Aus der Gaustädter Leserpost: „BürgerBlock beantragt, Gefährdung zu legalisieren“

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Sehr geehrte Damen und Herren!

Einen fahrbahnbegleitenden Radweg zu benutzen, ist unfallträchtiger als auf der Fahrbahn zu radeln. Im Streckenverlauf ist die Zahl der Unfälle vor allem mit Fußgängern und Autotüren deutlich höher. An Kreuzungen, Einmündungen und Zufahrten mißachten viele Kraftfahrer das Vorfahrtsrecht der Radler.

Dieser Erkenntnis folgend, war die generelle Radwegbenutzungspflicht seit Oktober 1997 aus der Straßenverkehrs-Ordnung gestrichen worden. Nur in begründeten Einzelfällen, zur Abwendung einer durch die Örtlichkeit bedingten, das normale Maß erheblich übersteigenden Gefahrenlage durfte das mit der Benutzungspflicht verbundene Fahrbahnverbot nach sorgfältiger Prüfung angeordnet werden. Selbst dann war es nur zulässig, wenn die Gefahr nicht anders abzuwehren war und der Radweg definierten Qualitäts- und Sicherheitskriterien gerecht wurde.

Zwar ist es der Autolobby gelungen durchzusetzen, daß Außerortsradwege inzwischen wieder benutzungspflichtig sein dürfen, wenn dies nicht aus Sicherheitsgründen geboten ist. Und um Qualität der Radwege haben sich viele Straßenbau- und Verkehrsbehörden ohnehin nie geschert. Innerorts aber gilt die 1997 eingeführte Rechtslage nach wie vor – was (nicht nur) in und um Bamberg auch fast niemanden kümmert.

Noch gefährlicher als Radfahren auf fahrbahnbegleitenden Radwegen aber ist der Wechselvorgang vom Radweg auf die Fahrbahn oder (verbotenerweise) den Gehweg. Dies wurde in Bamberg auf drastische Weise deutlich, als der (alles andere als hochwertige oder gar sichere) Radweg entlang der Langen Straße ab der Einmündung der Hellerstraße gekappt worden war und die Stadt realitätsvergessen meinte, das Reißverschlußprinzip werde für die unproblematische Mischung der Verkehrsarten sorgen.

Blockierte Radwege, Radfahrstreifen, irreführend so genannte „Schutzstreifen“ und Gehsteige, die vielfach sogar den Wechsel auf die Fahrbahn erzwingen, sind in Bamberg allerdings alltägliche Normalität. Falschparker, Müll- und Wertstofftonnen, Sperrmüll, Lieferfahrzeuge und Ladegut behindern den Rad- wie den Fußverkehr überall in der Stadt. „Besonders betroffen sind Kinder und SeniorenInnen, die in besonderem Maße auf sichere Fußverkehrsquerungen angewiesen sind. … Heute werden Kinder auf ihrem Weg zur Schule oder Freizeiteinrichtungen jedoch oft gefährdet, wenn … ein falsch parkendes Auto die Sicht versperrt“ (Erlass zur Überwachung und Sanktionierung von Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Verkehr, 11. Mai 2020, Ministerium für Verkehr des Landes Baden-Württemberg). Eine Ahndung des Fehlverhaltens ist nahezu nie festzustellen – der Parküberwachungsdienst konzentriert sich augenscheinlich auf die bewirtschafteten Stellplätze (Gebührenpflicht, Parkscheibe, Bewohnerparken). Die Polizei hingegen schreitet offenbar nur ein, wenn motorisierter Verkehr beeinträchtigt wird.

Jetzt ist zu lesen, daß der BambergerBürgerBlock beantragt hat, die Behinderung und Gefährdung der Fußgänger und Radfahrer quasi zu legalisieren (www.wiesentbote.de/2020/08/10/bamberg-antrag-der-bbb-fraktion-keine-behinderung-fuer-geschaeftstreibende/; Fränkischer Tag Bamberg-Stadt vom 21. August 2020). Indem die Stadträte Lieferfahrzeuge auf Geh- und Radweg statt auf der Fahrbahn halten lassen wollen, erklären sie unmotorisiert mobile Menschen zu Verkehrsteilnehmern zweiter Klasse, die keinerlei Anspruch auf freie, sichere Wege erheben dürfen „Das Parken auf Geh- und Radwegen zwingt die betroffenen FußgängerInnen und RadfahrerInnen zudem häufig auf viel befahrene Straßen auszuweichen. Dies ist besonders dann eine starke Beeinträchtigung, wenn zum Beispiel Kinderwagen oder Gehhilfen manövriert werden müssen. Vielerorts ist das Begehen der Straße mit einem erheblichen Gefahrenpotential verbunden. … Falschparken ist nicht nur gefährlich, sondern behindert oftmals auch den Verkehr mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln“ (Erlass BW, s.o.!).

Zudem ist der Unterbau vieler Geh- und Radwege der Belastung durch schwere Kraftfahrzeuge gar nicht gewachsen. Neben allmählich auftretenden Unebenheiten, Verwerfungen, Stolperfallen und Bodenverdichtungen (Wurzelwerk des Straßenbegleitgrüns) droht die Schädigung dort verlegter Leitungen und Rohre.

Der Vorstoß der Fraktion erweist sich, wenig überraschend, als undurchdachter, populistischer Winkelzug zur Bedienung einschlägiger Klientelinteressen. Während andernorts die Durchsetzung geltenden Rechts zum Schutz vor allem der schwächeren Verkehrsteilnehmer forciert wird (www.fuss-ev.de/?view=article&id=788:falschparker-aktives-land-mauernde-staedte&catid=83), fordern in Bamberg gewählte Vertreter dazu auf, eben dieses großzügig zu mißachten.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig