Neues Forschungsprojekt der Universität Bayreuth: Der Kilimanjaro im globalen Wandel
Die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur am Kilimanjaro zu analysieren und sie als Teil eines umfassenden sozial-ökologischen Systems zu begreifen, ist das Ziel des neuen Forschungsverbunds „Kili-SES“. Ein von Dr. Andreas Hemp geleitetes botanisches Teilprojekt der Universität Bayreuth wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in den nächsten vier Jahren mit rund 700.000 Euro gefördert. Insgesamt sind 15 Universitäten und Forschungseinrichtungen aus Deutschland, der Schweiz und Tansania an dem Verbund beteiligt, die Koordination liegt beim Senckenberg-Institut in Frankfurt am Main.
Umweltveränderungen und ökologische Dienstleistungen
Im Mittelpunkt des Projekts steht die Frage, wie die Natur – im Zusammenspiel mit sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten – die Lebensverhältnisse der Menschen in der Region des Kilimanjaro beeinflusst. Entscheidende Faktoren sind dabei die Biodiversität und die von ihr abhängigen ökologischen Dienstleistungen, wie etwa sauberes Trinkwasser und fruchtbare Böden. Sie werden durch klimatische Veränderungen und infolge des Bevölkerungswachstums auch durch eine intensivierte Landnutzung geschwächt.
„Im neuen Projekt wollen wir die natürlichen, sozialen und wirtschaftlichen Faktoren, welche die Lebensbedingungen der Menschen in der Kilimanjaro-Region prägen, in ihrem Gesamtzusammenhang herausarbeiten. Wir wollen ihre Wechselbeziehungen präziser beschreiben, als dies in der Forschung bisher geschehen ist. Entsprechende Untersuchungen betreffen zum Beispiel die Nährstoffe in den Böden, die Diversität der Arten und dabei insbesondere solche Arten, die infolge der Globalisierung erst seit kurzem am Kilimanjaro heimisch sind. Eine wichtige Rolle spielen auch sogenannte Bioindikatoren. Dies sind Pflanzen und Tiere, die besonders empfindlich auf Veränderungen in der Umwelt reagieren, beispielsweise auf lange Trockenperioden, größere Temperaturschwankungen oder Schadstoffe in der Luft und im Wasser. In früheren Studien ließen sich an diesen Organismen bereits erhebliche Umweltveränderungen ablesen,“ sagt Dr. Andreas Hemp.
Forschungsstationen vor Ort
Der Bayreuther Biologe erforscht seit mehr als 30 Jahren gemeinsam mit Partnern in Deutschland, Kenia und Tansania die Pflanzenwelt am höchsten Berg Afrikas. Von 2010 bis 2019 hat er die DFG-Forschergruppe „KiLi“ in Afrika geleitet, die erstmals die Ökosysteme des Kilimanjaro auf 65 Forschungsflächen von der Savanne bis zur Gipfelregion untersucht hat. In zwei Forschungsstationen am Südhang des Berges wird Hemp auch im Rahmen des neuen Projekts mehrmonatige Forschungsaufenthalte verbringen, zusammen mit Dr. Claudia Hemp vom Senckenberg-Institut, die als Koordinatorin für das afrikanische Personal und die Infrastruktur in den Stationen zuständig ist. Wie schon in den Vorjahren ist ein Team afrikanischer Nachwuchsforscher in das Projekt einbezogen.
Das Ziel: Prognosen über Lebensbedingungen im globalen Wandel
Um jüngste Auswirkungen des Klimawandels auf die Vegetation des Kilimanjaro ermitteln zu können, werden frühere Messungen wiederholt und ausgeweitet. Dabei geht es beispielsweise um die Anzahl von Arten pro Fläche, die jährlich erzeugte Biomasse, die Mengen an Totholz und den Anteil von Nebelwasser am Wasserhaushalt. Die so gewonnenen Daten sollen hinsichtlich ihrer wechselseitigen Abhängigkeit ausgewertet und auf den gesamten Berg hochgerechnet werden. Zugleich wollen Hemp und sein Team diese Erkenntnisse mit weiteren statistischen Erhebungen abgleichen. Diese betreffen das Bevölkerungswachstum, staatliche Steuerungsstrukturen, die Nutzung natürlicher Ressourcen durch Land- und Forstwirtschaft und die wirtschaftliche Entwicklung in der Region. So entsteht ein facettenreiches Bild vom gesamten sozial-ökologischen System des Kilimanjaro.
„Auf dieser Grundlage können wir zuverlässig abschätzen, wie sich ökologische Dienstleistungen im Zuge des Klima- und Landnutzungswandels verändern werden. Daraus wiederum lassen sich Prognosen ableiten, die uns sagen, welche Folgen diese Entwicklungen für das Wohlergehen der Menschen mittel- und langfristig haben werden,“ sagt Hemp.
Ein Forschungsschwerpunkt: Der Kilimanjaro-Nationalpark
Einen besonderen Schwerpunkt der Forschungsarbeiten bildet der rund 1.700 Quadratkilometer große Kilimanjaro-Nationalpark, den die UNESCO als Weltnaturerbe ausgezeichnet hat. Er erstreckt sich zwischen einer Höhe von rund 1.800 Metern und der 5.895 Meter hohen Spitze des Kibo, des Hauptgipfels des Kilimanjaro. Wie schon im Jahr 2001 will das Team des Bayreuther Forschers das gesamte Gelände überfliegen und eine erneute Kartierung der Waldschäden vornehmen. Dabei sollen neben illegalen Aktivitäten wie Holzeinschlag, Köhlerei oder Waldweide auch Erdrutsch- und Waldbrandgefahren aufgespürt werden. Für die Weiterentwicklung des Nationalparks und seine touristische Nutzung ergeben sich daraus wertvolle Erkenntnisse, die auch anderen Nationalparks in Ostafrika zugute kommen.
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