Beim Bezirksparteitag in Burgkunstadt wählte die oberfränkische ÖDP einen neuen Bezirksvorstand
ERICH WOHNIG neuer Bezirksvorsitzender der ÖDP Oberfranken
Am vergangenen Freitag hielt die oberfränkische ÖDP (Ökologisch – Demokratische -Partei) in Burgkunstadt im Hotel „Drei Kronen“ ihren ordentlichen diesjährigen Parteitag ab. Im Mittelpunkt stand turnusgemäß die Neuwahl des Bezirksvorstands. 1. Vorsitzender Thomas Müller (Burgkunstadt) freute sich über die zahlreich erschienenen Mitglieder. Er konnte sogar den ÖDP – Bundesvorsitzenden Christoph Raabs und den stellvertretenden bayerischen ÖDP Landesvorsitzenden Thomas Büchner ( beide Neustadt b. Coburg ) begrüßen. In seinem Rechenschaftsbericht ging Müller auch nochmals auf das ernüchternde Wahlergebnis bei den Landtags- und Bezirkstagswahlen am 14. Oktober 2018 ein. Die oberfränkische ÖDP gehörte dabei zu den wenigen Bezirksverbänden, die ihr Ergebnis zumindest minimal verbessern konnten. Allerdings reichte es auch diesmal nicht, die für den Bezirkstag notwendigen Stimmen zu erhalten – trotz einer reinen Frauenliste und einem tollen Flyer.
Doch nach der Zulassung des Volksbegehrens zur Artenvielfalt ging es aufwärts. In ganz Oberfranken wurden Aktionskreise gegründet. Überall gab es volle Säle und jede Menge engagierte Bürger. Endlich war es wieder eine Freude, Politik zu machen, wie es ein Vorstandsmitglied ausdrückt hat.
Dann das phänomenale Ergebnis : 18.3%. Noch nie ist ein Volksbegehren von mehr Bürgern unterstützt worden. Auf einmal war die ÖDP in aller Munde. Sogar die SZ, die die ÖDP jahrelang möglichst übersehen hatte, verlieh ihr den Titel: wirksamste Oppositionspartei in Bayern – wie das schon Jahre vorher die FAZ getan hat wegen der Verbesserungen beim Nichtraucherschutz. Diese Erfolgswelle trug die ÖDP auch durch die Europawahl: trotz der um 50% erhöhten Wahlbeteiligung erreichte die ÖDP bundesweit diesmal 1.0% mit 370 000 Stimmen und damit doppelt so vielen wie 5 Jahre zuvor. Der Platz von Prof. Dr. Klaus Buchner im EU-Parlament war dadurch souverän gesichert.
In Oberfranken hat die ÖDP 2.1% mit 10 458 Stimmen erreicht, ein Zuwachs um 120%! Am besten schnitten Coburg und Bamberg Stadt mit über 3% ab. Aber selbst in den schwächsten Landkreisen Kronach und Wunsiedel wurden mindestens 1.3% erzielt.
Am Mittwoch, dem 17.Juli, haben sich dann die Befürworter eines besseren Artenschutzes auch im Landtag durchgesetzt, der in abschließender Lesung das Volksbegehren mit großer Mehrheit angenommen hat. Die von der ÖDP gestartete Initiative hat nun ohne Abstriche Gesetzeskraft. „Es ist wirklich ein historischer Tag für den Arten- und Naturschutz in Bayern. Wir haben einen fachlich höchst wirksamen und juristisch unangreifbaren Gesetzentwurf vorgelegt, der sich nun endgültig voll und ganz durchgesetzt hat“ so Müller. „Es wird eine Biotop-Vernetzung geben. Geschützte Uferrandstreifen werden Pflicht und auf einem Teil der Grünlandfläche wird später gemäht, damit Insekten Nahrung finden. Wir können rundum zufrieden sein und werden jetzt natürlich darüber wachen, dass keine Hintertürchen in den Begleitgesetzen aufgemacht werden.“
Ohne das von der ÖDP gestartete Volksbegehren stünde der Artenschutz nicht so zentral in der politischen Debatte – nicht nur in Bayern, sondern mittlerweile in ganz Deutschland, erklärte der ÖDP-Bezirksvorsitzende. „Wenn die Meinung der Bevölkerung und das Handeln der Regierung so weit auseinander liegen wie vor unserer Initiative, schlägt die Stunde der direkten Demokratie. Die ÖDP hat ihren außerparlamentarischen Oppositionsauftrag mustergültig erfüllt. Deshalb ist es auch eine Sternstunde der direkten Demokratie! Die maßgebliche Rolle der ÖDP bei diesem Volksbegehren betonten in ihren Redebeiträgen im Landtag auch Ministerpräsident Markus Söder und Grünen- Fraktionschef Ludwig Hartmann. Die hauptverantwortlichen Redakteure des Volksbegehrens, Tobias Ruff und Thomas Prudlo (beide München), wurden am vorigen Wochenende beim ÖDP – Landesparteitag in Schwabmünchen deshalb auch mit dem „Goldenen Reißnagel“ der ÖDP ausgezeichnet. Die stellvertretende ÖDP-Vorsitzende Agnes Becker, die eineinhalb Jahre in die Organisation des Volksbegehrens investiert hat, zog das Fazit: Bayern hat sich verändert. Wir haben jetzt das modernste Naturschutzgesetz in Deutschland. Es wurde mehr erreicht, als man anfangs erhoffen konnte. Aber es muss auch noch viel mehr folgen! Becker zeigte sich begeistert von der Rede des Ministerpräsidenten. Sie habe sich schon gefragt, wann Söder in die ÖDP eintrete.
Müller bedankte sich an dieser Stelle nochmal explizit bei allen Bündnispartnern, allen voran den Grünen, dem Landesbund für Vogelschutz, dem Bund Naturschutz, Imkern, Fischereiverbänden, Gartenbauvereinen, allen weiteren unterstützenden Organisationen und Einzelpersonen und natürlich auch den 1,75 Millionen Unterzeichnern des Volksbegehrens für ihren Einsatz.
Ministerpräsident Söder ist zwar noch nicht in die ÖDP eingetreten, dafür umso mehr viele Andere. Bundesweit hat die ÖDP mittlerweile 7280 Mitglieder, in Bayern 4619! In Oberfranken hat die ÖDP allein seit Jahresanfang über 10% an Mitgliedern dazugewonnen. Oberfranken ist aber immer noch der kleinste Bezirksverband in Bayern. Sein erfolgreichster Kreisverband ist Coburg/Kronach mit ungefähr einem Drittel der Mitglieder. Coburg stellt auch den ÖDP-Bundesvorsitzenden Christoph Raabs, den stellvertretenden bayerischen Landesvorsitzenden Thomas Büchner und 2 Kreis- und 3 Stadträte. Der zweitgrößte Kreisverband ist Bamberg vor dem Kreisverband Kulmbach-Lichtenfels .
Nichts ist so erfolgreich wie ein politisches Thema, dessen Zeit gekommen ist. Das trifft auf das Artenschutzvolksbegehren genauso zu wie auf die Bewegung „fridays for future“. Müller berichtete, dass der alte und neue Landesvorsitzende Klaus Mrasek das Politikziel der ÖDP seit über 35 Jahren mit „everyday for future“ bezeichnen würde. Wie so oft ist die ÖDP mit ihren Themen der Zeit ein Stück voraus. Sie ist quasi ein Thinktank für die deutsche Politik. Für ihre wirtschaftspolitischen Vorstellungen einer Gemeinwohl- und Postwachstumswirtschaft wird die Zeit mit Sicherheit auch noch kommen.
Deshalb betonte Müller ausdrücklich:“Wir dürfen nicht aufhören, die Bürger darüber aufzuklären, welche Alternativen es zur gegenwärtigen Politik gibt und an umsetzbaren Konzepten zu arbeiten – auch wenn manches vielen heute noch utopisch erscheint. Wir werden damit leben müssen, dass die ÖDP keine Volkspartei wird. Aber wir stehen für eine durchdachte, fundierte und langfristig angelegte Politik, die von den anderen Parteien sehr genau beobachtet wird.
Aus diesem Grund machte Müller noch auf ein etwas vernachlässigtes Thema aufmerksam. Seit er vor 24 Jahren in die ÖDP eingetreten ist, hat sich natürlich auch die Partei weiterentwickelt. Am Anfang war die ÖDP fast eine reine Umweltpartei. Allmählich kam sie dann zu der Erkenntnis, dass man Umweltpolitik nicht losgelöst von Themen wie „ Soziale Gerechtigkeit“ oder allgemein „ Wirtschaftspolitik“ machen kann. Diese Richtung habe auch er immer vertreten. Bei seinen Vorstellungen habe er als „politische Ziele“ immer „ Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ genannt. Bei den Gesprächen am Rande des letzten Landesparteitags bemerkte eine Gesprächspartnerin: wir ÖDPler müssten uns viel mehr um die Friedenspolitik kümmern! Und je mehr er über diesen Satz nachgedacht habe, desto mehr musste er ihr zustimmen. Frieden ist für unsere Generation in Mitteleuropa etwas völlig Selbstverständliches. Wir kennen seit über 70 Jahren – zum Glück- nichts anderes. Das ist aber auch die längste Friedensperiode in Mitteleuropa seit mindestens 1000 Jahren. Und wenn man sich die Entwicklungen in der Weltpolitik anschaut, dann wird die Gefahr, dass diese Phase zu Ende gehen könnte, immer größer. Schauen wir uns den Nahen Osten an, da wurden blühende Städte zu Trümmerwüsten. Die müssen alle wieder aufgebaut werden. Der Kriegskapitalismus produziert viele Verlierer. Gewinner sind nur die Superreichen, die Finanz- und die Rüstungsindustrie. Wenn vor allem letztere nicht besser kontrolliert und massiv reduziert wird, werden wir keinen Frieden auf der ganzen Welt erreichen. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2018 erklärte der französische Präsident Macron, Fernziel sei eine schlagkräftige europäische Eingreiftruppe für das „ nahe Ausland“, die im Krisenfall schnell reagieren könne. Seine Verteidigungsministerin Parly fügte hinzu, es gehe darum, sich auf die Kriege von übermorgen einzustellen, z.B. in Folge von Naturkatastophen!
Müller erklärte wörtlich:“ Aus all diesen Gründen möchte ich mich wieder vermehrt um Ziele und Konzepte kümmern. Ich wurde auch beim bayerischen Landesparteitag in den ÖDP-Bundeshauptausschuss gewählt, der die zukünftigen politischen Ziele vorbereitet. Nach über 9 Jahren (von 2006-11 und von 2015-19) werde ich deshalb bei der Neuwahl nicht mehr für das Amt des ÖDP-Bezirksvorsitzenden zur Verfügung stehen. Ich werde in diesem Jahr auch 65 Jahre alt – da muss man seine Kräfte schon einteilen. Ich bleibe weiterhin als ÖDP-Kreisverbandsvorsitzender für den Bereich Kulmbach-Lichtenfels und kommunalpolitisch in Burgkunstadt aktiv“.
Zum Schluss bedankte sich Müller noch bei allen Mitgliedern, die sich in den Wahlkämpfen und beim Volksbegehren engagiert hatten.
Bei der folgenden Neuwahl wurde Erich Wohnig aus dem Bad Rodacher Stadtteil Heldritt mit großer Mehrheit zum neuen 1. Vorsitzenden der ÖDP Oberfranken gewählt. Der 51-jährige IT – Techniker in leitender Stellung ist verheiratet und hat 5 Kinder. Er steht hinter dem Politikansatz “ weniger ist mehr “ und vertritt einen modernen Führungsstil – sowohl beruflich, als auch in Parteien und Vereinen. Zu stellvertretenden Vorsitzenden wurden Lucas Büchner (Bamberg) und Thomas Müller gewählt. Einstimmig wiedergewählt wurde Schatzmeister Jürgen Ott (Coburg). Als Beisitzer bestätigt wurden Reinhard Englert ( Mainroth), Ralph Duppel (Schwarzenbach a.d. Saale) und Michael Pülz (Redwitz). Neu gewählt wurden Dominic Hopp (Bayreuth) und Roland Kirchner (Ebersdorf). Zu Bundesparteitagsdelegierten wurden Simone und Erich Wohnig, Thomas Müller, Angela und Thomas Büchner, sowie Roland Kirchner gewählt. Bei der Wahl zum Delegierten für den bayerischen Landeshauptausschuss setzte sich Thomas Müller ganz knapp gegen Erich Wohnig durch, der nun als Ersatzdelegierter fungiert. Zu Kassenprüfern wurden Angela Büchner und Harry Hofmann (Mainleus) gewählt.
Zum Abschluss berichtete Thomas Büchner noch vom ÖDP-Landesparteitag in Schwabmünchen. Nach der Neuwahl des Landesvorstands wurde u.a. noch eine Petition zur Änderung der Landeswahlordnung verabschiedet. Bei der Durchführung von Volksbegehren sollen die Gemeinden verpflichtet werden, die Bürgerinnen und Bürger schriftlich über Eintragungsort und -zeiten zu informieren. Außerdem soll die Briefwahl bei Volksbegehren ermöglicht werden. Denn sonst sind ältere und kranke Mitbürger/innen von dieser demokratischen Mitwirkungsmöglichkeit ausgeschlossen.
Neueste Kommentare