Ökobaumeister Biber – Motor für Biodiversität und naturnahen Wasserrückhalt

Tom Konopka, Regionalreferent des BUND Naturschutz Bayern und Bibermanager Horst Schwemmer zeigen bei einem Ortstermin in einem vom Biber gestalteten Revier an der ehemaligen deutschdeutschen Grenze die ökologische Bedeutung des Bibers auf. Die Erreichung von staatlichen Zielen wie Förderung der Biodiversität und des dezentralen Wasserrückhaltes wird nach Auffassung des BUND Naturschutz (BN) ohne das segensreiche Wirken von Bibern in Feuchtlebensräumen nicht zu verwirklichen sein.

„Biber sind unsere wichtigsten Verbündeten, um den fortschreitenden Verlust bedrohter Tier- und Pflanzenarten zu verhindern. Keine zweite Tierart schafft an Gewässern und in Auen anderen Pflanzen und Tierarten so viel Lebensraum. Vom Biber angelegte Feuchtgebiete sind wesentlich artenreicher und kostengünstiger als jedes vom Menschen angelegte Biotop. In Zeiten der Klimaveränderung ist der Wasserrückhalt durch den Biber ebenfalls unverzichtbar.“ fasst Horst Schwemmer die Leistungen des Bibers zusammen.

Infos zum Herunterladen: BN Ökotipp Bieber (PDF, 700KB)

Gebietsbeschreibung

An der Grenze Thüringens (Landkreis Sonneberg) nach Bayern (Landkreis Coburg) entstand vor etwa drei bis vier Jahren ein tolles Biberrevier entlang des Gehrenteichgrabens. Ausgedehnte Überschwemmungsflächen sind entstanden, die einer Vielzahl von Tieren und Pflanzen einen Lebensraum bieten.  Das grenzüberscheitende Biotop ist ein Paradebeispiel für Biotopvernetzung. In unmittelbarer Nähe befindet sich der ehemalige Kolonnenweg mit artenreichen Heidestrukturen. Naturräumlich gehört es zum Obermainischen  Hügelland. Das vom Biber gestaltete Feuchtgebiet hat sich zur Nahrungsfläche für den Schwarzstorch entwickelt.  Letztes Jahr brütete die bedrohte Bekassine. Weitere seltene Arten wie Waldwasserläufer, Schlagschwirl und Feldschwirl konnten von Biberberater Steffen Hofmann aus dem Landkreis Sonneberg beobachtet werden.  Hofmann:“ Ein fantastisches Revier ist entstanden. Hochspezialisierte Arten finden einen Lebensraum. Wasserflächen sind entstanden. Es sind Biberdämme entstanden. Durch diese Bautätigkeit gestalten Biber wesentlich mit.

Die durch den Biber entstandenen Biotopräume bieten heute einer Vielzahl bedrohter Arten einen Lebensraum. Das entstandene Totholz ist nicht tot, sondern Lebensraum für Käfer, Pilze und Höhlenbrüter.  Ein Weg mit Bibern auszukommen ist das Management, wenn es Probleme gibt. Dafür hat der Landkreis Coburg drei Biberberater beschäftigt. Sie helfen vor Ort und bieten Lösungsmöglichkeiten an, wie Wasserstandsregulierungen durch Drainagen oder Dammabsenkungen. Die beiden Biberberater werben jedoch für die Akzeptanz des Nagers und appellieren eindringlich an alle Betroffenen bei Problemen Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Jörg Fischer, der im Auftrag für die Coburger Behörde als ehrenamtlicher Biberberater tätig ist: „Biber können die Land- und Teichwirte schon ganz schön ärgern, aber es gibt meist einen Weg mit ihnen auszukommen. In der Regel kann durch Präventivmaßnahmen geholfen werden“. „Die beste Lösung ist das Abstellen der Nutzung auf den Lebensraum des Bibers“, so Schwemmer. Landwirte haben auch die Möglichkeit durch den Abschluss von Vertragsnaturschutzmaßnahmen Teilbereiche aus der Nutzung zu nehmen – ein Kompromiss. Auch Marcus Orlamündar, der Bibermanager des NABU Thüringen ließ es sich nehmen zu dem Termin an der ehemaligen Zonengrenze zu kommen:“ Toll, dass hier ein Lebensraum für etliche bedrohte Tierarten entstehen konnte.“

Dynamik im Biberrevier

Der Biber unterstützt die Renaturierung.  Dämme sorgen dafür, dass Wasser in der Fläche zurückgehalten wird, Bäume zusammenbrechen und der Grundwasserspiegel hoch ansteht, auch in Trockenzeiten. Forschungen zum Wasserrückhalt, an der Hochschule Weihenstephan durchgeführt ( Prof. Dr. Volker Zahner), haben gezeigt, dass nach dem Bau von Biberdämmen die Strukturvielfalt in einem Gebiet an der Mittleren Isar erheblich gestiegen ist und sich die Zahl der Fischarten annähernd verdoppelt hat. Gerade von der Zunahme des Totholzes im Gewässer durch den Biber haben sie profitiert. In dem Gebiet wurden von der Hochschule Weihenstephan auch die Wirkungen des Bibers auf den Wasserhaushalt untersucht: Es ließ sich nachweisen, dass die Biberteiche einen positiven Einfluss auf den Wasserhaushalt der näheren Umgebung haben (Grundwasserstand, Verdunstungsrate). Auf Initiative des BUND Naturschutz wurden  Studien zu den Auswirkungen auf die Retention, die Verdunstung, die Versickerung, den dezentralen Hochwasserschutz von der Hochschule Weihenstephan durchgeführt. Horst Schwemmer, Bibermanager für Nordbayern: „Biberfeuchtgebiete können in Bächen die Hochwasserspitze kappen und die Flutwelle hinauszögern. Beides ist entscheidend, um Hochwasserspitzen abzumildern und größere Überflutungsschäden zu verhindern.

Biber als „Baumeister“ für die Artenvielfalt an Gewässern

Untersuchungen in Mittelfranken, an der Isar, in der Rhön und in der Eifel belegen, dass die Fauna und Flora deutlich und schnell von der Auenrevitalisierung profitieren, die durch die Tätigkeiten des größten europäischen Nagetieres in Gang gebracht wird. In Mittelfranken wurden für insgesamt 73 wertgebende Tier- und Pflanzenarten positive Effekte der Biberaktivität nachgewiesen. Diese positiven Effekte des Bibers wirken dauerhaft – solange, wie die Bibertätigkeit anhält.

Zahlreiche besonders anspruchsvolle Tierarten wie Wasserralle, Eisvogel, Laubfrosch, Elritze, Grüne Keiljungfer, Schwarze Heidelibelle und Kleine Pechlibelle nutzen ganz gezielt durch die Biberaktivität neu entstandene bzw. renaturierte Habitate. Von besonderer Bedeutung sind dabei neu aufgestaute, extrem struktur- und pflanzenreiche Flachgewässer, die Auflichtung und Strukturierung dichter Ufer- und Auengehölze, das durch Biber erheblich gesteigerte Totholzangebot im und am Wasser, aber auch neu entstandene naturnahe Weidengebüsche und zahlreiche vegetationsfreie Stellen an Dämmen, Transportgräben und Ausstiegen der Biber. Die Biberaktivitäten schaffen ein kleinräumiges, permanentes Nebeneinander unterschiedlicher offener und zugewachsener Bereiche und ermöglichen damit sowohl Pionierarten als auch Bewohnern reiferer Gewässer das Überleben.

Für die Nahrungsketten und für die typischen Lebensräume besonders wichtige Arten (Grasfrosch, Grünfrösche, diverse Heide- und Kleinlibellen; Röhrichtbrüter) entwickeln in durch Biber umgestalteten Bereichen große Populationen. An Waldbächen hat sich durch Bibereinfluss die Anzahl von Libellenarten vervielfacht, z.B. von 4 Arten vor dem Auftreten des Bibers auf 29 nach der Biber-Rückkehr. 18 der 19 in Deutschland heimischen Amphibienarten, gut die Hälfte der in Deutschland heimischen Libellen und 116 Vogelarten konnten bislang in Biberteichen nachgewiesen werden und finden dort mit die besten Fortpflanzungsmöglichkeiten überhaupt in der Landschaft. Überdies schaffen Biberaktivitäten einen idealen Biotopverbund entlang von Gewässern, der auch anspruchsvollen Tierarten Korridore sowohl durch geschlossene Waldgebiete als auch ausgeräumte Agrarlandschaften eröffnet.

Fische profitieren vom Biber durch Totholz im Wasser, durch zusätzliche Laichplätze, Verstecke und mehr Nahrung. So wurde an Biberdämmen eine fünffach höhere Dichte an Insekten als in der offenen Wasserfläche gefunden. An Biberburgen wurde eine gegenüber dem restlichen Gewässer 80-fach erhöhte Fischdichte festgestellt. In einem Bach bei Freising wurde nach Einwandern des Bibers eine Verdoppelung der Fischartenzahl von 9 auf 18 registriert.

Untersuchungen des Landesfischereiverbandes Bayern zeigten, dass sich in einem Bachabschnitt ohne Biber 20 Bachforellen pro km, mit Biber aber 120 Bachforellen pro km befanden.

Bei allen untersuchten Tiergruppen war ein schneller Anstieg der Artenvielfalt und der Bestandsdichte festzustellen. Der Biber hat einen enormen Nutzen für die Erhaltung und Förderung der Biodiversität und ist eine „Schlüsselart“ für die Artenvielfalt der Gewässerökosysteme!

Schon die bisherigen Untersuchungen belegen, dass Biber ein unverzichtbarer Bestandteil der bayerischen Natur sind. Biber hatten seit rund 15 Mio. Jahren ganz Europa besiedelt und die Gewässerlandschaften vom Polarkreis bis zum Mittelmeer entscheidend geprägt und mitgestaltet. Allein in Bayern wird der ursprüngliche Biberbestand auf bis zu 100.000 Tiere geschätzt. Jeder Bach, jeder Fluss und jede Auenlandschaft waren „Biberland“. Alle anderen Wasserbewohner waren eng an die typischen Bibergewässer angepasst oder sogar auf diese angewiesen. Kein Wunder, dass sie jetzt so schnell und positiv auf die Rückkehr des Baumeisters reagieren!

Das Bauen von Biberdämmen erbringt nicht nur aus naturschutzfachlicher, sondern auch aus wasserwirtschaftlicher Sicht wertvolle Revitalisierungsleistungen: Zurückverlegen aufgesattelter Gewässer ins ursprüngliche Bett, Sedimentation großer Geschiebemengen und Förderung der Ausbreitung ufertypischer Gehölze sowie die Neuschaffung von Stillgewässern, Flachwasserzonen und Kleinbächen führen zu erheblicher Abflussverzögerung, schaffen zusätzlichen Rückhalteraum bei Hochwässern und verbessern die Selbstreinigungskraft und Wasserqualität der Fließgewässer.

Nur Biber schaffen es, die Vielfalt der notwendigen Gewässerstrukturen zu schaffen und auch dauerhaft zu unterhalten. Sie sind als Baumeister und Haus-meister zugleich jederzeit am Gewässer präsent und schaffen laufend neue Strukturen, die so differenziert auch durch aufwändigste menschliche  Biotoppflege nicht möglich und sicher unbezahlbar wären. Die Artenfülle an Gewässern kann sich deshalb nur dort entfalten, wo Biber als seit Millionen von Jahren wirksamer Schlüsselfaktor ihre ganzen Fähigkeiten einsetzen dürfen.

Die Verengung der öffentlichen Diskussion beim Biber auf monetäre „Schäden“ in der Landwirtschaft oder bei Fischteichen verkennt völlig die Leistungen und Vorteile gerade dieser Tierart für den Naturhaushalt, andere gefährdete Arten, aber auch die viel höheren wirtschaftlichen Vorteile für den Menschen. Der gesamtwirtschaftliche Nutzen des Bibers (kostenlose Renaturierungsleistungen, Wasserqualität, Wasserrückhalt) ist damit in Bayern wohl um den Faktor 70 größer als die einzelnen Schäden bei Land-, Forst- oder Teichwirten.

Forderungen des BUND Naturschutz:

  • Schaffen von ungenutzten Pufferstreifen an allen Fließgewässern, da 90% der Konflikte mit Bibern in einem zehn Meter breiten Streifens entlang des Ufers entstehen. Biberkonflikte an Ufern sind meist Indikator für gravierende Konflikte zwischen intensiver Landwirtschaft und Gewässerschutz. Die Einführung eines gesetzlichen Schutzes der Gewässerrandstreifen war überfällig in Bayern. Jetzt muss er auch konsequent umgesetzt werden.
  • Umfassende Renaturierung von Talauen. Der Biber wirkt hier als kostenloser Landschaftsgestalter und Motor für die Artenvielfalt!
  • Integration von Biberüberschwemmungsgebieten in die dezentrale Hochwasserrückhaltung, insbesondere in den Oberläufen der Gewässer.
  • Aufstockung des Biberfonds mittelfristig auf ca. 800.000 €.
  • Strikt am Naturschutzrecht ausgerichtete Anwendung der Ausnahmeregelung für die „Entnahme“ (gleichbedeutend mit Tötung) von Bibern, die oft zu großzügig gehandhabt wird.