Kulmbacher Gesundheitswissenschaftlerin Annekatrin Bütterich: „Gesundheitskompetenz in Corona-Zeiten“
Wie wichtig die Förderung von Gesundheitskompetenz ist, macht die Corona-Krise deutlich
Von Annekatrin Bütterich
Rückblick auf die Gesundheitskompetenzwochen 2020:
Am 30.01.2020 fand die Auftaktveranstaltung und zeitgleich die Übergabe der Urkunde zur Aufnahme in den Partnerprozess „Gesundheit für alle“ (gesundheitliche Chancengleichheit), einem Bundesprojekt im Gesundheitswesen, statt.
Gesundheit ist das wichtigste Gut in unserem Leben schlechthin. Alle anderen noch so scheinbar wichtigen Begleitumstände des Lebens treten zurück, wenn wir diese nicht genießen können.
Wir als Landkreis haben es deshalb als unsere gemeinsame Aufgabe gesehen, hier mit den Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen, anzusetzen und Bestehendes bedarfsgerecht und zielgruppenspezifisch weiterzuentwickeln – zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger.
Am 30.01.2020 traten wir als 20. Kommune in Bayern diesem Prozess bei und vernetzen uns dadurch im Themenfeld Gesundheit auf bayerischer Ebene und national. In Deutschland gehören mittlerweile ca. 60 Kommunen diesem Partnerprozess an, der seit 2011 läuft.
Der Partnerprozess wird durch die Koordinierungsstellen für Gesundheitliche Chancengleichheit in den Bundesländern koordiniert. Diese Aufgabe übernimmt in Bayern das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und unterstützt dieses Projekt in den Regionen.
Jede Kommune, die diesem Partnerprozess beitritt, wählt ein Thema, das Teil eines Fortentwicklungsprozesses sein kann. Für unseren Landkreis wurde das Thema „Gesundheitskompetenz“ gewählt. Hier kompetent zu sein, ermöglicht es, während des gesamten Lebens die Lebensqualität zu erhalten und zu verbessern.
Sehr schnell war dem Projektteam um Geschäftsstellenleiterin der Gesundheitsregion plus Kulmbach Annekatrin Bütterich bewusst, dass das, was die Gesundheitskompetenz ausmacht, ein Prozess ist, der sich im Laufe des Lebens, insbesondere in Umbruchsituationen verändert.
Deshalb machte es auch Sinn, den Fokus auf spezifische Zielgruppen wie auch auf deren Change Prozesse auszurichten und daraus passgenaue Veranstaltungsformate zu entwickeln.
In den ersten Monaten in 2020 fanden deshalb drei sehr erfolgreiche Veranstaltungen zu den Themen Menschen in Arbeitswelt, Menschen mit Erfahrung in Migrationsprozessen und zum Thema älter werdende Menschen statt. Die vierte Veranstaltung zum Bereich der Familie, Alleinerziehender und der Kinder wurde leider aufgrund der Corona-Pandemie auf unbestimmte Zeit verschoben.
Gesundheit, unser wichtigstes Gut – gerade jetzt in Corona-Zeiten wird dies deutlich
Wie sich Gesundheit anfühlt oder was persönlich für jeden Einzelnen dazugehört, um gesund zu sein, dies ist etwas sehr individuelles.
Dies kann beispielsweise sein das Wohlfühlen im eigenen Landkreis, die soziale Teilhabe in der Gemeinde und der Nachbarschaft, Verbringen von sinnstiftender Zeit im Kreise der Familie oder / und in der Natur, ein positiver Umgang auch mit chronischen Erkrankungen, geistige und körperliche Fitness, Selbstverwirklichung im privaten und beruflichen Umfeld und vieles mehr.
Was ist Gesundheitskompetenz?
Gesundheitskompetenz umfasst ein vierstufiges Modell:
- das Wissen, die Motivation und die Fähigkeiten von Menschen, relevante Gesundheitsinformationen in unterschiedlicher Form zu finden,
- diese zu verstehen
- und zu beurteilen
- sowie für sich selbst anzuwenden, um im Alltag in den Bereichen der Krankheitsbewältigung, Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung Urteile fällen und Entscheidungen treffen zu können, die ihre Lebensqualität während des gesamten Lebensverlaufs erhalten oder verbessern. Diese Veränderung(en) werden langfristig in den Alltag integriert.
Gerade in Umbruchsituationen (Change Prozesse) ist diese Gesundheitskompetenz von hoher Bedeutung, um physisch und psychisch gesund zu bleiben oder schnell wieder zu werden.
(siehe auch Definition RKI: https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GesundAZ/Content/G/GesKompetenz/Inhalt/gesundheitskompetenz_inhalt.html)
Umbruchsituationen ereignen sich in allen Lebenslagen und sind fester Bestandteil unseres Menschseins. Unsere Widerstandskräfte (Resilienz) und Bewältigungsstrategien sind dabei sehr individuell und abhängig von der gegenwärtigen Lebenssituation.
Gesundheitskompetent sind wir, wenn es uns gelingt, für die jeweilige Situation passende Informationen zu suchen, sie zu bewerten, Strategien zu entwickeln und anzuwenden sowie langfristig diese in unseren Lebensalltag einzubinden.
Statement von Gesundheitswissenschaftlerin Annekatrin Bütterich:
„Vor dieser Herausforderung stehen wir alle aktuell. Ob als Kind in der Kita-Notbetreuung oder im Home Schooling, als Eltern in der Lehrer- und Home-Office-Rolle, als Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder als neuerdings definierte „Risikogruppe“, auf die auf einmal besonders geachtet und sich gesorgt wird, obwohl man sich als „Silver oder Best Ager“ (wie Personen ab 60 Jahren auch bezeichnet werden) doch noch fit und im besten Alter fühlt – am liebstem aktiv ist und Zeit mit Freunden, der Familie und vor allem den Enkeln verbringt.
Ich stelle fest, dass wir viel mehr den Nerv der Zeit getroffen haben, als wir es uns im Januar bei unserem Beitritt in den Partnerprozess „Gesundheit für alle“ mit unserem selbst formulierten Schwerpunkt „Förderung der Gesundheitskompetenz in Umbruchsituationen (Change Prozessen)“ hätten vorstellen können. Aber vielleicht war es eine gewisse Intuition, die uns leitete.
Ein allgemein gültiges Rezept für den Umgang mit Change Prozessen gibt es nicht! Die Lebenswelten von Kindern, Auszubildenden, Eltern, Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen, Migrant*innen, älter werdenden Menschen bleiben unterschiedlich und bringen besondere Herausforderungen mit sich. Diesen unterschiedlichen Themenfeldern und den damit einhergehenden Change-Prozessen haben wir uns im Rahmen der Gesundheitskompetenzwochen 2020 zu Beginn des Jahres gewidmet. Weitere Veranstaltungen und Projekte werden folgen, sobald es uns wieder möglich ist, größere Veranstaltungen abhalten zu können.
Die Integration von Möglichkeiten und Strategien in den (Arbeits-)Alltag, die die Gesundheitskompetenz fördern, ist wiederum etwas, was jeden einzelnen bzw. einzelne Institutionen oder Abteilungen betrifft.
Meiner Ansicht nach ist dies in Zeiten der Corona-Pandemie wichtiger denn je. Negativ-Schlagzeilen und beängstigende Meldungen haben uns alle gefühlt rund um die Uhr umgeben.
Hier ist es essentiell, Informationen wohl dosiert einzuholen und Zeitfenster im Alltag mit positiven/schönen Themen als Anker in den Alltag zu integrieren.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ich mir in den vergangenen Wochen bewusst Zeit genommen habe, um mich in der Natur mit meinem Hund zu bewegen und somit Stress vom Corona-(Arbeits-)Alltag abbauen wie auch wieder Kraft zu schöpfen.
Auch mein Arbeitsalltag hat sich seit März verändert. Meine Aufgaben als Geschäftsstellenleitung der Gesundheitsregion plus Kulmbach bestehen schwerpunktmäßig aus Projekten bzw. Programmen der Gesundheitsförderung und Prävention wie auch der Vernetzung innerhalb der medizinischen Gesundheitsversorgung. In den vergangenen Wochen koordinierte ich die Kontaktpersonen-Ermittlung. Einerseits natürlich arbeitsintensiv und zehrend, auf der anderen Seite bin ich dankbar, mich aktiv einzubringen und helfen zu können. Natürlich freue ich mich jetzt darüber, dass sich langsam ein „normaler Arbeitsalltag“ wieder einstellt.“
Tipps zur Stärkung des Immunsystems, die jede*r präventiv und eigenverantwortlich für sich und ihr/seine Mitmenschen einsetzen kann:
- Ernährung
Gesunderhaltung des Darms mit ausreichend Wasser bzw. ungesüßten Tees sowie Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, gesunden Ölen, Nüssen, etc. - Bewegung
Regelmäßige moderate Bewegung bzw. sportliche Aktivität nach persönlichen Vorlieben bestenfalls in der Natur an der frischen Luft - Entspannung und Stressmanagement
Meditation- und Entspannungsverfahren nach persönlichen Vorlieben zum Stressabbau und zur Resilienzförderung (Förderung der psychischen Widerstandskraft) - Physische Hygiene
Gutes Händewaschen mit Seife, Husten in die Armbeuge, Desinfizieren, Abstand halten, Mund-Nasen-Schutz tragen, Wäsche bei 60 Grad waschen, Corona-App auf dem Smartphone installieren, etc. - Psychische Hygiene – mentale Balance:
- Umgib dich mit Menschen, denen du wichtig bist. Tausche dich aus, mit Menschen, die dir zeigen, dass du ihnen etwas wert bist. Trage Sorge, dass du dich um dich selbst kümmerst. Sei dir im Sinne einer gesunden Selbstliebe der wichtigste Mensch in deinem Leben, indem du Dinge tust, die dir gut tun.
- Nimm dir Zeit für dich selbst. Dazu gehört die Pflege deines Körpers, gute Ernährung, eine gute Work-Life-Balance und auch der Wunsch, einmal den Off-Schalter zu drücken und abzuschalten (nicht rund um die Uhr erreichbar zu sein). Tue Dinge, die dir Spaß bereiten.
- Sei achtsam, was du dir im Geiste zuführst. Wenn du dir Informationen einholst oder dir Informationen gegeben werden, achte darauf, was diese Informationen mit dir machen. Versetzen sie dich in eine Unruhe, lösen sie Ängste in dir aus? Dann überlege genau, ob sie dich nicht in eine mentale Dysbalance bringen.
- Mache immer wieder neue Erfahrungen. Lerne immer wieder etwas Neues. Wer neugierig bleibt, immer wieder etwas Neues lernen möchte, ist der Zukunft zugewandt und erhält sich so eine Balance. Wer sich mit dem Alten beschäftigt, Altes nicht loslassen kann, zementiert eine Dysbalance. Neues gibt dir die Möglichkeit, Wege zu erkennen, Auswege zu finden, Potentiale zu leben. Deshalb auch in der größten Krise, das Auge immer wieder auch auf das Neue richten!
- Bleibe in deiner Mitte und wenn du nicht in deiner Mitte bist, dann versuche wieder, in deine Mitte zu gelangen. Wie schaffst du das? Indem du dir deine Individualität behältst. Sei in Nuancen anders. Diese Nuancen sind es oft, die unsere Mitte ausmachen.
- Lächle, denn Lächeln ist das neue Händeschütteln. Lächle deinen Mitmenschen entgegen. Es ist nicht immer einfach mit Maske, aber es gibt genügend Momente, in denen wir die Maske nicht tragen und selbst mit Maske ist ein ehrliches Lächeln über das Strahlen der Augen zu erkennen.
Neueste Kommentare