Sonntagsgedanken: Vom Sinn des Leidens oder Mutters brauner Rock
Als Gastwirt musste mein Großvarter in der Nazizeit zu bestimmten Anlässen eine Hakenkreuzfahne an seinem Wirtshaus aufziehen. Nach Kriegsende nähte meine Großmutter ihrer Tochter aus der Hitlerfahne einen braunen Rock, den sie lange und gern trug. So hatte der schreckliche Faschismus doch noch etwas Positives.
Religiöse Menschen diskutieren und spekulieren seit Jahrtausenden, ob menschliches Leid von Gott komme. So hätte das Unfassliche, das Niederschmetternde doch noch irgendeinen Sinn und wäre leichter hinzunehmen. Oft deutet man das Geschehen als Strafe Gottes oder zumindest als Prüfung. Dadurch verdüstert sich aber bei vielen das Gottesbild, ja in einem Buch las ich, Gott sei in Wahrheit ein kleiner böser Junge, der nichts anderes zu tun habe, als den ganzen Tag die Leute zu ärgern.
Dass Gott allmächtig ist, bedeutet jedenfalls nicht, dass er für alles die Verantwortung trägt. Gott hat uns Menschen anders als die Tiere frei geschaffen, frei zum Guten, aber auch zum Bösen.
Das Johannesevangelium erzält uns eine spannende Geschichte: Jesus und seine Jünger treffen einen von Geburt an Blinden. Die Jünger fragen, wer an seinem Unglück Schuld sei: Er selbst, was ja bei logischer Betrachtung gar nicht möglich ist, oder seine Eltern. Jesus aber lehnt die ganze Frage ab und erklärt, der Mann sei krank, damit Gottes Herrlichkeit an ihm offenbar werde, und dann heilt er ihn. Wir sollen also über den Sinn des Leidens nicht grübeln und spekulieren, sondern Notleidenden helfen, damit sie durch uns Gottes Liebe spüren. Jede Krankenheilung, jedes tröstliche Wort an einen Verzweifelten, jeder Versuch, Konflikte zu lösen, sind eine prophetische Tat, ein Hinweis darauf, dass Gottes neue Welt kommt, wo das Schwere und Dunkle nicht mehr sein werden.
Weitere Sonntagsgedanken
Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
Infos zu Christian Karl Fuchs:
- geb. 04.01.66 in Neustadt/Aisch
- Studium der evang. Theologie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
- Vikariat in Schornweissach-Vestenbergsgreuth 1993 – 1996
- Promotion zum Dr. theol. 1995
- Ordination zum ev. Pfarrer 1996
- Dienst in Nürnberg/St. Johannis 1996 – 1999
- seither in Neustadt/Aisch
- blind
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