Forchheimer Grüne Liste – Bündnis 90/Die Grünen rufen nach Eklat bei den Stadtwerken die Kommunale Rechtsaufsicht an

Pressemitteilung von FGL/Bündnis 90/Die Grünen:

Eklat bei den Stadtwerken – Stadtrat Steffen Müller-Eichtmayer wird unter Androhung von Polizeigewalt von der Aufsichtsratssitzung ausgeschlossen

Steffen Müller-Eichtmayer sitzt für die Grünen seit 1. Mai 2020 im Forchheimer Stadtrat und wurde auf Vorschlag seiner Fraktion vom Stadtrat in der konstituierenden Sitzung vom 7.5.2020 einstimmig in die Aufsichtsgremien von Erdgas Forchheim und der Stadtwerke Forchheim entsandt. Schon bei der Sitzung des Aufsichtsrats der Erdgas am 30.6. sahen die Geschäftsführer Sponsel und Reznik eine mögliche Interessenkollision mit seiner Tätigkeit für die N-Ergie Nürnberg. Nach Diskussion, die in Vorwürfen gegen Müller-Eichtmayer mündete, ließ OB Kirschstein als Aufsichtsratsvorsitzender über dessen Verbleib abstimmen. Nachdem alle AR-Mitglieder gegen den Verbleib votierten, forderte OB Kirschstein Müller-Eichtmayer auf, die Sitzung zu verlassen, der dieser Aufforderung mit großem Unverständnis nachkam. Müller-Eichtmayer dazu: „Ich war zum ersten Mal in so einer Sitzung und nach dem Rauswurf völlig perplex. Mir wurden die Sitzungsunterlagen abgenommen und ich fühlte mich insb. vom OB überfahren, zumal einer der beiden Geschäftsführer und ein Vertreter der Bayernwerk AG zwar auf den möglichen Interessenkonflikt verwiesen, aber zugleich einräumten, eine rechtliche Handhabe bestünde nicht“.

Zum Hintergrund:

Müller-Eichtmayer ist angestellter Sachbearbeiter der N-Ergie und dort im Team für den Stromeinkauf zuständig. „Das war aufgrund der Stadtratslisten allen Beteiligten immer bekannt und ich habe vorsorglich und von uns aus den OB vor der Entsendung und nochmal vor der Sitzung darauf hingewiesen, weil uns Grünen Transparenz wichtig ist. Ich wähnte mich mit dem OB darin einig, daß allein der Stadtrat über die Besetzung des Aufsichtsrats entscheidet und eine gewisse Expertise da von Nutzen sei. Jedenfalls erhielt ich keinen Widerspruch“ sagt Gerhard Meixner, Fraktionschef der Grünen.

Nach den Vorkommnissen bei der Erdgas holte die FGL juristischen Rat ein mit dem Ergebnis, die Tätigkeit Müller-Eichtmayers bei N-Ergie sei kein Hinderungsgrund für das Aufsichtsratsmandat bei den Stadtwerken. Mit dieser Gewissheit im Rücken ging der Stadtrat in die Sitzung der Stadtwerke am 2. Juli – wo es dann zum Eklat kam. Entgegen dem Antrag von Gerhard Meixner, ebenfalls Aufsichtsrat der Stadtwerke, die Sitzung zu vertagen, ließ OB Kirschstein wieder über den Verbleib von Müller-Eichtmayer abstimmen – mit klarer Mehrheit für den Ausschluß. Als der auf seinem Anwesenheitsrecht bestand, drohte der OB schließlich mit Hausrecht und der Entfernung durch die Polizei. Darauf verließen die 3 Räte der Grünen unter Protest die Sitzung.

Emmerich Huber, Stadtrat und Rechtsanwalt, hält die Sache für eindeutig: „Nach der Gesetzeslage – maßgeblich ist hier insb. § 100 des Aktiengesetzes – und nach einem anerkannten Kodex ist u.a. die Verflechtung von Vorständen und Aufsichtsräten konkurrierender Unternehmen verboten oder die Übernahme von mehr als 10 Aufsichtsratsmandaten. Da sind wirklich gewichtige Tatbestände normiert, die eine wirksame Kontrolle in der Praxis gefährden. Das sind andere Dimensionen, die Sachbearbeiterebene ist da weit entfernt. Ein theoretisch möglicher Interessenkonflikt im Einzelfall – hier in der Praxis kaum realistisch – ist unschädlich“.

Andrea Hecking, ebenfalls für die FGL im Aufsichtsrat der Stadtwerke ergänzt: „ich denke, daß es für das Kontrollgremium nur von Vorteil sein kann, wenn jemand dabei ist, der ein Plus an Erfahrung und Wissen mitbringt. Der Ausschluß des Kollegen und das Vorgehen bei der Sitzung fand ich entsetzlich und beschämend. Ich war erschüttert, wie der OB hier als Vorsitzender mit dem Stadtrats-Kollegen umgegangen ist. Ich vermisste jeden Anstand“.

Meixner weist noch auf einen anderen Umstand hin: „Wir hatten jahrelang die Inhaber großer Elektrobetriebe im Aufsichtsrat, die geschäftliche Beziehungen zu den Stadtwerken pflegten.  Wir haben sogar eine sehr nahe familiäre Verflechtung zwischen einem Mitglied des AR und einer Führungskraft der Stadtwerke. Da nimmt niemand Anstoß, möglicherweise, weil aus der Ecke keine Kontrolle zu befürchten war und ist. Diese Angst vor effektiver Kontrolle macht mich hellhörig.“

Auf zwei erstaunliche Vorgänge weist die FGL noch hin:

In einer von den Stadtwerken (!) erstellten Tischvorlage, die die FGL-StadträtInnen keine Gelegenheit mehr hatten einzusehen, behaupten die Geschäftsführer Sponsel und Reznik, man habe den Vorgang von einer kompetenten (in der Vorlage aber nicht genannten) Kanzlei  prüfen lassen und die habe einen Interessenkonflikt bejaht. Davon hätten die Stadtwerke und OB Kirschstein die FGL bereits im Vorfeld der Stadtratssitzung am 7. Mai in Kenntnis gesetzt. Diese Behauptung ist schlicht unwahr. Weder die FGL-RätInnen noch sonst wer von den Grünen wurde über die Prüfung, bzw. deren angebliches Ergebnis unterrichtet.

Darüber hinaus behauptete der OB eingangs der Aufsichtsratssitzung, die Rechtsaufsicht beim Landratsamt habe ihm in einem Telefonat kurz vor der Sitzung (er sagte konkret: um 15.08 Uhr) den Interessenkonflikt aufgrund der Entsendung von Müller-Eichtmayer in den Aufsichtsrat bestätigt. Tatsächlich gab es weder das Telefonat, noch hat die Rechtsaufsicht einen Interessenkonflikt bestätigt.

Den Grünen StadträtInnen ist insbesondere das rigide Vorgehen des OB unverständlich und sie fragen sich, weshalb hier mit aller Macht, bis hin zur Androhung von Polizeigewalt, ein kompetentes und vom Stadtrat gewähltes Mitglied aus dem Aufsichtsrat ausgeschlossen werden soll. Einen vergleichbaren Vorgang hat es in der Geschichte der städtischen Gremien bisher nicht gegeben.

Fraglich ist nun, inwieweit die nach dem Ausschluß von Müller-Eichtmeyer gefassten Beschlüsse rechtsgültig sind und ob die Sitzungen zu wiederholen sind.

Der Empfehlung des OB, Müller-Eichtmayer „geräuschlos“ aus den Gremien zurückzuziehen will und kann die FGL nicht nachkommen, zumal der Aufsichtsrat nicht von der FGL, sondern vom Stadtrat entsandt wurde.

Die Grünen haben den Vorgang nun dem zuständigen Fachbereich der Kommunalaufsicht beim Landratsamt zur Prüfung übergeben.