Kompromiss bei BN-Klage zum Kanufahren auf der Wiesent

Gerichtliche Erörterung führt zu deutlichen Verbesserungen im Naturschutz

Anfang August fand im Verwaltungsgericht Bayreuth ein vom BN angeregter Erörterungstermin zum Kanuverleih auf der Wiesent statt. Es ging um die bisherigen und künftigen Regelungen durch das Landratsamt und kurzfristige Verbesserungen zum Schutz der gefährdeten Arten. An der vierstündigen Beratung waren VertreterInnen der Regierung von Oberfranken, der Fischereifachberatung des Bezirks, des Landratsamtes als Beklagte mit Gutachterin, der drei Kanuverleihbetriebe als Beigeladene mit Gutachter und Rechtsanwalt, Vertreter des BN mit Rechtsanwältin sowie drei Richter beteiligt.

Mittlerweile liegt das Protokoll des Gerichts vor.

Geregelt wurde:

Das Landratsamt Forchheim lässt eine FFH-Verträglichkeitsprüfung erstellen und wird die Schifffahrtsgenehmigung vom 12.04.2018 ändern. Künftig sind die Nummer des Bootes und die Fahrstrecke sowie Name und Anschrift aller Mitfahrenden zu dokumentieren.

In der Zeit vom 01.06. bis 15.06. darf die Wiesent flussabwärts von der Einstiegsstelle Streitberg bis zur Ausstiegsstelle Ebermannstadt nicht mehr mit Mietbooten befahren werden. Die Strecke von Muggendorf/Beru bis Streitberg darf in diesem Zeitraum nur noch mit Guides und erst ab 12:00 Uhr befahren werden. An der Einstiegsstelle Pulvermühle dürfen im genannten Zeitraum Einstiege der Mietboote nur in der Zeit von 9:30 bis 11:00 Uhr und 13:00 bis 14:30 Uhr erfolgen. An der Einstiegsstelle Doos dürfen im genannten Zeitraum nach 12:00 Uhr keine Einstiege mehr erfolgen.

Der BUND Naturschutz wird in dem anstehenden Genehmigungsverfahren für die Zeit nach September 2020 und im Rahmen der bereits laufenden Verträglichkeitsuntersuchung über wichtige Ergebnisse informiert und entsprechend beteiligt.

Das Landratsamt wird ihm mitgeteilten Verstößen zeitnah unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nachgehen. Die Mitglieder der Naturschutzwacht werden nachgeschult, damit festgestellte Verstöße effektiv verfolgt werden können. Es werden stichpunktartige Kontrollen der Fahrtenbücher mit einem Abgleich der tatsächlich erfolgten Fahrten auch während der Saison durchgeführt.

Das Landratsamt wird unter Berücksichtigung der jeweils aktuellen Pegelstände soweit fachlich notwendig auch außerhalb der im Bescheid genannten Maßgaben Sperrungen der Befahrung anordnen.

Der BUND Naturschutz kann an den Belehrungen der Kanutouristen durch die Verleihfirmen teilnehmen, diese werden untereinander abgestimmt.

Für den Fall, dass mehrere Bootsentleiher vor Ort sind und die Wiesent befahren wollen, wird die Einweisung durch die Beigeladenen gruppenweise und auch die Einsetzung der Boote ins Wasser zeitlich unmittelbar hintereinander erfolgen.

Die Vereinbarungen gelten ab sofort. Die beiden Klageverfahren des BN (Eilklage zum Sofortvollzug, Klage gegen die Schifffahrtsgenehmigung) sind damit beendet.

„Auch wenn nicht alle Forderungen des BN zu 100% durchgekommen sind, so mussten die Kanuverleiher und das Landratsamt erhebliche Zugeständnisse für den Naturschutz machen. Am wichtigsten erscheint uns im BN, dass alle aufeinander zugehen sollen, um ab 2020 die Nutzung der Wiesent im Sinne der Natur zu regeln. Erfreulich ist auch die Klarstellung, dass der BN über die Ergebnisse der FFH-Verträglichkeitsuntersuchung informiert und im Genehmigungsverfahren beteiligt werden muss. Der BN ist zur konstruktiven Zusammenarbeit gerne bereit, bislang wurden wir vom Landratsamt dazu ja nicht zugelassen“, so Martin Geilhufe, Landesbeauftragter des BN.

„Dass der Bootsverkehr zum Schutz der Artenvielfalt an der Wiesent bis zum 15.06. eingeschränkt wurde, ist auch mit Blick auf den zunehmenden Artenschwund eine gute Entscheidung. Hier haben wir lange gerungen, weil dies für den Naturschutz ein sehr wichtiger Punkt war“, so Christian Kiehr, 1. Vorsitzender der Ortsgruppe Ebermannstadt/Wiesenttal des BN.

„Unsere Dokumentation von Verstößen gegen bereits geltende Regeln hat ebenfalls gewirkt. Das Landratsamt musste eingestehen, dass die Regelungen aus der Schifffahrtsgenehmigung in der Praxis nicht umgesetzt werden. Die Behörden und die Bootsverleiher müssen jetzt zeigen, ob Ihnen der Schutz der Natur unserer Heimat wirklich wichtig ist. Wir hoffen, dass die Verantwortlichen erkennen, dass ein naturverträglicher und schonender Tourismus der Fränkischen Schweiz besser steht als ungezügelter Kommerz mit Fun&Action“, so Kiehr.

Der BN wird nun beobachten, ob gravierende Verstöße durch das Landratsamt geahndet werden und wartet ansonsten das Ergebnis der FFH-Verträglichkeitsuntersuchung ab. Dann wird es darauf ankommen, 2020 eine neue Schifffahrtsgenehmigung zu erarbeiten. Die geltenden Schutzgesetze müssen eingehalten werden. Es ist durchaus möglich, dass diese Schifffahrtsgenehmigung auch mit weiteren Einschränkungen bis hin zu Sperrungen verbunden sein kann. Dies gilt auch für die sog. Gemeingebrauchsverordnung, die vom Landratsamt für die Flachwasserstellen bei Trockenheit novelliert werden müsste.

Anhang/Chronologie

Der BUND Naturschutz hatte zuletzt 2018 das Landratsamt Forchheim aufgefordert, den Kanuverleihbetrieb an der Wiesent während der Vogelbrutzeit bis 15.6. zu unterbinden. In den zum Bootsfahren zugelassenen Sommermonaten sind zu viele Boote unterwegs, deshalb können die europäisch geschützten Vogelarten wie Eisvogel oder Zwergtaucher dort kaum mehr brüten. Und weil sich zu viele Kanuten nicht an die Regeln halten und unterwegs mal im Fluss aussteigen, gegen die Strömung paddeln oder ungeeignete, nicht zugelassene Boote nutzen, ist auch die europäisch geschützte Unterwasservegetation, das Markenzeichen der Wiesent, stark im Rückgang.

2018 wurde durch das Landratsamt die Schifffahrtsgenehmigung erneut erteilt, die den Kanuverleihern den Verleih bereits zum 1.5.2019 und auch in den Folgejahren ab diesem Zeitpunkt erlaubt.

Am 8. April 2019 hat der BUND Naturschutz Klage gegen die Schifffahrtsgenehmigung des Landratsamtes Forchheim eingereicht. Ziel war und ist es, den Schutz der Wiesent als naturnaher Fluss, der europäisch geschützten Lebensräume und der geschützten und bedrohten Fisch- und Vogelarten sicherzustellen. Das Flusssystem Wiesent ist Bestandteil des europäischen Natura-2000-Schutzgebiets „Wiesenttal mit Seitentälern“ Nr. 6233-371 sowie des Vogelschutzgebiets Nr. 6233-471.

Das Landratsamt Forchheim hatte daraufhin am 7. Mai auf Antrag der Kanuverleiher einen sog. Sofortvollzug erlassen, mit dem ihnen der Betrieb wieder gestattet wurde. Es stellte hier die Interessen der drei Betriebe über das der Allgemeinheit und behauptete, „der Nachweis, dass das Kanufahren zu erheblichen Eingriffen führt, kann nicht geführt werden.“ Tatsächlich hatte das Landratsamt aber in der Schifffahrtsgenehmigung eine Verträglichkeitsprüfung für erforderlich gehalten und diese nach eigenen Aussagen zwischenzeitlich in Auftrag gegeben.

Am 15.5.19 stellte der BUND Naturschutz deshalb Eilantrag mit dem Ziel, den Verleih gerichtlich wieder zu untersagen. Der BN wird bei der Klage unterstützt vom Bayerischen Kanuverband, dem das Gebaren der Bootsverleiher an der Wiesent und das des Landratsamtes Forchheim ebenfalls ein Dorn im Auge ist.

Zwischenzeitlich hatte der BN seine Klage in der Hauptsache gegenüber dem Verwaltungsgericht Bayreuth begründet. Die Klage hat zum Ziel, die geltende Schifffahrtsgenehmigung aufheben zu lassen. Hintergrund ist die Rechtsauffassung des BN, dass vor dem Erlass der Schifffahrtsgenehmigung eine Verträglichkeitsprüfung vorliegen muss und nicht erst Jahre später. Er beruft sich dabei auf Europarecht und betritt mit der Klage juristisch Neuland. Weder wurde der Naturschutzverband bei den Vorgesprächen über Beeinträchtigungen und Regelungen zugelassen noch im Genehmigungsverfahren beteiligt.

Das Verwaltungsgericht Bayreuth hatte am 27.5.19 ein Verbot erlassen, nach dem die drei Bootsverleihbetriebe an der Wiesent bis zum 15.6.2019 für die Fahrt auf der Wiesent zwischen Muggendorf und Ebermannstadt keine Boote verleihen durften. Ziel des Gerichtsbeschlusses war es, in erster Linie die in diesem Bereich gefährdete Brut des europäisch geschützten Eisvogels sicherzustellen und die Belastungen durch den Bootsverkehr auf zahlreiche andere streng geschützte Arten zu reduzieren. Der BUND Naturschutz hatte dies in einer Eilklage gefordert. Da die Bootsverleihfirmen das Verbot nicht akzeptieren wollten, legten sie über einen Rechtsanwalt am 28.5.19 Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München ein. Dieser hat am 31.5.19 in einer Eilentscheidung das Verbot bestätigt.

Das Verbot wirkte, die Anzahl der auf der Wiesent fahrenden Boote ging deutlich zurück, die Eisvögel konnten ihre Brut durchbringen. Dass nun auswärtige Bootsverleiher die Lücke füllen würden, wie dies von den örtlichen Firmen behauptet wurde, kann der BN bis heute nicht bestätigen. Offenbar hat die öffentliche Berichterstattung über die Gefährdung der Natur an der Wiesent und über die gerichtlichen Verbote zu weniger Kanutourismus geführt.

Wegen der extremen Trockenheit fiel der Wasserstand der Wiesent im Juli 2019 so stark, dass bestimmte Bereiche des Flusses nicht mehr ohne Bodenberührung und damit Schäden an der geschützten Unterwasservegatation und den Kiesbänken befahren werden konnten. Aktive des BN kartierten die betroffenen Stellen und forderten Anfang Juli das Landratsamt auf, hier tätig zu werden. Ab 5. Juli 2019 musste das Landratsamt dann die Wiesent zwischen Rothenbühl und Ebermannstadt wegen Niedrigwasser sperren.

Zunächst geht es darum, der Vogelwelt im Uferbereich der Wiesent einen möglichst wenig gestörten Brutbetrieb zu ermöglichen. Der sog. Gemeingebrauch, das Kanufahren durch Einzeltouristen mit eigenen Booten, oft organisiert in Kanuverbänden, wird nicht angegriffen. Der Bootsverleih steht nach der Statistik für 80 % der Bootsfahrten auf dem Fluss. Wäre rechtzeitig die notwendige Verträglichkeitsprüfung für den Kanusport auf dem Fluss durchgeführt worden, so hätte man heute das Problem nicht. Der BN hatte diese rechtlich vorgeschriebene Prüfung schon 2010 eingefordert, leider ohne Erfolg.