Schutzengel oder bester Freund? Neue Studie aus Bayreuth zur Interaktion von Menschen und künstlicher Intelligenz
Wie Menschen und künstliche Intelligenz (KI) in Zukunft miteinander umgehen können, analysiert eine neue Studie der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT an der Universität Bayreuth. Sie ist aus einer Kooperation mit der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) hervorgegangen. Im Rahmen einer Fachtagung des Münchner Kreises zum Thema „Künstliche Intelligenz und die Automation des Entscheidens“ wurden die Ergebnisse der Studie am 09.10.2019 in München vorgestellt.
Die Studie beruht auf Tiefeninterviews mit 25 KI-Experten und KI-Anwendern, die leitende Positionen in Technologie-Unternehmen, KI-Startups oder Forschungseinrichtungen innehaben. Ergänzt wurden diese Interviews durch eine breit angelegte Literaturrecherche. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass Interaktionen und unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit zwischen Menschen und KI künftig viel stärker als bisher das tägliche Privat- und Berufsleben beeinflussen werden. „Es ist deshalb wichtig zu verstehen, wie wir Menschen mit Technologien interagieren werden, die uns auch in komplexen Denkaufgaben unterstützen und dabei individuell auf unsere Gedanken und Gefühle eingehen. Und umgekehrt müssen wir verstehen lernen, wie diese Technologien unsere Handlungen wahrnehmen, interpretieren und darauf reagieren“, erklärt der Leiter der Studie Prof. Dr. Nils Urbach, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität Bayreuth.
Die Forscher unterscheiden fünf Typen von Künstlicher Intelligenz. Dabei verwenden sie zwei Kriterien, die sich beide auf die Interaktion mit dem Menschen beziehen: Zum einen ist die Handlungsfreiheit von KI-Technologien unterschiedlich ausgeprägt: In manchen Fällen sollen sie nur auf explizite Befehle reagieren; in anderen Fällen ist es gewünscht, dass sie selbständig entscheiden und handeln. Zum anderen gibt es verschiedene Grade der Wechselseitigkeit: Je genauer die ungleichen Partner ihr Verhalten gegenseitig wahrnehmen, je mehr Informationen sie austauschen und je stärker ihre Handlungen einander beeinflussen, desto ausgeprägter ist ihre wechselseitige Interaktion.
Selbständig agierende KI-Technologien, die nur selten im Austausch mit ihren Nutzern stehen, werden in der Studie als „Schutzengel“ klassifiziert: Sie beobachten – beispielsweise bei der Steuerung eines Autos – sowohl den Fahrer als auch sein Umfeld und greifen nötigenfalls ein. Wenn KI-Technologien eine mittlere Handlungsfreiheit besitzen, gibt es unter ihnen „Kollegen“, „Informanten“ und „Heinzelmännchen“. Letztere sind beispielsweise im digitalisierten Wohnhaus („Smart Home“) aktiv, ohne dass sie im ständigen wechselseitigen Austausch mit den Bewohnern stehen. Zukünftig werden KI-Lösungen aufgrund des technologischen Fortschritts auch in der Lage sein, empathisch auf Emotionen des Nutzers zu reagieren. So treten sie als „bester Freund“ auf, der vom Menschen abhängig bleibt und mit ihm in einem intensiven wechselseitigen Austausch steht.
Die Untersuchung gibt auch Hinweise auf die Faktoren, die das Vertrauen in den Einsatz künstlicher Intelligenz im Alltag fördern: Wichtig ist, dass die Transparenz der Interaktionen mit KI-Technologien bewusst gestaltet wird. Ebenso sind spezifische Anpassungen an die individuellen Anforderungen des Nutzers („Personalisierung“) und Ähnlichkeiten mit dem Menschen („Anthropomorphologie“) für die Akzeptanz von KI-Lösungen wichtig.
Alle Interessierten können die Studie kostenlos anfordern per E-Mail an Jan Jöhnk, Mitarbeiter der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT an der Universität Bayreuth: jan.joehnk@fim-rc.de
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