„Gerichte mit Geschichte“: Speichersdorfer Neubürger veröffentlichen Kochbuch
„Integration ist kein abgeschlossener Prozess. Es braucht tagtäglich immer wieder neue Anstrengungen und einen langen Atem“, so Dolores Longares Bäumler. Einen weiteren wichtigen Beitrag zur Integrationsarbeit leistet das jüngst präsentierte Buch des Sozialraumteams „Gerichte mit Geschichte“, das Kochgeschichten über Menschen mit ausländischen Wurzeln in Speichersdorf erzählt.
„Wer zusammen am Tisch sitzt, ist kein Fremder mehr“, heißt es im Vorwort des Büchleins, das im Zuge des Projekts Demokratie leben entstand. Es wurde von Ulrike Sommerer, Dolores Longares-Bäumler und Christian Porsch herausgegeben. Sie hatten auch ins katholische Pfarrheim eingeladen, um es der Öffentlichkeit vorzustellen. Hintergrund ist, dass es in der 5700 Einwohner zählenden Großgemeinde im Landkreis Bayreuth knapp 30 Nationen leben. Bereits nach dem Zweiten Weltkrieg waren Flüchtlinge und Vertriebene nach Kirchenlaibach und Speichersdorf gekommen. In den 60er Jahren kamen Gastarbeiter aus der Türkei hinzu. In den 90er Jahren Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion. Unter den vielen Nationalitäten finden sich auch US-Amerikaner, die im Dienst des US-Militärs auf dem Truppenübungsplatz in Grafenwöhr stehen, finden immer wieder vorübergehend eine neue Heimat in Speichersdorf. Vor allem für den seit den 90er Jahren erfolgreichen Integrationsprozess brauchte es, auch aufgrund immer wieder dramatischer Rückschläge, teils einen langen Atem. Wesentlichen Anteil hatte der Caritasverband, der seit 1993 vor Ort war und hauptamtlich die Integrationsarbeit übernommen hatte. „Integrationsarbeit ist ein wechselseitiger Prozess und bedarf vieler Unterstützer“, so Integrationsbeauftragte Dolores Longares Bäumler. Viele Ehrenamtliche und viele Vereine haben zu einer gelungenen Integration beitragen. So wurde 2003 das mittlerweile sechsmal organisiert Feste der Kulturen und der Jugendtreff ins Leben gerufen.
Einen wichtigen Beitrag unter allen Integrationsbemühungen, um vor allem aus den krisengeschüttelten 90er Jahren ein Miteinander werden zu lassen, leistete die von Longares Bäumler im Januar 2011 gegründete interkulturelle Kochgruppe. Interessierte Frauen aus verschiedenen Ländern wie Rumänien, China, Amerika, Honduras, Russland, Kasachstan, Marokko, Spanien, Polen und Türkei wollten Rezepte kochen, die aus anderen Ländern kommen. Positiver Nebeneffekt: Gemeinsames Kochen bringt Menschen zusammen und beim Kochen lernte man sich untereinander und gleichzeitig das Land des anderen mit all seinen Traditionen und Esskulturen kennen. „Wir haben schon 62-mal miteinander gekocht, und mittlerweile sind tiefe Freundschaften entstanden“, berichtete sie. Gegenseitige Hilfe und Unterstützung, wenn man sich braucht, seien selbstverständlich geworden. Unterstützt wurden auch verschiedene Feierlichkeiten und Feste.
Eine Errungenschaft der Kochgruppe war ein erstes „Kochbuch der Kulturen“, eine Rezeptesammlung in gebundener Form. Danach folgte im Jahr 2015 das Buch „Angekommen“ über die Speichersdorfer Familien mit ausländischen Wurzeln. Auch das jetzt erschienene, knapp fünfzig Seiten umfassende Büchlein „Gerichte mit Geschichte“ will beitragen, etwas über andere Länder und Kulturen zu erfahren. Dazu will das Kochbuch „Gerichte mit Geschichte“ anregen. Es erzählt Kochgeschichten über neun Menschen mit ausländischen Wurzeln in Speichersdorf. Ulrike Sommerer hat ausgewählte Lieblingsgerichte von neun Speichersdorfern mit Migrationshintergrund als Aufhänger genommen und dazu auch die Geschichten der Menschen hinter den Rezepten aufgeschrieben. So finden sich in dem Buch völlig verschiedene Lebensläufe und Schicksale skizziert. Gewürzt am Ende mit Rezepten aus deren Heimat, mit denen sich viele Erinnerungen verbinden, wie etwa an diesem Abend das Interview mit Ava Lex aus Honduras zeigte. Die Idee zu dem interkulturellen Kochbuch ist bereits kurz nach Weihnachten 2017 entstanden, wie Christian Porsch bei der Buchpräsentation im katholischen Pfarrheim erzählte. Die Umsetzung dauerte fast zwei Jahre. Er dankte allen Porträtierten für die Bereitschaft, Einblicke in ihre Küchen und ihr Leben gewährt zu haben.
Mit dabei ist auch die in Speichersdorf lebende gebürtige Kenianerin Anna Lehner mit dem Maisgericht Ugali, Ioana Motoc (Rumänien) mit dem Maismehlgericht mit geräucherten Würsten und Käse und Ali Semary (Ägypten) mit einem pikante Pfannkuchen die mit Rinderhack, Zwiebeln, Paprika, Tomaten und geriebenem Käse serviert werden. Ein Auberginenpüree steuerte die Familie ShaRabi, Thai-Curry mit Hähnchen Roland Scheurer und Aintha Longehin (Thailand), das Tilapia (Fisch-Filet) Ava Lex (Honduras) bei. Unter den zwölf porträtierten Speichersdorfern sind auch Bürgermeister Manfred Porsch (Karpfenfilets), Pfarrer Sven Grillmeier („Erdäpfel ganz und haaß“) und die Schwestern Waltraud Prischenk und Beatrix Riedel (Salatvariationen aus Oma´s Zeiten). Ein Rezept für Hähnchen nach syrischer Art findet sich von Familie ShaRabi und für Reis mit Hühnchen von Ksiri Saliha.
„Für mich ist Integration gelungen, wenn man darüber gar nicht mehr reden muss, sondern wenn Menschen respektvoll und ohne jegliches Vorurteil nebeneinander ohne Gewalt und Konflikte leben können“, so Longares Bäumler zum Abschluss. In Speichersdorf könne man ganz klar sagen, die Integration sei gelungen. „Wenn man die Welt kennenlernen will, muss man nach Speichersdorf kommen!“ Sicher gebe es immer wieder mal den ein oder anderen Streit oder sogar auch Straftat. Aber das habe nichts unbedingt mit den unterschiedlichen Herkunftsländern zu tun, meinte sie. Das finde sich auch unter Nachbarn, die deutsch sind und hier seit Kindheit leben und aufgewachsen seien.
Info: „Gerichte mit Geschichte“, herausgegeben von Ulrike Sommerer, Dolores Longares-Bäumler und Christian Porsch. Erhältlich für zehn Euro im Speichersdorfer Rathaus und beim Verlag Eckhard Bodner (Pressath). ISBN: 978-3-939247-62-3.
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