Aus der Gaustadter Leserpost: Mobilität nicht nur neu gestalten, sondern lieber kluge Gewerbeansiedlungspolitik

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Sehr geehrte Damen und Herren!

Schon vor der Coronakrise war offenbar geworden, daß die starke, politisch offenkundig gewollte Abhängigkeit der Stadt und der Region Bamberg von der Autozulieferindustrie eine gefährliche Schwachstelle bildet. Konjunkturelle Einbrüche gefährden ebenso wie langfristige Entwicklungen eines wenig zukunftsfähigen Mobilitätssystems. Obgleich ein ökologisch ausgerichtetes Verkehrskonzept im Saldo mehr Arbeitsplätze böte, die zudem nicht leicht in Billiglohnländer mit geringen Sozial- und Umweltstandards zu verlagern wären, profitierte die hiesige Wirtschaft angesichts ihrer einseitigen Abhängigkeit kaum.

Fatal wäre dennoch, die starken Einbrüche, welche die vielfachen pandemiebedingten Einschränkungen mit sich bringen, durch Wiederbelebung und Verfestigung als falsch erkannter Strukturen kompensieren zu wollen. Hilfen der öffentlichen Hand müssen neben sozialer Abfederung der Konversion hin zu umwelt- und gesundheitsverträglichen Konzepten dienen. Im Bereich der Mobilität sind die seit Jahren bekannten Mängel des Bamberger Stadtbusnetzes zu beheben. Die Erschließung des Landkreises mittels öffentlicher Verkehrsmittel verdient diese Bezeichnung nicht einmal – und die Verknüpfung beider Netze erscheint bislang kaum ernsthaft angedacht. Der Umweltverbund, die intelligente Vernetzung von Gehen, Radfahren, Bahn und Bus, existiert in den Köpfen der verantwortlichen Entscheidungsträger gar nicht. Nicht zuletzt benötigen Fußgänger und Radfahrer deutlich mehr Raum, so daß sie sich sicher in attraktivem Umfeld bewegen können (siehe auch www.vcd.org/service/presse/pressemitteilungen/vcd-positionspapier-so-klappt-der-neustart-in-die-gruene-mobilitaet/ und www.fuss-ev.de/mobilitaet/starker-fussverkehr!).

Mitnichten reicht es aus, nur die Antriebsart im motorisierten Individualverkehr zu wechseln. Die meisten Negativfolgen des Verkehrs blieben erhalten. Der hohe Energieverbrauch zeitigt auch bei regenerativen Quellen spürbare ökologische Auswirkungen. Problematisch erscheint zudem die bei Verkehrsplanern nach wie vor beliebte Verdrängung des Radverkehrs in den Seitenraum. Sie provoziert Unfälle an Zufahrten und Kreuzungen, da die Radlerspur nicht im Aufmerksamkeitsbereich der Kraftfahrer liegt. Und sie verleitet zum hautengen Passieren, da in der Regel kein seitlicher Sicherheitsraum markiert wird.

Bamberg und die Region täten gut daran, Mobilität nicht nur neu zu denken und zu gestalten, sondern sich überdies um die Ansiedlung entsprechender Unternehmen und Büros an Stelle flächenintensiver Lkw-Umschlagplätze und Autohäuser zu bemühen.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig