Waffenabend der Freunde der Plassenburg: Beweglichkeit im Kampf trotz Plattenpanzer
Daniel Burger zeigt Rüstungen bei Freunden der Plassenburg – Viele Beispiele aus Franken
Ein großes Publikum zog es am vergangenen Freitagabend in den Vortragssaal des Bayerischen Brauereimuseums wo einmal nicht das Bier, sondern Rüstungen des späten Mittelalters und der Renaissance im Mittelpunkt standen. Auf Einladung der Freunde der Plassenburg führte Dr. Daniel Burger, Historiker und Archivar am Staatsarchiv in Nürnberg und ausgewiesener Rüstungsexperte, durch drei Jahrhunderte Waffen- und Handwerkstechnik und räumte mit zahlreichen Mythen und falschen Vorstellungen in Bezug auf Ritter und deren Kampfesweise auf. Burger hat seit Jahrzehnten ein enges Verhältnis zum Verein und zum Kulmbacher Wahrzeichen über das er mehrfach publiziert hat.
In der ersten Hälfte des Abends erläuterte der Historiker anhand zahlreicher Fotografien die Entstehung und stete Verbesserung des Plattenpanzers, der für viele Menschen der Inbegriff des ritterlichen Kampfanzug ist. „Für die Zeit des Hohen Mittelalters, vor allem für das elfte und zwölfte Jahrhundert finden sich nur extrem wenige erhalten Rüstungsteile“ bedauerte der Historiker. Man müsse auf schriftliche und bildliche Quellen zurückgreifen, wie etwa den berühmten Teppich von Bayeux auf dem angelsächsische und normannische Krieger in Kettenhemden und mit so genannten Nasalhelmen dargestellt sind. „Das Kettenhemd blieb für Jahrhunderte wichtiger Ausrüstungsteil, doch große Panzerplatten gab es damals noch nicht“. In Folge geänderter Kampftechniken mit immer mehr Kopfverletzungen entstand der Topfhelm, der seinen Träger unkenntlich machte und dazu führte, dass Kennzeichen eingeführt wurden, wie prachtvolle Helmzieren und farbige Wappen. „Auch hier gilt, dass es nur extrem wenige erhaltene Exemplare des 13. und 14. Jahrhunderts gibt.
Der bedeutendste Fund aus dieser Zeit dürfte der Topfhelm eines Ritters von Kornburg von etwa 1370 sein, der im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg aufbewahrt wird“. Topfhelme waren sicher, behinderten aber die Sicht des Trägers und wurden meist über kleineren Innenhelmen getragen und im Nahkampf auf den Rücken geworfen, wo sie von Fangketten gehalten wurden.
Da bis in das 15. Jahrhundert vollständig erhaltene Rüstungen fehlen, griff Burger bei seinen Forschungen auf zumeist steinerne und gemalte Grabdenkmale zurück, von denen eine Vielzahl den Toten in Rüstung zeigen. „Diese Darstellungen sind bemerkenswert realistisch und genau, in einigen Fällen kann man nachweisen, dass der Künstler wohl sehr exakt nach einem Vorbild gearbeitet hat, er hat die Rüstung also jeweils gesehen“. Gerade in Franken gibt es eine Vielzahl von Rüstungsdarstellungen auf Grabdenkmalen, teilweise lebensgroße, die wertvolle Hinweise auf die Zusammensetzung, Tragweise und das Aussehen der Schutzkleidung geben. „Da Grabdenkmale meist datiert sind, können wir hier auch gut die Entwicklung der Rüstungstechnik nachvollziehen“. In Ansbach in der St. Gumbertuskirche zeigen Steinmetzarbeiten die Ritter des Schwanenordens, die im Dienste der Markgrafen standen, mit aufwändigen Plattenharnischen des 15. Jahrhunderts. Als grandios bezeichnete der 48-jährige die Grabplatte des Grafen Ottos VII. aus der Klosterkirche in Himmelkron, die detailreich eine Rüstung des 14. Jahrhunderts zeigt. „Hier verlässt sich der Graf nicht mehr nur auf ein Kettenhemd, der Schutz wird durch eine Brustplatte und Spangen an Armen und Beinen verbessert. Der Bildhauer hat feingliedrige Fangketten in Stein gestaltet, deren eines Ende am Brustpanzer befestigt sind und zu Helm, Dolch und Schwert führten und ein Verlieren während des Kampfes verindern sollten. Überrascht waren die Zuhörer, als Burger aufzeigte, dass die Himmelkroner Grabplatte beschädigt sein muss: „Es fehlt in der oberen rechten Hälfte der Topfhelm und seine Helmzier, zu dem eine der Fangketten geführt haben muss.“ Bis vor wenigen Jahren gab es keine erhaltene Rüstung wie die des Orlamünders, doch vor Kurzem wurde in Niederbayern ein nahezu gleich aussehender Oberkörperpanzer gefunden. „Selbst die Ösen für die Fangketten sind genau wie beim Grabmal Ottos VII. erhalten“.
Für Markgraf Albrecht Achilles und seinen später auf der Plassenburg inhaftierten Sohn Markgraf Friedrich sind sogar völlig vergoldete Rüstungen bildlich überliefert. Eine solche wurde jüngst für das Museum auf der Cadolzburg bei Nürnberg rekonstruiert.
Die prachtvollsten und wichtigsten Rüstungssammlungen der Welt finden sich laut Burger in Wien, Madrid, London, Nürnberg, New York, Dresden sowie in Coburg. Die weltweit größte private Rüstungssammlung beherbergt die Churburg in Südtirol. Der Verlust vieler tausender Rüstungen durch Recycling der Metalle aus den Zeughäusern wie in Nürnberg im 17. und 18. Jahrhundert habe dazu geführt, dass man lange Zeit glaubte, diese seien einer exklusiven kleinen Elite vorbehalten gewesen, doch tatsächlich konnten sich auch Stadtbürger und wohlhabende Bauern einfache Varianten leisten. „Einen eisernen Helm, eine Brustplatte sowie Handschuhe hatte fast jeder Nürnberger Bürger. Die erhaltenen Prunkrüstungen allerdings konnten sich nur reiche Patrizier oder Adelige leisten“, so Burger.
Ab dem 15. Jahrhundert leisten sich Wohlhabende gerne zwei unterschiedliche Rüstungsarten für den Kampf und für das Turnier, also den ritterlichen Sport. Die Legende, dass die Ritter unbeweglich waren, dürfte von diesen Sportversionen des Ritterturniers im späten 15. bis Anfang 17. Jhdts. stammen, die laut Burger durchaus Gewichte von über 50 kg hatten und die aus Sicherheitsgründen auch über eine eingeschränkte Beweglichkeit verfügten.
Kampfharnische hingegen waren viel leichter, direkt eng an den Körper des Trägers angepasst und boten einen Kompromiss aus Beweglichkeit und Schutz. „Der berühmteste Rüstungsnarr war Kaiser Maximilian I., der selbst sehr sportlich, eine Reihe von Panzerungen der unterschiedlichsten Art für die verschiedensten Kampf- und Turnierweisen anfertigen ließ und dabei die Plattner, wie die Rüstungshersteller hießen, zu immer neuen Höchstleistungen und Erfindungen anspornte“. In seiner Zeit um 1500 waren die bedeutensten Rüstunsgschmieden in Mailand, Nürnberg, Augsburg und Innsbruck. Die Stücke wurden Europa weit gehandelt.
Ein Raunen ging durch den Saal, als Burger die Rüstungsgarnitur von Markgraf Gerog Friedrich von Brandenburg Ansbach und -Kulmbach vorstellte, die sich heute im Deutschen historischen Museum in Berlin befindet. Diese hatte er beim Nürnberger Plattner Wilhelm von Worms in Auftrag gegeben. „Für alle Gelegenheiten des Kampfes und des Turniers waren hier Einzelteile angefertigt worden, die je nach Anlass kombiniert werden konnten“. Von der Rüstung des Markgrafen, der die Plassenburg ab 1557 wieder aufbauen ließ, sind fein verzierte un teilvergoldete Helme, Lanzenscheiben, Handschuhe sowie der prachtvoll Geätzte und teilvergoldete Kürass erhalten.
In der zweiten Hälfte des Abends konnte sich der Vorsitzender der Freunde der Plassenburg Peter Weith als Schildknappe beweisen und dem Referenten dabei helfen, in eine etwa 25 Kilogramm schwere gotische Rüstung der Zeit um 1470 zu steigen. „Ganz alleine geht das nicht und ein Alarmstart in den Kampf war unmöglich“, gab Burger zu bedenken. Ziemlich fast 30 Minuten dauerte auf der Bühne das Anlegen des stählernen Beinzeugs, des Kürasses, der aus Brust und Rückenplatten besteht, dann des Armzeugs, der Kampfhandschuhe, des stählernen Bartes, der den Hals schützt und schließlich der Schaller, eines typisch deutschen Helmes der Gotik. Weith musste die Einzelteile fest mit Nestelschnüren am Untergewand befestigen. Burger konnte nur das Beinzeug ohne Hilfe anlegen. „Die Rüstung ist auch mir auf den Leib geschneidert und liegt eng an, da merken sie jeden Knödel“. Er gab offen zu, Kaiser Maximilian zu beneiden, der nach Quellenlage und seinen erhaltenen Harnischen eine sportliche Figur gehabt hatte und körperbetonte Rüstungen trug, die seine schlanke Linie noch extra betonten. Etwa 12000 Euro hat er bereits für diesen Harnisch ausgegeben.
Zum Beweis der Beweglichkeit kniete und hüpfte der Historiker im Stahlkleid vor dem Publikum herum. Die Schutzwirkung demonstrierte Peter Weith, der mit einem Schwert kräftig auf den Brustpanzer einschlagen durfte. Der Schweiß rann dem Referenten wie vor Jahrhunderten auch den Rittern in Strömen herunter. „Der Nahkampf in einem solchen Harnisch erschöpfte sich nicht im Fechten oder Schlagen mit Äxten oder Streitkolben, es wurde auch mit den Händen gerungen, wenn es hart auf hart kam“.
Die Anwesenden nahmen währenddessen fasziniert die einzelnen Teile der originalgetreu nachgearbeiteten Rüstung in die Hand, setzten sich die verschiedenen Helme auf und warfen sich Teile des Kettenzeugs über. Unerwartet weich fühlten sich die stählernen Handschuhe an, die innen von feinstem Leder gearbeitet waren. Kniekacheln, seitliche Schutzplatten an den Beinen schützten das empfindliche Gelenk zwischen Ober- und Unterschenkel. Viel Aufmerksamkeit zogen die runden Schwebscheiben auf sich, die vor den Achselhöhlen locker am Harnisch angebracht waren und vor Stichen in diesen Bereich schützen sollten: „Beim Laufen im Harnisch scheppert es immer – ein Anschleichen an den Feind können Sie damit vergessen“.
Geduldig beantwortete der Referent noch mehr als ein Dutzend Fragen aus dem Publikum, bevor er in voller Rüstung noch zum Autogrammeschreiben schritt und sein bei den Freunden der Plassenburg verlegte Doktorarbeit über die Landesfestungen der Hohenzollern signierte.
Holger Peilnsteiner
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