Stadtwerke entwickeln Bamberger „Lagarde“ zu Vorzeigequartier für Energieeffizienz

Das Bamberger Konversionsgelände „Lagarde“ soll eines der energieeffizientesten Quartiere Deutschlands werden. Dabei sollen mehr als 60 Prozent der Wärme für die Bestands- und die Neubauten vor Ort aus erneuerbaren Energien erzeugt und über ein Wärmenetz der „vierten Generation“ verteilt werden. Strom- und Wärmegewinnung aus erneuerbaren Energien werden miteinander gekoppelt, überschüssige Energie gespeichert und über eine Vernetzung sämtlicher Gebäude- und Anlagentechnik effizient genutzt. Der Baubeginn für das bundesweite einmalige Vorzeigeprojekt ist für den kommenden April geplant. Insgesamt wollen die Stadtwerke Bamberg über acht Millionen Euro investieren.

Die Planungen sind das Ergebnisse einer jetzt vorgestellten Machbarkeitsstudie der Stadtwerke Bamberg, die in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut, BUILD.ING Consultants und der Otto-Friedrich-Universität Bamberg realisiert und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert worden ist. Auch ein großer Teil der Investitionen für die Umsetzung des Wärmekonzepts soll über das BMWi-Programm „Modellvorhaben Wärmenetzsysteme 4.0“ gefördert werden.

Hintergrund der Machbarkeitsstudie ist das Ziel der Stadt Bamberg, die benötigte Energie für das Konversionsquartier im Bamberger Osten vornehmlich vor Ort und auf Basis regenerativer Quellen zu erzeugen. Das hybride Energiesystem soll den Bedarf der Bewohner an Wärme-, Kälte- und Elektroenergie auch unter ökonomischen Gesichtspunkten höchst effizient koordinieren: „Unser Ziel ist es, den späteren Bewohnern die Energie zu möglichst geringen Kosten zur Verfügung zu stellen“, erklärt Projektleiter Stefan Loskarn: „Aus der Begleitforschung durch die Uni Bamberg wissen wir, dass das Wärmekonzept auf hohe Akzeptanz stößt – vorausgesetzt die Energiekosten bleiben bezahlbar und sozialverträglich.“

Zentrale Ergebnisse der Machbarkeitsstudie

Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) hat den Wärme- und Kühlbedarf der künftigen Verbraucher auf dem Campus simuliert. Demnach werden allein für die Nutzung der Gebäude jährlich rund 10.000.000 Kilowattstunden Wärme für Heizung und Warmwasser benötigt, 917.000 kWh Kälte und 8.200.000 kWh Strom. In die Berechnung sind auch künftige Klimaveränderungen eingeflossen. „Die möglichst genaue Vorhersage sowie die gemeinsame Betrachtung zukünftiger Bedarfe in den Sektoren Strom und Wärme ist für die Abschätzung der Größenordnung der Anlagen essenziell und für eine zukunftweisende Energieversorgung in Quartieren wesentlich“, erklärt Jan Kaiser vom Fraunhofer-Institut.

Die BUILD.ING Consultants + Innovators GmbH hat die Wärmeerzeugungsmethoden aus unterschiedlichen Umweltenergien (Erde, Luft, Ab- bzw. Trinkwasser) sowie die Nutzung von Abwärme aus industriellen Prozessen, die Stromerzeugung über Photovoltaik- und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sowie die Speicherung von Strom mittels Power-to-Gas und Wärmespeicherung in der Erde nach verschiedenen Kriterien bewertet. Im Fokus standen dabei z. B. die Energieausbeute, der Platzbedarf sowie CO2- und Lärmemission, aber auch die Wirtschaftlichkeit. Projektleiter Loskarn: „Soll Wärme aus der Umwelt – der Erde, Luft oder Wasser – nutzbar gemacht werden, kommt immer eine Wärmepumpe zum Einsatz, die elektrisch betrieben wird. Strebt man eine umweltfreundliche CO2-freie Wärmeerzeugung an, so kommt man um die Frage der Stromerzeugung nicht herum. Unter der Maßgabe, möglichst viel Energie vor Ort zu produzieren, ist Photovoltaik die naheliegendste Antwort. Für diese Aufgabe bedarf es einer Photovoltaikanlage, die doppelt so groß ist wie die am P+R Kronacher Straße.“ Einen hohen Nutzungsgrad entfaltet diese Art der Stromerzeugung in Kombination mit Speichern. Um die Produktionsschwankungen zwischen Tag und Nacht auszugleichen, können die Gebäude mit Batterien ausgestattet werden. Als Langzeitspeicherung für die Wintermonate kommt eine Power-to-Gas-Anlage in Frage, die den überschüssigen Strom in den Sommermonaten in Gas umwandelt, das wiederum vor allem im Winter in einem BHKW Strom und Wärme produziert. Und die Speicherung der Wärme, die im Sommer mittels Geothermie für jedes Gebäude separat produziert wird, kann in einem sog. „kalten Netz“ im Erdreich unter den jeweiligen Gebäuden erfolgen.

Hohe Akzeptanz bei künftigen potenziellen Nutzern

Um sicherzustellen, dass die entwickelten Lösungen nicht an dem Bedarf der zukünftigen Nutzer des Lagarde-Quartiers vorbeigehen, hat die Universität Bamberg unter Prof. Dr. Astrid Schütz mit ihrem Forschungsteam eine Umfrage durchgeführt. „Es ist uns wichtig, vorab die Bedarfe zu erfassen und die Akzeptanz für unterschiedliche Optionen zu prüfen. So besteht die Chance, die Projektplanungen auf die Lebensentwürfe der unterschiedlichen Gruppen im Quartier auszurichten. Idealerweise kann dadurch letztlich eine aktives Viertel mit gemeinsamer Identität entstehen“, sagt die Psychologin von der Universität Bamberg. Im Ergebnis stößt das Wärmekonzept auf hohe Akzeptanz – vorausgesetzt die Energiekosten bleiben bezahlbar und sozialverträglich.

Hohe Investitionskosten – niedrige Betriebskosten

Das Modellvorhaben garantiert den Bewohner der Lagarde aufgrund niedriger Betriebskosten über Jahre hinweg niedrige Heizkosten. „Wir gehen davon aus, dass ein großer Teil der Investitionen für das Projekt durch das BMWi gefördert werden und den Nutzern die niedrigen Betriebskosten auf lange Sicht zugutekommen“, sagt Projektleiter Loskarn. „Weil wir unabhängig von Börsenpreisen und Marktschwankungen sind, können wir heute schon einen Wärmepreis für die nächsten 10 Jahre festlegen: er wird bei etwa 12 Cent pro kWh liegen“, sagt Loskarn und ergänzt: „Zusätzliche Kosten und Aufwand, der sonst für die Anschaffung der Heizungsanlage, regelmäßige Wartungen, Schornsteinfeger und Abgasmessungen entstehen, entfallen komplett. Die Wärme kommt einfach aus der Leitung.“

„Lagarde“ – ein Novum

Das Bamberger Projekt ist ein Novum. Dr. Michael Fiedeldey, Geschäftsführer der Stadtwerke Bamberg: „Auf der Lagarde geht es nicht darum, möglichst effiziente Neubauten zu realisieren, sondern innerhalb einer bestehenden städtischen Infrastruktur und mit einer vorhandenen, teils denkmalgeschützten, Gebäudestruktur, eine höchstmögliche Effizient zu schaffen. Hier muss der Wärmebedarf der Altbauten ebenso in das Wärmesystem integriert werden wie modernste Neubauten mit gänzlich anderen Wärmebedarfen.“ Erschwerend hinzu komme, dass das Lagarde-Quartier nicht zu einem reinen Wohngebiet entwickelt werde, sondern neben dem bezahlbaren Wohnraum für 1.000 Menschen auch Flächen für Gewerbe, Dienstleistungen, Kultur und soziale Einrichtungen geschaffen werden sollen. Sie alle haben unterschiedlichen Bedarfe und Anforderungen an die Energieversorgung. Fiedeldey: „Da das Gelände mitten in der Stadt liegt, gibt es keine Optionen, Flächen außerhalb zur Erzeugung von Energie zu nutzen.“