SPD-Urgestein „Münte“ bei BamLit: „Älter werden ist die Lösung!“

Franz Müntefering. Foto: Thomas Pregl

Franz Müntefering. Foto: Thomas Pregl

Wie alt müssen eigentlich politische Urgesteine sein, um als Urgestein bezeichnet zu werden? 60 Jahre? 70 Jahre? Franz Müntefering hat Politik gemacht. Als Minister, als Vizekanzler und als SPD-Chef. Und er ist jetzt 80. Also: Zeit sich zurückzuziehen. Ab auf´s Altenteil! Noch einmal Glückwünsche und wohlfeile Urgesteinsreden über sich ergehen lassen. Und gut ist! Nein, „Münte“ ist weiter unterwegs. Er will älter werden in dieser Zeit. Und der Sauerländer findet, wie er bei seiner BamLit-Lesung in der ausverkauften Mensa des Hallstadter Arzneiherstellers Dr. Pfleger ausführte, gute Gründe dafür, noch ein paar Jährchen dranzuhängen. Der wichtigste: „Älter werden ist nicht nur ein Problem, sondern ist die Lösung!“

Menschen wie „Münte“ sind seltene, manchmal seltsame Typen, knorrige Originale, fast ausgestorbene Polit-Dinos. Und gerade weil sie das sind, faszinieren sie die Menschen immer noch. „Wir hätten die Veranstaltung zwei- bis dreimal verkaufen können“, moderierte BamLit-Manager Klaus Stieringer seinen nicht in Vergessenheit geratenen Parteigenossen an. Dass Müntefering überhaupt bei den Bamberger Literaturtagen auftrat, erinnerte ein wenig an ein altes Bonmot von Konrad Adenauer: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“. Denn die Galionsgfigur der Sozialdemokraten brach einen Schwur. „Ich schreibe nie ein Buch. Ich halte nichts von diesen psychopathologischen Bemühungen, alles aufzuschreiben und aufzuarbeiten“, hatte er seiner Partei versprochen. Er tat es denn doch. „Unterwegs: Älterwerden in dieser Zeit“ heißt sein persönlicher Tabubruch.

Das Zittern vor der spitzen Feder ihres Altsozis, der 224 Seiten auf seiner alten Schreibmaschine getippt haben will, löste sich innerhalb der SPD in Wohlgefallen auf. Denn „Münte“ holte nicht zum Rundumschlag aus, rechnete nicht mit denen ab, für die Steigerung von Feind Parteifreund ist. Erstaunlich milde lässt der Buch-Rookie die Zeit mit Willy Brandt oder Gerhard Schröder passieren, lediglich Oskar Lafontaine bekommt eine linke Gerade ab, denn ihn macht er verantwortlich für die Wahlniederlage von 2005: „Ohne seine Grätsche hätten wir mit Gerhard Schröder noch ein gutes Jahrzehnt soziale und demokratische Politik machen können.“

Diese politischen Kapitel in seiner Vita berührte das Urgestein bei seiner Lesung, die im Grunde genommen eher ein Vortrag mit knappen, geschliffenen und unpathetischen Sätzen war, nur am Rande. An diesem Abend ging es ihm vor allem ums Alter. Steilvorlagen, mit seinem Alter zu kokettieren, lehnt er ab. Auf die ihm häufig gestellte Frage, wie alt er sich denn nun fühle, antwortet er trocken: „Wie 80. Ich verlasse mich da auf mein Wissen!“

Ja, sind es nun Alterweisheiten oder Lebensweisheiten? Oder sogar beides? Wie geht man mit dem Alter, seinem Alter um? „Das Wichtigste ist, soziale Kontakte zu organisieren“, meint Müntefering. Man solle sich zu „Erzählcafés“ treffen, persönliche wichtige Dinge mitteilen, sich aussprechen, Wissen weitergeben. Und er beschwört dafür seine 3 L´s für ein gutes Älterwerden: „Laufen, lernen und lehren.“ Denn: „Bewegung ernährt das Gehirn!“ Für ältere Menschen gebe es ein „Essen auf Rädern“, aber besser sei es, mit Rädern zum Essen mit Anderen zu fahren.

„Das Buch ist Gesellschaftspolitik“, sagtr Müntefering. Und er will sich auch weiter einmischen, das wurde an diesem Abend deutlich. Zwar nicht als aktiver Politiker, wohl aber als Mahner, Analyst und Ratgeber. Der Traum nach dem Zusammenbruch des Kommunismus an die eine Welt, die bessere Welt, ohne Kriege und Bedrohungen sei gescheitert, er „zerbrösele“ immer mehr in Nationalismen. Und die „Fridays for futures“-Bewegung respektiert er, er rede mit den jungen Leuten. Aber er hält auch ihnen auch vor: „Wenn ihr wirklich etwas erreichen wollt, dann geht in die Parteien oder gründet eine eigene Partei.“

Ganz am Ende blitzte sein Sauerländer-Humor auf, als er eine Szene aus der Comic-Serie „Peanuts“ zitierte. Charlie Brown: „Eines Tages werden wir alle sterben, Snoopy.“ Darauf der Hund: „Stimmt. Aber an all´ den anderen Tagen nicht!“

Thomas Pregl