Bamberg: Fotoausstellung „Zeit gestalten“ ab 23. Juli in Bamberg in der Villa Dessauer
ZEIT gestalten | Fotografien von Jürgen Schraudner, Bamberg, Bernd Seydel & Thomas Wolf, Gotha
23.7.-13.9.2020 Stadtgalerie Bamberg – Villa Dessauer
Hainstraße 4a, 96047 Bamberg
Die unglaubliche Ruhe, die von den Fotografien in der Ausstellung „Zeit gestalten“ ausgeht, ist im Jahr 2020 höchst aktuell, aktueller als man es für möglich gehalten hätte. Thomas Wolf, Bernd Seydel und Jürgen Schraudner haben ein ausgeprägtes Auge für die Stille, die Leere, von der ein schwer zu beschreibender Zauber ausgeht. Die drei Fotografen zeigen uns, wie wir genauer schauen können auf das, was sich uns als Betrachter nicht sofort erschließt. Sie haben unterschiedliche Herangehensweisen, aber sie lehren uns alle drei das Staunen und die Lust am Detail zu entdecken.
Jürgen Schraudner erzeugt mit seinen Fotografien etwas, das in seiner Heimatstadt Bamberg seit Langem in der Realität nicht mehr erlebbar ist: Leere. Die Langzeit-belichtung lässt die Menschen verschwinden, die zum Zeitpunkt der Aufnahme durch das Bild liefen. Durch ihre Bewegung werden sie unsichtbar, während der unbewegte Hintergrund bleibt – der Raum, die Architektur, die Straßen. Die Spannung der Bilder entsteht durch ihren Widerspruch zu unserer täglichen Erfahrung mit und in der Stadt. Die Fotografien sind fast alle vor der aktuellen CV19-Pandemie entstanden. Die CV-Leere der Städte und Straßen ist mittlerweile schon weltweit fest eingebrannt ins kollektive Gedächtnis wie bisher nur die autofreien Sonntage der Ölkrise 1973, die zu den bleibenden Bildererinnerungen gehören. Auf Schraudners Fotos sehen wir allerdings nur auf den ersten Blick die Leere, die Architektur, das von Menschen gemachte Bauwerk. Beim genauen Hinsehen entdecken wir aber noch Spuren der Stadtbewohner*innen und Autofahrer*innen im Autolicht oder in ihrer durchscheinenden Anwesenheit.
Bernd Seydel und Thomas Wolf leben in Gotha und arbeiten seit Ende 2015 zusammen am Projekt „Makrosophie“. Sie konfrontieren uns mit dichten, übervollen Fotografien, die uns Rätsel aufgeben. Erst nach einem Blick auf den Bildtitel wissen wir mehr. Seydel und Wolf sind zwei Tüftler, die die ästhetischen Möglichkeiten der digitalen Fototechnik voll ausschöpfen und dabei Verblüffendes sichtbar machen, wenn sie etwa kleine Objekte in unerwarteter Detailschärfe zu Landschaften werden lassen.
Die beiden arbeiten auf sehr unkomplizierte Weise miteinander. Alle anstehenden Aufgaben verteilen sich wie von selbst, jeder trägt das dazu bei, was er am besten kann. Im Studio bei den Aufnahmen sind immer beide zusammen. Gemeinsam wählen sie die Gegenstände aus, suchen die spannendsten Perspektiven und setzen das Licht so, dass der Gegenstand sich interessant präsentiert. Beachtet werden eine Reihe technischer Anforderungen: Helle Stellen oder gar Spiegelungen dürfen nicht „ausreißen“, also keine Zeichnung mehr haben. Alle dunklen Stellen dagegen sollten nicht „absaufen“, also einfach nur schwarz sein. Das Ganze findet oft nur auf 24 x 36 Millimetern statt. Die richtige Lichtsetzung, sagen die beiden, kann man nicht im Lehrbuch lernen, denn sie ist eher so etwas wie Alchemie: eine geheimnisvolle Kunst, Photonen dahin zu leiten, wo sie gebraucht werden.
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