Waldsterben: Naturwälder können Weg aus der Krise zeigen
Großschutzgebiete für Laubwälder wie zum Beispiel im Steigerwald und Spessart gefordert
Klimawandel verursacht dramatisches Waldsterben in unerwartetem Ausmaß – Erkenntnisse aus Naturwäldern sind enorm wichtig
Der Klimawandel zeigt auch im Freistaat immer dramatischere Ausmaße. Derzeit sind an vielen Stellen die Auswirkungen auf die bayerischen Wälder für jeden sichtbar. Die Geschwindigkeit, in der diese voranschreiten, lässt bereits von einem „Waldsterben 2.0“ sprechen. Nach dem extrem trockenen Jahr 2018 verzeichnet auch dieser Sommer erneut Temperaturrekorde und viel zu wenig Niederschläge. „Das Ausmaß des derzeitigen Waldsterbens ist wirklich dramatisch. Wie unser Wald in Zukunft aussehen wird, ist kaum vorauszusehen. Wir bewegen uns zunehmend auf Neuland und Patentrezepte im Umgang mit dem neuen Waldsterben gibt es nicht“, so der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer. „Naturwäldern kommt in diesem Lern- und Entwicklungsprozess eine zentrale Rolle zu. Denn dort können ungestört Anpassungsprozesse ablaufen, die entscheidende Antworten auf die wichtigsten Fragen zum neuen Waldsterben liefern“, erklärt der Naturschützer weiter. Der LBV fordert deshalb mehr Großschutzgebiete für Laubwälder wie zum Beispiel im Steigerwald und Spessart einzurichten.
Um zukünftige Lösungen gegen das aktuelle Waldsterben zu finden, kommt Großschutzgebieten eine enorm wichtige Rolle zu. „In ihnen spielt sich das gesamte Spektrum der zeitlich-räumlichen Entwicklungsdynamik eines Waldes ab. Dort können wir lernen und beobachten, wie die Natur mit dem Klimawandel umgeht und daraus die richtigen Schlüsse ziehen“, sagt der LBV-Vorsitzende. Voraussetzung dafür sei ein funktionierendes Netzwerk von Waldschutzgebieten, in denen sich die Natur nach ihren eigenen Gesetzen ohne forstliche Eingriffe entwickeln darf. „Wir müssen in großen Waldschutzgebieten die natürlichen Anpassungsprozesse an den Klimawandel zulassen. Daraus können wir essenzielle Informationen gewinnen, nicht zuletzt für die Waldwirtschaft der Zukunft,“ beschreibt Schäffer die zentrale Idee des LBV zur Rettung des Waldes.
Ein solches Netzwerk von Waldschutzgebieten muss alle Waldtypen auf ihren spezifischen Standorten in den jeweiligen Naturräumen repräsentieren. Damit das Netzwerk funktionieren kann, dürfen die Schutzgebiete nicht voneinander isoliert sein. Nur dann sind auch die räumliche Verlagerung der jeweiligen Waldtypen als Anpassung an den Klimawandel möglich, zum Beispiel die Verschiebung in andere Höhenzonen oder Regionen mit geeigneten Klimabedingungen.
Als Reaktion auf das durch den Klimawandel bedingte Waldsterben fordert der LBV weitere Großschutzgebieten für Laubwälder des Flachlandes einzurichten, beispielsweise im Steigerwald und Spessart. Für die Auwälder hat der Bayerische Ministerpräsident erfreulicherweise bereits ein großdimensioniertes Schutzgebiet an der Donau angekündigt. Zwischen diesen großen Schutzgebieten müssen zusätzlich kleinere Waldschutzgebiete und Naturwaldreservate in ausreichender Dichte als Vernetzungsstruktur funktionieren.
Mehr auf Naturverjüngung setzen
Der LBV fordert beim Anbau nicht einheimischer Baumarten wie Douglasie, Roteiche oder Robinie zurückhaltend zu agieren. „Diese Arten haben bei uns nur eine geringe ökologische Einbindung, was zu Problemen für unsere natürlichen Waldökosysteme und deren Artenvielfalt führen könnte“, sagt der LBV-Waldreferent Dr. Christian Stierstorfer.
In bewirtschafteten Wäldern sollte deshalb neben der vermehrten Pflanzung von Bäumen im Zuge des Waldumbaus, wie jüngst von Ministerpräsident Markus Söder angekündigt, vor allem auf die Naturverjüngung gesetzt werden. „In den immer häufigeren Extremsommern haben gepflanzte Bäumchen in den ersten Jahren schlechte Karten. Selbständig gekeimte, einheimische Baumarten hingegen haben gute Chancen durchzukommen, da sie von Anfang an ein ausreichendes und tiefreichendes Wurzelwerk entwickeln können“, erklärt Christian Stierstorfer. Auch wenn dadurch mitunter forstlich weniger erwünschte Baumarten wachsen, sollte der Erhalt des Waldes und seiner Funktionen im Vordergrund stehen. „Angesichts der dramatischen Situation müssen wir die Potentiale, die uns die Natur glücklicherweise bietet, voll ausschöpfen“, sagt der LBV-Biologe.
Hintergrund zum Waldsterben 2.0
Bäume können einzelne Extremjahre durchaus überstehen. Häufen sich diese oder folgen sie aufeinander kommen sogar große, vitale Bäume in Schwierigkeiten. Geschwächt durch Hitze und Trockenheit sind sie zusätzlich anfälliger für Schädlinge und Krankheiten. Dies zeigt sich derzeit in dramatischer Weise: Neben den Fichten, die bereits seit Jahren von Borkenkäfern massiv dezimiert werden, trifft es nun auch viele weitere Arten. Die Waldkiefer, die eigentlich als durchaus trockenheitstolerant galt, wird zunehmend dahingerafft. Sehr besorgniserregend ist das zunehmende Absterben von Buchen, darunter auch mächtige Altbäume. Während die meisten Fichten- und Kiefernforste vom Menschen angelegt oder gefördert sind, ist mit der Buche die wichtigste Baumart der natürlichen Waldvegetation Zentraleuropas betroffen.
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