BN Bayern kritisiert Gifteinsätze gegen Schmetterlinge

Giftdusche mit Hubschrauber auf nordbayerische Eichenwälder

Der BUND Naturschutz in Bayern (BN) kritisiert massiv, dass die Forstverwaltung in den nächsten Wochen zum wiederholtem Male in den letzten Jahren Eichenwälder in Nordbayern mit einem Pestizid vergiftet. Hintergrund ist eine Vermehrung des Schwammspinners.

„Wir sind erschüttert, dass sich die Begiftungsflächen gegenüber 2019 auf 3000 Hektar etwa verdoppelt haben“, so Landesvorsitzender Richard Mergner. „Wir appellieren an Ministerpräsident Markus Söder, die Giftdusche in den Wäldern zu stoppen, wenn er das Insektensterben eindämmen will.“

„Derartige Vergiftungen der artenreichen Eichenwälder sind in Zeiten des Insektensterbens nicht mehr zeitgemäß“, kritisiert Martin Geilhufe, Landesbeauftragter des BN. „Das Pestizid Mimic (Wirkstoff Tebufenozid) wird flächig mit dem Hubschrauber versprüht. Betroffen sind sogar Schutzgebiete, in denen Arten eigentlich geschützt werden sollten.“

„Wir kritisieren die Forstverwaltung, weil sie den Eindruck erweckt, den betroffenen Eichenwäldern drohe durch den Fraß der Schwammspinnerraupen eine bestandsbedrohende Gefahr, sozusagen der Exitus“, so Ralf Straußberger, BN-Waldreferent. „Obwohl es in den letzten Jahren öfter Kahlfraß gab, konnte die Forstverwaltung nicht belegen, dass betroffene Waldbereiche abgestorben sind. Damit fehlt die Grundvoraussetzung für einen derartigen Gifteinsatz.“

 

Waldbesitzer für Schutz der Artenvielfalt fördern

„Auch wenn wir nachvollziehen können, dass sich Waldbesitzer um ihren Wald sorgen, bedauern wir deren Entscheidungen ihre Wälder vergiften zu lassen“, so Geilhufe. „Umso mehr begrüßen wir es, dass es auch Waldbesitzer und Kommunen gibt, die sich gegen eine Begiftung ihrer Wälder aussprechen.“ Zudem hält es der BN für einen Skandal, dass der Freistaat Bayern sämtliche Kosten des aufwendigen Bekämpfungsverfahrens zu 100 Prozent übernimmt. „Wir würden vielmehr eine klare Aussage der Staatsregierung wünschen, dass sie Waldbesitzer finanziell unterstützt, wenn diese zum Schutz der Artenvielfalt auf Gifteinsätze verzichten und es zum Ausfall einzelner Bäume kommt“, so Mergner.

 

Drohendes Insektensterben in artenreichen Eichenwäldern

Das Pestizid Mimic trifft alle frei fressenden Insektenarten, die sich von Blättern der vorhandenen Bäume, Sträucher, Gräser und Kräuter ernähren, die mit dem Fraßgift benetzt werden. Damit wirkt Mimic nicht selektiv nur auf Schwammspinnerraupen. Mit diesem Insektensterben verlieren auch viele Fledermaus- und Vogelarten sowie andere Insektenarten wie der Großer Puppenräuber wesentliche Teile ihre Nahrungsgrundlage. Wegen der Vielfalt an Insekten, Fledermaus- und Vogelarten stehen viele Eichenwälder unter Schutz. Die Eiche weist von allem Baumarten den mit Abstand höchsten natürlichen Insektenreichtum auf. Vor allem bei pflanzenfressenden Gliederfüßler-Arten ist die Vielfalt enorm: 305 Schmetterlingsarten, 208 Käferarten, 45 Gallwespen, 39 Wanzen, u.a.m.. Insgesamt sind es in Deutschland 699 Arten[1], die durch ein Fraßgift wie Mimic besonders bedroht sein können.

BN kritisiert Verfahrensmängel

Der BN kritisiert, dass die nach europäischen und nationalen Naturschutzgesetzen und –vorgaben erforderlichen Erfassungen von Schmetterlingen, Fledermäusen und Vögeln nicht wie vorgeschrieben für die Einzelflächen durchgeführt wurden. So hat die Forstverwaltung in einer Antwort auf eine Anfrage aus dem Landtag[2] zwar im Jahr 2018 bestätigt, dass grundsätzlich Gebiete mit bekanntem Vorkommen gefährdeter Schmetterlinge vom Insektizideinsatz ausgenommen werden sollen. Die betroffenen Gebiete werden aber nicht hinreichend untersucht, ob schützenswerte und gefährdete Arten vorkommen.

„Wir kritisieren, dass die Forstverwaltung nicht belegen kann, dass die flächigen Gifteinsätze notwendig sind, um die Eichenwälder in ihrer Substanz zu erhalten“, so Straußberger. Der Fraß durch die Schwammspinnerraupen kann zwar auch zum Kahlfraß führen. Da die Eichen aber im Sommer i.d.R. einen Johannistrieb ausbilden, d.h. wieder austreiben, kommt es bei einem reinen Schwammspinnerfraß allenfalls zum Ausfall einzelner Bäume. Die „vermutete“ Bestandsgefährdung ist nicht belegt bzw. das Risiko minimal. Damit entfällt nach BN-Auffassung die rechtliche Grundlage für einen derartigen Pestizideinsatz.

[1] Brunk, I., Sobczyk, T. & Lorenz J. (2017): Schutz des Naturhaushaltes vor den Auswirkungen der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln aus der Luft in Wäldern und im Weinbau; Umweltbundesamt Texte 21/2017, 250 S.

2 Antwort Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf Anfrage MdL Ganserer, Grüne vom 01.02.2018