differenzierte Risikobewertung von Reisezielen anhand objektiver Kriterien, so Laatz, der seine Mitarbeiter infolge der Pandemie ebenfalls in Kurzarbeit hatte schicken müssen. Er rechnet damit, dass es „erst 2023 wieder aufwärtsgeht in der Reisebranche“. Klar sei, dass es ein Umdenken geben und eine Besinnung auf nachhaltiges Reisen stattfinden müsse.
Landrat Christian Meißner weiß: „Trotz oder gerade wegen der Pandemie ist das Bedürfnis nach Reisen und Erholung groß: Keiner muss auf Urlaub verzichten, aber jedem, der jetzt bucht, anzuraten, sich vertrauensvoll an die Fachleute in unseren Reisebüros vor Ort wenden. Denn sie beraten kompetent, was möglich ist und helfen, wenn im Fall der Fälle ein anderes Ziel gebucht werden muss“, so sein Appell.
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