Offener Brief an die Behörden: Dokumentation des Bootsbetriebes auf der Wiesent und Situation an verschiedenen Abschnitten mit Flachwasserbereichen
Offener Brief der Bund-Naturschutz-Ortsgruppe Ebermannstadt-Wiesenttal an
- Regierung von Oberfranken, Bereich Umwelt
- Landratsamt Forchheim, Bereich Naturschutzbehörde
- Bezirksfischereiverband Oberfranken
Betreff: Dokumentation des Bootsbetriebes auf der Wiesent und Situation an verschiedenen Abschnitten mit Flachwasserbereichen
Sehr geehrte Damen und Herren,
am 02.08.2019 fand am Verwaltungsgericht Bayreuth ein Erörterungstermin statt, nachdem der Bund Naturschutz in Bayern e.V. eine gerichtliche Auseinandersetzung angestoßen hatte, die darauf abzielte, geltendes Naturschutzrecht beim Befahren der Wiesent mit Booten anzuwenden. Vor dem Verwaltungsgericht erklärte das Landratsamt Forchheim unter anderem „(…) ihm mitgeteilten Verstößen zeitnah unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nachzugehen (…)“, „(…) unter Berücksichtigung der jeweils aktuellen Pegelstände soweit fachlich notwendig auch außerhalb der im Bescheid genannten Maßgaben Sperrungen anzuordnen (…) “ und „(…) die Mitglieder der Naturschutzwacht nachzuschulen und ihnen entsprechende Hilfsmittel (z.B. Formblatt) zur Verfügung zu stellen, damit festgestellte Verstöße effektiv verfolgt werden können. Ferner sollen stichpunktartige Kontrollen der Fahrtenbücher mit einem Abgleich der tatsächlich erfolgten Fahrten durchgeführt werden (…)“.
Daraus leiten sich mehrere Fragen ab, die im Folgenden aufgelistet werden. Wir bitten Sie, uns die entsprechenden Antworten schriftlich zukommen zu lassen.
- Wie oft hat das Landratsamt Forchheim seit Beginn der Bootssaison 2020 bis zum heutigen Tag durch die beauftragten Vertreter des Landratsamtes (z.B. Naturschutzwacht) Kontrollen durchführen lassen?
- Welche Sanktionen hat das Landratsamt Forchheim ausgesprochen und haben diese Sanktionen zu spürbaren und positiven Auswirkungen (z.B. verbesserter Schutz für die Flora und Fauna der Wiesent) geführt?
- Wie beurteilt das Landratsamt Forchheim die Situation an den Abschnitten der Flachwasserbereiche? Wurde eine Dokumentation der Flachwasserbereiche durchgeführt und kann diese allen Beteiligten zur Verfügung gestellt werden?
Weitere Erläuterungen und Ergänzungen
Am 4.11.2019 fand ein Abstimmungsgespräch zwischen den gewerblichen Verleihern, Vertretern des Landratsamtes Forchheim und Vertretern des Bund Naturschutz statt. Dabei wurde auch der Meldevorgang für Beobachtungen bzw. Mittteilungen von Verstößen besprochen. Hier wurde darauf verwiesen, dass „(…) die Daten sämtlicher Mieter von den Verleihern erfasst und bei Verstößen an das Landratsamt gemeldet werden müssen. (…).
Auf Grundlage dieser Vereinbarungen hat seit dem Beginn der Bootssaison 2020 der Bund Naturschutz gemeinsam mit zahlreichen Anliegern (Anwohnern, Fischereiausübungsberechtigten) stichpunktartig Beobachtungen durchgeführt und dokumentiert. Dabei wurden Verstöße aus praktischen Gründen (Anmerkung: Nur über die Bootsverleiher, die über die Bootsnummer den Mieter feststellen können bzw. über eine zur Feststellung der Personalien berechtigte Person, z.B. Naturschutzwächter, direkt vor Ort kann das Landratsamt auch Sanktionen durchführen) und gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dem Koordinator der Bootsverleiher mitgeteilt.
Hier schließt sich die Frage an, ob die gemeldeten Verstöße nach Feststellung der Personen von Seiten des entsprechenden Vermieters dem Landratsamt Forchheim mitgeteilt worden sind. Als Naturschutzwächter hat man fast alle Befugnisse wie die Polizei, darf aber selbstverständlich kein Gewaltmonopol ausüben. Wir bitten Sie wiederum, uns die entsprechenden Antworten schriftlich zukommen zu lassen.
An dieser Stelle erfolgt noch ein ergänzender Hinweis auf das Abstimmungsgespräch vom 4.11.2019. Unter dem Titel „Inhalte von Kundeneinweisungen der Bootsverleiher an der Wiesent“ und dem Punkt „Sanktionen“ ist Folgendes aufgeführt: „Die Strecke wird durch Mitarbeiter des Landratsamtes, Naturparkwächter, Mitarbeiter der Kajakverleiher, Fischereiberechtigten und Mitgliedern des BN regelmäßig kontrolliert. Bei vorsätzlichen Verstößen gegen o.g. Verhaltensregeln wird die Fahrt sofort beendet. Schwerwiegendere Verstöße werden unter Angabe der Mietscheindaten an das Landratsamt gemeldet und es wird ggf. ein Bußgeldverfahren eingeleitet.“
Hier schließt sich die Frage an, welche Mitarbeiter des Landratsamtes und welche Naturparkwächter wann und wie oft mit welchem Ergebnis Kontrollen durchgeführt haben. Wir bitten Sie wiederum, uns die entsprechenden Antworten schriftlich zukommen zu lassen.
Wie bereits erwähnt, ist der Bund Naturschutz mit Unterstützung durch Anlieger diesen Vereinbarungen nachgekommen. Es ist vor diesem Hintergrund aber nicht die Aufgabe des Bund Naturschutzes, die Aufgaben einer Behörde zu übernehmen.
Kurze Zusammenfassung der bisherigen Beobachtungen
Wir müssen leider feststellen, dass es trotz der Einweisungen für die Mieter durch die Vermieter und klarer Verhaltensregeln (z.B. angemessene Lautstärke, keine alkoholischen Getränke, kein Befahren von Ufer- und Flachwasserbereichen, kein Paddeln gegen die Strömung) diese regelmäßig und dauerhaft von einzelnen Bootsmietern auf dem Fluss nicht beachtet werden: Gruppen und Einzelpersonen verweilen am Ufer und steigen aus, begleitet von lautem Gegröle, paddeln gegen die Strömung, Rauch- und Trinkpausen am Ufer, Mitführen von wasserdichten Musikanlagen. Gekenterte Boote sind der Anlass für lautstarke Kommentare und Schreie aller Beteiligten. Private Gruppen landen am Ufer mit Booten an und machen längere Pausen am Ufer bzw. an nicht zugelassenen Stellen. Trotz einer klaren Verordnung, dass die Wiesent nicht mit Stand-Up Paddling oder Schlauchbooten befahren werden darf, sind regelmäßig und dauerhaft Fahrer anzutreffen. Selbst nach 18:00 Uhr und außerhalb der erlaubten Fahrzeiten werden Bootsfahrer auf den Fluss in regelmäßigen Abständen beobachtet. Es ist die Summierung dieser Vorkommnisse, die sich negativ und anhaltend auf die Flora und Fauna der Wiesent auswirken.
Situation an verschiedenen Abschnitten der Wiesent mit Flachwasserbereichen
Aus Sicht des Bund Naturschutzes und vor dem Hintergrund der anhaltenden Trockenheit in der Fränkischen Schweiz sinken die Pegelstände an der Wiesent weiter. Dies hat auch zwangsläufig Auswirkungen auf die Befahrbarkeit der Wiesent mit Booten, sowohl für den Gemeingebrauch, als auch für den gewerblichen Bootsverleih. Die Schifffahrtsgenehmigung des Landratsamtes Forchheim regelt den gewerblichen Bootsverleih an der Wiesent. Ein zentraler Bestandteil sind die Regelungen über die Pegelstände. Diese Regelungen legen fest, dass (…) ab einem Pegelstand der Wiesent an der Messtelle Muggendorf …
https://www.hnd.bayern.de/pegel/oberer_main_elbe/muggendorf-24242000
… unter 125cm in den Monaten Mai und Juni keine Stechpaddel, sondern nur Doppelpaddel verwendet werden dürfen. Unter einem Pegelstand von 120cm dürfen in den Monaten Mai und Juni nur noch geführte Touren erfolgen, das bedeutet, dass das gewerbliche Kanufahren nur mit einer „fachkundigen“ Begleitung durch die Kanuverleiher zulässig ist. Unter einem Pegelstand von 115cm besteht ein absolutes Befahrungsverbot, das für die gesamte Saison gilt (…). Für die Pegelhöhen ist jeweils der Mittelwert des Vortages an der Messstelle Muggendorf des Hochwassernachrichtendienstes Bayern ausschlaggebend.
EBSer Mare
Aktive BN-Mitglieder haben bereits Ende Juni 2020 feststellen müssen, dass der Abschnitt von Rothenbühl bis Ebermannstadt teilweise nur sehr eingeschränkt befahrbar ist. Die Boote schrammen hörbar über den Flussboden, sitzen fest, die Fahrer versuchen mit ihren Paddeln in das Flussbett zu stoßen, um sich anzuschieben, Bootsinsassen verlassen die Boote, um diese über den Untergrund zu ziehen, der Flussboden wird massiv geschädigt. Dem entsprechenden Bootsvermieter ist seit Ende Juni diese Situation bekannt, da der BN diesen über den Koordinator der Verleiher informiert hatte. Im Anhang wird Ihnen entsprechendes Bildmaterial zur Verfügung gestellt, das exemplarisch zeigt, welche Situation auf dem Fluss im erwähnten Abschnitt herrscht. Welchen praktischen Nutzen hat da die Schifffahrtsgenehmigung mit den erwähnten Regelungen zum Schutz der Wiesent, dass z.B. ab einem Pegelstand von 124cm nur noch Doppelpaddel statt Stechpaddel eingesetzt werden dürfen, um die Unterwasservegetation oder Fischbrut zu schützen oder dass Fahrverbote erst ab einem Pegelstand unter 115cm ausgesprochen werden?
Darüber hinaus gibt es bedingt durch den Niedrigwasserstand zahlreiche weitere Problemabschnitte mit Flachwasserbereichen:
Staustufe am Streitberger Freibad
Mittlerweile schieben Mitarbeiter der Boostverleiher die Boote an, damit diese durch die Staustufe fahren können. Es folgt ein Rückstau von Booten. Zahlreiche Boote kentern und werden mit großem Aufwand am Flussufer entleert. Mitarbeiter der Vermieter waten dabei ständig in der Wiesent. Ein Waten in der Wiesent ist nach uns vorliegenden Informationen selbst Anglern normalerweise nicht gestattet. Die Unterwasservegetation und das Flussufer werden geschädigt. Es stellt sich an dieser Stelle wiederum die Sinnfrage, wenn die Wahl des Paddels laut Genehmigung des Landratsamtes zum „Schutz der Wiesent“ beitragen soll.
„Wasserrinne“ an der Wöhrmühle, Flachwasserzonen nach der Verbindungsbrücke Streitberg Niederfellendorf, Flachwasserzonen im Bereich nördlich des Fußgängersteges bei Gasseldorf
Auch hier schrammen Boote hörbar und über längere Strecken über den Untergrund, Boote drehen und verkanten sich bzw. kentern. Paddel werden ins Flussbett gestoßen, um sich anzuschieben und Bootsfahrer müssen aussteigen.
Fazit
Die Natur an der Wiesent ist im Dauerstress! Aus der Sicht des BN muss man zum Schluss kommen, dass die Regelungen der Schifffahrtsgenehmigung zu den Pegelständen in keinster Weise die Realität auf dem Fluss widerspiegeln. Es kann nicht die Daueraufgabe des BN nach 2018, 2019 und wiederum jetzt im Jahr 2020 sein, eine Behörde darauf hinzuweisen, wie sich die Begebenheiten am Fluss darstellen und welches Handeln daraus entstehen soll. Wir weisen nochmals auf die Erklärung des Landratsamtes Forchheim „soweit fachlich notwendig auch außerhalb der im Bescheid genannten Maßgaben Sperrungen anzuordnen“ im Zuge des Erörterungstermins am Verwaltungsgericht Bayreuth hin. Gerade mit Blick auf die sehr niedrigen Pegelstände in Kombination mit einem massiven Freizeitdruck, dem die Wiesent aktuell ausgesetzt ist, halten wir es für notwendig, hier ein klares Zeichen zum Schutz der Wiesent zu setzen.
Wir bitten alle Verantwortlichen dementsprechend zu handeln und uns eine schriftliche Stellungnahme zukommen zu lassen.
Wenn die entsprechenden zuständigen Behörden zu dem Schluss kommen, dass ihre selbst erklärten Vorgaben in der Praxis nicht (mehr) umgesetzt werden können, stellt sich die Frage, ob die Schifffahrtsgenehmigung überhaupt noch wirksam sein kann. In der Öffentlichkeit führt dies dann zwangsläufig zu einem Vertrauensverlust in das Handeln einer Behörde. Zitat eines Anliegers: Die Naturschutzbehörde ist doch dazu da, die Natur zu schützen!
Da ein öffentliches Interesse besteht, werden wir dieses Schreiben auch an die entsprechende Lokalpresse zustellen.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Vorstand Christian Kiehr
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