Prof. Norbert Lammert in Bamberg: „Heute sterben Demokratien nicht durch Putsche, sondern durch Wahlen“
Der frühere Bundestagspräsident Prof. Norbert Lammert hielt am Donnerstagabend im ETA-Hoffman-Theater in Bamberg die Festrede bei der Feier des 70. Jahrestages des Grundgesetzes.
Verfassungen kann man nur im historischen Zusammenhang verstehen. Das verdeutlichte der frühere Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert den Gästen der Festveranstaltung des Landkreises und der Stadt Bamberg zum 70. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes am Donnerstagabend im Großen Haus des ETA-Hoffmann-Theaters.
Vor 100 Jahren sei am Beginn der Weimarer Verfassung festgelegt worden, dass das deutsche Reich eine Republik sei. Vor 70 Jahren sei aus dem unendlichen Leid des Zweiten Weltkrieges der erste Satz des Grundgesetzes entstanden: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
„Das Grundgesetz beginnt mit den Grundrechten. Hier sind die Grundrechte individuelle Rechtsansprüche. Die Weimarer Verfassung endet mit den Grundrechten. Im Grundgesetz gelten die Gesetze nach Maßgabe der Grundrechte. “ In der Weimarer Verfassung sei das andersherum gewesen, so Lammert.
„Das Grundgesetz gehört zu den ältesten und den großen Verfassungen dieser Welt. Eine der großen Leistungen der Verfassungsväter und -mütter war, nicht eine bestehende Verfassung zu kopieren.“ Der Festredner ging auch auf die Frage ein, wie es heute um unsere liberale Grundordnung bestellt ist. „Politische Systeme sind nicht unsterblich. Es gibt keine Überlebensgarantien. Weder für autoritäre, noch leider für demokratische Systeme. Heute sterben Demokratien nicht durch Putsche, sondern durch Wahlen.“
Demokratien seien dann gefährdet, wenn man sie für selbstverständlich halte. Demokratien leben vom Engagement ihrer Bürger. In einer der schönsten deutschen Städte zu einer der wichtigsten Verfassungen zu reden, war eine unwiderstehliche Aufgabe“, hatte er warme Worte für seine Gastgeber.
Landrat Johann Kalb zeigte in seinen Dankesworten die „Bamberger Beteiligung“ am Grundgesetz auf. Der ehemalige Bamberger Landrat Thomas Dehler gehörte dem Parlamentarischen Rat zur Gestaltung des Grundgesetzes an. Dessen Worte „Dieses Werk wird kein Mustervertrag und kein Werk von Ewigkeit sein“ habe treffend die stabile Orientierung, das gute Korsett beschrieben. „Unser Grundgesetz hält zusammen. Es gibt Form. Es fesselt aber nicht, sondern lässt Luft zum Atmen und Platz, sich zu entwickeln.“ In einer Zeit, in der Europa auseinanderzudriften drohe, müsse man noch überzeugter für ein gemeinsames Europa eintreten. „Das Grundgesetz gibt es vor! Und es lohnt sich!“
Theater-Intendantin Sibylle Broll-Pape hatte die Gäste begrüßt. Oberbürgermeister Andreas Starke bezeichnete das Grundgesetz als den Wertekatalog unseres Landes. Diese Werte müssten immer neu verteidigt werden. Streiter hierfür gebe es vielfach in der Gesellschaft.
Kurze Szenen aus dem Stück GRNDGSTZ wurden von Annalena und Konstantin Küspert mit Katharina Brenner, Marie-Paulina Schendel, Stephan Ullrich dargeboten. Der Chor der Städtischen Musikschule Bamberg unter Leitung von Carolin Heckel (Flügel: Beate Zeuschner) schloss die Veranstaltung mit der „Ode an die Freude“ von Ludwig van Beethoven.
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