7. Oberfränkischer Personal- und Praxistag mit Impuls zu nachhaltigem Personalwesen
Grüne Personalpolitik: keine Frage des Zeitgeistes
Praxisbeispiele aus der Region zu nachhaltigen Ansätzen und Teilqualifizierungen
Die Klimaschutzdebatten des vergangenen Jahres haben Nachhaltigkeit zu einem gesellschaftlichen Megatrend gemacht, der jetzt auch in die Wirtschaft ausstrahlt. „Wenn in Davos (Anm.: beim Weltwirtschaftsforum) die führenden Köpfe aus Politik und Wirtschaft über Klimapolitik sprechen, dann hat diese eine neue Relevanz“, führte Prof. Dr. Torsten Kühlmann, Präsident des BF/M-Bayreuth, in den 7. Oberfränkischen Personal- und Praxistag (OPPT) ein. Entsprechend intensiv befassten sich die über 50 Personalverantwortlichen, Geschäftsführer und Betriebsinhaber aus Handel, Handwerk und Industrie bei der gemeinsamen Veranstaltung des BF/M-Bayreuth, des Vereins Personet, der IHK für Oberfranken Bayreuth und der HWK für Oberfranken mit dem Impuls zu einem grünen Personalwesen. Für die Handwerkskammer, die den OPPT als neuer Partner und Mitveranstalter erstmals ausrichtete, quasi ein Heimspiel, wie HWK-Geschäftsführer Dr. Bernd Sauer in seiner Begrüßung deutlich machte. Die HWK hat 2020 unter dem #Werte.Schaffen.Zukunft der Nachhaltigkeit gewidmet.
Dagmar Keis-Lechner hat Erfahrung als Unternehmensberaterin und ist heute Vizepräsidentin des Bezirkstags von Oberfranken. Als grüne Politikerin schuf sie beim OPPT die thematische Grundlage dafür, weshalb es ein Umdenken in der Wirtschaft und damit auch in der Personalpolitik braucht. Und das auch vor Ort in jedem einzelnen Unternehmen Veränderungen bedarf. Denn: „Die Folgen des Klimawandels sehen wir nicht nur in Bränden oder Überschwemmungen irgendwo, sondern auch im Bezirk. Zum Beispiel gibt es hier inzwischen wirklich große Probleme im Fischereiwesen.“ Die Anforderungen an eine künftige nachhaltige Wirtschaft würden alle Bereiche berühren – von der Produktion und dem Transport, über die Produktion von Nahrungsmitteln bis zur Personalpolitik.“ Für Keis-Lechner ist demnach klar. „Wir werden einen fundamentalen Wandel der Arbeit erfahren – sie wird digitaler, mobiler, vernetzter und grüner sein.“ Dieser Wandel, das machte auch der ausrichtende und durch den Praxistag führende Geschäftsführer des Vereins Personet Manuel Wolz in seiner Begrüßung deutlich, gelinge nicht, ohne die Mitarbeiter mitzunehmen.
Die Baur GmbH & Co.KG aus Burkunstadt ist diesen Weg bereits ein Stück weit gegangen. „Unsere Nachhaltigkeitsstrategie „Verantwortung für heute und morgen“ ist wesentlicher Bestandteil der Vision der Baur-Gruppe“, erklärte der Bereichsleiter Informationsmanagement/Bau und Technik bei Baur, Erhard Ströhl. Teil der CR (Corporate Responsibility) wiederum ist eine Strategie für Mitarbeiterzufriedenheit. „Bei der Umsetzung orientieren wir uns an einem Leitsatz des Neurologen und Buchautors Gerald Hüther“, erklärte Ströhl. „Dieser sagt: Mitarbeiter brauchen einen tieferen Sinn, keinen Kickertisch.“ Entsprechend fördert Baur das ehrenamtliche Engagement der Mitarbeiter und mit dem #embaurment den hausinternen Kulturwandel. „Wir wollen weg von einer distanzierten Arbeit zu einer Teamarbeit, weg von Führung durch Präsenz, sondern durch Leistung. Unsere Führungskräfte müssen unserer Überzeugung nach außerdem dem Mitarbeiter dienen, nicht umgekehrt.“
Digitalisierung für den Wandel nutzen
Wie Mitarbeiter mit „grünen“ Unternehmensleitlinien verknüpft werden können, zeigte Georg Weich, Leiter des Fuhrparkmanagements bei der Bayernwerk Netz GmbH, exemplarisch auf. Er wurde 2017 vor die Aufgabe gestellt, alle rund 1300 Firmen- und Service-Fahrzeuge bis 2025 auf elektrischen Antrieb umzustellen. „Wir sind mit insgesamt 87 E-Fahrzeugen noch weit von unserem Ziel entfernt. Aber wir haben eine Strategie entwickelt, mit deren Hilfe wir sukzessive vorankommen.“ Daneben wird parallel die Nutzung der vorhandenen E-Fahrzeuge kontinuierlich erhöht, auch durch technische Vorgaben. „Wir haben beispielsweise die Poolwagenbuchung umgestellt. Früher konnte sich der Mitarbeiter einen Wagen aussuchen. Heute bekommt er berechnet, welches Fahrzeug sich für seine Strecke am besten eignet. E-Fahrzeuge haben dabei absoluten Vorrang.“ Um die Akzeptanz von E-Fahrzeugen generell weiter zu steigern, hat Bayernwerk zudem Corporate Carsharing getestet. „Unsere Mitarbeiter können sich ein E-Fahrzeug steuerfrei für eine bestimmte Zeit ausleihen und dieses damit testen.“ Der Clou an diesem Service sind die Fahrzeugmodelle. Dabei fahren die Mitarbeiter zum Beispiel einen Jaguar iPace oder Audi etron. Georg Weich: „Das hat dazu geführt, dass das Interesse an allen E-Fahrzeugmodellen deutlich gestiegen ist.“
Weitere Schwerpunkte: Fachkräftezuwanderungsgesetz und Qualifizierungschancengesetz
Neben den Impulsen für eine nachhaltigere Ausrichtung des Personalwesens standen beim OPPT 2020 noch die neuen Bestimmungen des Fachkräftezuwanderungsgesetzes und des Qualifizierungschancengesetzes im Mittelpunkt. Referentin Marlene Thiele, Projektleiterin des Netzwerks Unternehmen integrieren Flüchtlinge, wies auf deutliche Verbesserungen im Gesetz hin, aber auch auf die Hürden. „Gut ist, dass beruflich qualifizierte Fachkräfte jetzt bei den Voraussetzungen Akademikern gleichgestellt sind.“ Fachkräfte aus dem Ausland dürfen also zur Arbeitsplatzsuche einreisen – wenn der Berufsabschluss anerkannt ist, Deutschkenntnisse nachgewiesen werden und für den Visumszeitraum (6 Monate) der Lebensunterhalt gesichert ist. „Damit sehen Sie auch gleich: die Hürden sind sehr hoch gesetzt.“ Diese werden noch höher, wenn es um Fachkräfte aus dem Ausland geht, die einen Ausbildungsplatz suchen und auch bei Migranten, die als Geflüchtete bereits in Deutschland sind.
Einen Stab für die Nutzung der Möglichkeiten innerhalb des Qualifizierungschancengesetzes brach Stefanie Hofstetter-Seyß, die bei Kyocera Fine Ceramics Precision GmbH Personalleiterin ist. Das Unternehmen stand vor der Herausforderung, in kurzer Zeit sehr speziell qualifizierte CNCFachkräfte zu benötigen. „Wir haben uns dazu entschlossen, neben allen weiteren Maßnahmen in Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit und einem Bildungsträger eine 15 Monate umfassende Teilqualifizierung ungelernter Kräfte anzubieten.“ Diese Teilqualifizierung steht nun im ersten Durchlauf vor dem Abschluss, die Erfahrungen seien durchwegs positiv. „Der administrative Aufwand war zwar sehr hoch, auch wegen der Förderbedingungen.“ Und auch die Anstrengungen, die eine Integration dieser neuen Kräfte in die Stammbelegschaft bedeutet, dürfe nicht unterschätzt werden. „Insgesamt aber können wir das Fazit ziehen: es lohnt sich. Wir haben jetzt motivierte Mitarbeiter, die im Unternehmen schon akzeptiert sind und auch bereits eine hohe Verbundenheit zeigen. Daher werden wir im Herbst 2020 die nächste Teilqualifizierung starten.“
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