Aus der Gaustadter Leserpost: „Bebauungsplanverfahren „Neues Atrium“

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Bamberg-Gaustadt, 29. Juni 2020

Bebauungsplanverfahren Nr. 305 G
Für den Bereich „Neues Atrium“ südöstlich des Bahnhofs,
zwischen Bahntrasse Erfurt-Nürnberg und der Ludwigstraße
Öffentliche Auslegung (§ 3 Abs.2 BauGB)

hier: Stellungnahme

Sehr geehrte Damen und Herren!

Grundsätzlich ist zu begrüßen, daß dem Atrium in Bamberg neues Leben eingehaucht wird. Es liegt gerade aus Sicht des Umweltverbunds (Gehen, Radfahren, Bahn und Bus sowie deren intelligente Vernetzung) sehr verkehrsgünstig. Die bisherige Entwicklung, die zum heutigen Zustand geführt hat, zeigt, daß, anders als von interessierter Seite gern suggeriert, ein reichhaltiges Angebot an Pkw-Stellplätzen mitnichten Garant und Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg einer solchen Immobilie ist.

Weiterhin ist zu begrüßen, daß die Bereitstellung von Fahrradstellplätzen ausdrücklich gefordert ist – wenngleich das Zahlenverhältnis noch immer ein deutliches Übergewicht auf Seiten der Kraftfahrzeuge aufweist. Es sollte aber nicht unmöglich sein, hier im Zuge später erfolgender Erkenntnisreifung im Bestand umzuwidmen.

Wichtig ist neben der leichten Erreich- und (im Sinne der Diebstahls- und Vandalismusprophylaxe) Einsehbarkeit der Stellplätze, die Nutzung nicht nur der Standardbauform des Fahrrads, sondern auch der vielfältigen Alternativen (Liegerad, Lastenrad, Lasten- und Kinderanhänger, mehrspurige Fahrräder, Räder aller Bauformen mit elektrischer Unterstützung, …) zu berücksichtigen.

Das angedachte bahnsteignahe Fahrradparkhaus muß in jedem Fall die Möglichkeit späterer Erweiterung vorsehen und gleichfalls die Vielfalt der Fahrrad- und Gespannvarianten beachten.

Positiv zu vermerken ist, daß angesichts der Zeitperspektive des Bahnausbau endlich eine – vielfach angemahnte – tragfähige Zwischenlösung für den Regionalen Omnibusbahnhof (ROB) ins Auge gefaßt wird. Die Wegelängen zwischen Stadt- und Regionalbushaltestellen lassen indes Optimierungsbedarf erkennen. Dringend vonnöten ist ein Informations- und -leitsystem, welches (umsteigenden) Fahrgästen leicht verständlich die schnelle Orientierung ermöglicht. Hierzu sind Abstimmung und Kooperation zwischen den Betreibern erforderlich, ohne daß wie heutzutage das eine Unternehmen auf das andere verweist.

Nicht aktzeptabel ist der geplante gemeinsame, 3,25 m breite gemeinsame Geh- und Radweg. Nutzungsansprüche des Radverkehrs erwachsen aus der Bedeutung und der Lage der Straße innerhalb des gesamtgemeindlichen und überörtlichen Radverkehrsnetzes. Die Ausprägung der Nutzungsansprüche wird vorrangig bestimmt durch Verbindungsbedeutung, Sicherheitsaspekte (vor allem an Knotenpunkten) und angestrebten Fahrkomfort (z.B. für zügige Fahrt oder Überholmöglichkeiten.Nutzungsansprüche aus Fußgängerverkehr, sozialen Ansprüchen (Aufenthalt, Geschäftsauslagen, Arbeiten im Straßenraum, Spielen) und Barrierefreiheit treten an allen angebauten Straßen auf. Die Ausprägung dieser Nutzungsansprüche variiert dabei stark in Abhängigkeit von der Randbebauung, der Umfeldnutzung sowie der Lage und Bedeutung des Straßenraums innerhalb des Fußgängerverkehrsnetztes“ (Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen – RASt06).

In angebauten Straßen beträgt die Regelbreite eines Gehwegs ohne Radverkehr 2,50 m (RASt06) – bei entsprechender Nutzung ist dieser Wert nach oben anzupassen -, die eines Einrichtungsradwegs 2,00 m (Empfehlungen für Radverkehrsanlagen ERA 2010, hinzu kommen seitliche Sicherheitsräume) – bedarfsweise mehr (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung VwV-StVO). Am Atrium treffen u. a. Geschäfts- und Freizeitnutzung (Kino) sowie der Umsteigeverkehr zwischen Stadt- und Regionalbus sowie Eisenbahn aufeinander. Es ist daher mit überdurchschnittlich starkem Fußverkehrsaufkommen zu rechnen, welches mit dem Radverkehr definitiv nicht verträglich auf derselben Fläche abgewickelt werden kann.

Natürlich ist nicht zu ignorieren, daß auch auf der Fahrbahn Konfliktpotential existiert. Doch, den Willen bei Verkehrs- und Ordnungsbehörden vorausgesetzt, läßt sich dieses durch problemgenaue Anordnungen wie Geschwindigkeitsbegrenzungen und Überwachung / Ahndung gefährdender Regelverstöße entschärfen. Die Verdrängung des Radverkehrs in den Bewegungsraum der Fußgänger/innen hingegen schafft den Gefährdern, rücksichtslosen Kraftfahrern, freie Bahn, bestärkt sie somit in ihrem „Territorialverhalten“. Dieses Besitzanspruchsdenken führt bereits vielerorts zu unliebsamen Folgen wie illegalem Gehwegradeln. Dem leistet die Anordnung gemeinsamer Geh- und Radwege weiteren Vorschub – insbesondere, wenn sie in derart konfliktträchtigen Bereichen erfolgt.

Die ERA sehen für gemeinsame Geh- und Radwege, die ohnehin nur ausnahmsweise und unter Berücksichtigung der Belange des Fußverkehrs zulässig sind, Breiten bis zu 4,5 m vor. Doch die zu erwartende, intensive Vielfalt des Aufkommens (Richtungswechsel, Aufenthalt, Kinder, …) läßt keinen Raum für die gemeinsame Führung mit dem linear vorwärtsstrebenden Radverkehr. Ein Querschnitt von 3,25 m ist ohnehin indiskutabel.

Eine etwaige Aufteilung des Wegs in einen Fuß- und einen Radwegebereich erbrächte keine Lösung. Weder lassen sich die für das zu erwartende Verkehrsaufkommen erforderlichen Querschnitte realisieren noch, das lehrt die Erfahrung andernorts, würde – beidseits – die Trennung im realen Verkehrsgeschehen akzeptiert und respektiert.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig