Pressemitteilung des DGB Mittelfranken zu Corona und Geschlechtergerechtigkeit
Erwerbstätige Mütter tragen Hauptlast zusätzlicher Sorgearbeit in Corona-Zeiten – Befragung unter rund 7.700 Erwerbstätigen
Die Coronakrise stellt eine enorme Belastung dar für das Gesundheitswesen, die Volkswirtschaft, den Sozialstaat – und für die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern. „Bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern nehmen zu, Fortschritte bei der Aufteilung von Erwerbs- und unbezahlter Sorgearbeit werden in vielen Familien zeitweilig zurückgenommen. Diese Tendenz ist in Haushalten mit niedrigeren oder mittleren Einkommen stärker ausgeprägt als bei höheren Einkommen, auch weil Personen mit höheren Einkommen generell während der Pandemie seltener ihre Erwerbsarbeit einschränken müssen“, sagt Stephan Doll, Geschäftsführer des DGB Mittelfranken. Das zeigen Ergebnisse einer repräsentativen Online-Befragung, für die im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung 7677 Erwerbstätige interviewt wurden.
„Die Pandemie legt nicht nur problematische Ungleichheiten in den wirtschaftlichen und sozialen Möglichkeiten offen, sie verschärft sie oft noch. Neben Beschäftigten mit niedrigeren Einkommen, in Betrieben ohne Tarifvertrag oder Betriebsrat sind wieder einmal Frauen überproportional belastet.“, warnt Doll.
Generell erleben Erwerbstätige ihre Lage angesichts der Pandemie noch deutlich häufiger als belastend, wenn sie Kinder unter 14 Jahren haben. 48 Prozent der Eltern in Paarbeziehungen bewerten ihre Gesamtsituation als „äußerst“ oder „sehr belastend“. Unter den Alleinerziehenden sind es knapp 52 Prozent – gegenüber knapp 39 Prozent unter den Befragten ohne Kinder bis maximal 14 Jahre. Wenn Eltern in Zeiten geschlossener Kitas und Schulen einspringen müssen, tragen Mütter die Hauptlast. Der Auswertung zufolge haben in Haushalten mit mindestens einem Kind unter 14 Jahren 27 Prozent der Frauen, aber nur 16 Prozent der Männer ihre Arbeitszeit reduziert, um die Kinderbetreuung zu gewährleisten – also ein Unterschied von 11 Prozentpunkten. Bei Haushalten mit geringerem oder mittlerem Einkommen fällt die Diskrepanz größer aus (rund 12 bzw. 14 Prozentpunkte).
„Das spricht dafür, dass finanzielle Überlegungen bei der Entscheidungen, wer von den Eltern Arbeitszeit reduziert, eine wichtige Rolle spielt. Familien mit wenig Geld könnten es sich häufig nicht leisten, auf das – meist höhere – Gehalt des Mannes zu verzichten. Paare, die sich so verhalten, handeln individuell unter dem Druck der Krisensituation kurzfristig oft rational. Sie sehen ja derzeit keine Alternative“, sagt Doll. Der DGB-Chef warnt aber vor langfristigen Gefahren für die Erwerbsverläufe von Frauen. Da die ökonomischen Folgen der Krise noch länger spürbar sein werden, könnte eine Rückkehr zur vorherigen Arbeitszeit unter Umständen nicht möglich sein. Somit drohten auf längere Sicht drastische Folgen für das Erwerbseinkommen von Frauen: Die bestehende Lohnlücke zwischen den Geschlechtern dürfte sich dann durch die Coronakrise noch weiter vergrößern.
Aus den Daten lasse sich ableiten, dass Eltern mit geringerem Einkommen von der Krise noch stärker betroffen sind. Denn erstens müssen sie ihre Arbeitszeit häufiger reduzieren, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Doll führt das unter anderem darauf zurück, dass Geringverdienende seltener die Gelegenheit haben dürften, im Homeoffice zu arbeiten. Zweitens ist bei Beschäftigten mit kleineren oder mittleren Einkommen Kurzarbeit häufiger. „Damit müssen also insbesondere jene Haushalte finanzielle Einbußen hinnehmen, die davor schon am unteren Ende der Einkommensverteilung lagen. Das heißt: Die Ausfälle von Schulen und Kitas könnten bestehende Einkommensungleichheiten weiter verstärken. Das dürfen wir nicht hinnehmen“, sagt Stephan Doll.
Dieser Befund sei auch insofern besorgniserregend, als viele Beschäftigte ihre finanzielle Situation zurzeit als prekär wahrnehmen. Das gelte insbesondere bei Kurzarbeit, die zwar Beschäftigung sichert aber für die Betroffenen oft mit harten finanziellen Einbußen verbunden ist. Unabhängig von ihrer aktuellen Arbeitssituation schätzen etwa 32 Prozent aller Befragten, bei Kurzarbeit Null mit dem zum Zeitpunkt der Befragung gesetzlich vorgesehenen Kurzarbeitergeld von maximal 67 Prozent ohne Aufstockung höchstens drei Monate auskommen zu können. „Das zeigt, dass die von der Bundesregierung beschlossene Aufstockung des Kurzarbeitergeldes bei längerem Bezug ein Fortschritt ist. Allerdings ist fraglich, ob dieser Schritt insbesondere im Niedriglohnbereich ausreicht. Besser stehen Beschäftigte da, bei denen der Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld aufstocken .Hier haben Tarifbeschäftigte einen klaren Vorteil. Befragte, die in einem tarifgebundenen Unternehmen arbeiten, erhalten zu 45 Prozent eine Aufstockung, die übrigen Befragten nur zu 19 Prozent. Tarifbindung bringt den Kolleginnen und Kollegen also bares Geld“, sagt Stephan Doll.
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