Sonntagsgedanken: Wir ziehen hinauf nach Jerusalem

Symbolbild Religion

Evangelium nach Lukas Kap. 18 V. 31 – 43, Teil I

Pfarrer Dr. Christian Fuchs

Pfarrer Dr. Christian Fuchs

Der französische Dichter Lafontaine erzählt uns folgende Fabel: Ein Vogel lag auf dem Rücken die Beine starr nach oben gestreckt. „Was machst Du da?“ fragte ihn erstaunt ein Artgenosse. „Ich trage mit meinen Beinen den Himmel. Wenn ich wegfliege, stürzt das Firmament ein!“ Während er noch sprach, glitt vom nahen Baum ein Blatt leise raschelnd zu Boden. Darüber erschrak der liegende Vogel so sehr, dass er aufsprang und davonflog. Der Himmel aber steht noch heute.

Die Moral von der Geschicht lautet also: „Nimm Dich selbst nicht so wichtig!“

Diese Weisheit bejaen wir theoretisch, aber vor allem dann, wenn es darum geht, andere zurechtzuweisen. Auch die Jünger aus unserem Bibeltext dachten so, als sie auf ihrer Reise nach Jerusalem durch einen Ort kamen, wo ein Bettler sie schreiend, flehend verfolgte. Anders als der Evangelist Markus verschweigt uns Lukas den Namen dieses Unglücklichen. Auch bei uns wird viel totgeschwiegen oder schlicht übersehen. Wir sind meistens ganz mit uns selbst beschäftigt und nehmen darüber hinaus nur am Rande wahr, was in der Zeitung steht, was über die Mattscheibe flimmert, wie es unseren Mitmenschen wirklich geht.

Mancher schämt sich wohl auch, seine finanzielle, seelische, familiäre Not zu offenbaren, die ja oft mehr belastet als körperliche Gebrechen. Da leidet jemand unter Depressionen. Die Nachbarn dürfen aber nichts davon erfahren, sollen ihn nur für etwas verschroben halten. Da regieren Alkohol und Brutalität in einer Familie, da machen sich Mann und Frau, Eltern und Kinder das Leben zur Hölle, aber nichts davon darf nach draußen dringen, damit die „Leute“ nicht darüber tratschen. Da lebt man finanziell über seine Verhältnisse, kauft sich vielleicht ein Auto, das man sich gar nicht leisten kann, nur um mithalten zu können, um keine bedauernden, herablassenden Blicke vonseiten der Arbeitskollegen zu ernten. So setzen wir uns, die wir doch so stolz auf unsere Freiheit sind, selbst am meisten unter Druck.

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Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de

Infos zu Christian Karl Fuchs:

  • geb. 04.01.66 in Neustadt/Aisch
  • Studium der evang. Theologie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
  • Vikariat in Schornweissach-Vestenbergsgreuth 1993 – 1996
  • Promotion zum Dr. theol. 1995
  • Ordination zum ev. Pfarrer 1996
  • Dienst in Nürnberg/St. Johannis 1996 – 1999
  • seither in Neustadt/Aisch
  • blind