ADFC und VCD zum Alltagsradverkehr im Landkreis Bamberg
Verkehrswende ist eine Ganzjahresveranstaltung!
Damit zügiges, sicheres und komfortables Radfahren im Landkreis Bamberg für Jung und Alt im Alltag möglich wird, auch bei Dunkelheit und bei widrigen Wetterbedingungen, ist jetzt die Planung eines Alltagsradverkehrsnetzes angelaufen. Sie wird vom Allgäuer Planungsbüro “top plan” unter der Leitung der Geographin Eva Mast durchgeführt und der LAG-Region mit LEADER-Mitteln finanziert. Diese Woche haben Workshops im Landratsamt mit den Vertretern der Kommunen stattgefunden. Es ist wichtig, dass die Planer die Orts- und Wegekenntnisse der Menschen vor Ort nutzen und ihre Anliegen und Wünsche berücksichtigen. Seit der Auftaktveranstaltung im Februar suchen die Verantwortlichen in den Kommunen gemeindeübergreifende Verbindungen. Gerade haben Workshops im Landratsamt stattgefunden, die jeweils Vertreter aus mehreren Kommunen zusammenbringen, um ihre Überlegungen miteinander und mit den Planern zu besprechen.
Danach wird Top Plan die Workshops auswerten und mit weiteren Belangträgern sprechen (Staatliches Bauamt, Wasserwirtschaftsamt, Staatsforste, Verbände wie ADFC und VCD, Nachbarlandkreise, …). Die Entwurfsplanung wird ab Juni in Befahrungen getestet und schließlich wird eine Bestands- und Defizitanalyse von “top plan” vorgestellt und Maßnahmen werden daraus abgeleitet. Die Routen im Alltagsnetz werden eingestuft als überregionale Routen, regionale Hauptrouten, regionales Basisnetz oder lokales Radnetz. Aus dieser Netzhierarchie folgen die Ausbauprioritäten, Ausbaustandards und das erforderliche Qualitätsmanagement sowie Serviceleistungen wie die Beseitigung von Schnee, Splitt oder Laubhaufen.
Das Radnetz wird im Top Plan Geoportal abgebildet – hier hat man den Überblick, den man bisher angesichts verteilter Zuständigkeiten manchmal vermisst hat. Wir sind beim ADFC und beim VCD überzeugt, dass die rund 60.000 Euro für die Planung sehr gut angelegt sind: Gute Radinfrastruktur ist kostengünstig im Vergleich zu Infrastruktur für andere Verkehrsträger, aber man kann dennoch Millionen in den Sand setzen, wenn man nicht die Menschen und ihre Mobilitätsbedürfnisse und -wünsche als Ausgangspunkt für jegliche Planung nimmt. Es ergibt also Sinn, vom Netz her zu denken und viel Sachverstand in diese Netzplanung einfließen zu lassen.
Um eine gute Rückkoppelung zwischen der Arbeit vor Ort und den Sachverstand von Experten auch nach dem Projektabschluss beizubehalten, empfehlen wir dem Landkreis auch eine Mitgliedschaft in der „Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlichen Kommunen in Bayern“.
Mit dem Alltagsradnetz-Projekt verbinden wir beim ADFC und beim VCD einige große Hoffnungen: 1. Lebenswerte, lebendige Dörfer In den Ortskernen im Landkreis soll es problemlos möglich werden, dass ein sechsjähriges Kind ohne Aufsicht zum Bäcker läuft oder radelt. Und dass ein älterer Mensch nicht ins Auto steigen muss, weil Falschparker die Mobilität mit Rollator oder Fahrrad auf Kurzstrecken erschweren. Innerhalb der Schulverbände soll es auch möglich sein, dass ein etwas älteres Kind z.B. zur Mittelschule im nächsten oder übernächsten Ort mit dem Rad fahren kann.
2. Hochwertige, schnelle Radverbindungen nach Bamberg Pendler aus ca. 20 km Entfernung sollen mit dem Rad oder mit dem Pedelec zügig nach Bamberg und wieder nach Hause kommen. Wenn Radreisezeit und Autoreisezeit sich annähern – und bei Strecken bis 20 km ist das Auto kaum signifikant schneller – lohnt sich der Umstieg auf das umweltfreundlichere Verkehrsmittel für viele Pendler. Das schont nicht nur die Gesundheit und den Geldbeutel der Pendler selbst – es hält auch Autoverkehr aus Bamberg raus. Die Planung neuer Radschnellwege benötigt allerdings ökologische Leitplanken und eine sorgfältige Prüfung, ob die Eingriffe in den Naturhaushalt gerechtfertigt sind. Entscheidend für den Erfolg schneller Radverbindungen sind das Erschließungspotential und die Anknüpfungspunkte an den Stadtverkehr.
Wir wünschen uns schnelle, sichere, komfortable Verbindungen, die den Stand der Technik wiederspiegeln und Radfahrer weder unnötig ausbremsen noch unnötig gefährden (wie z.B.
- an den vielen Stellen, wo man Straßen überqueren muss, um den beginnenden Radweg zu erreichen oder um den endenden Radweg zu verlassen.).
- Unter hochwertigen Radwegen im Alltagswegenetz verstehen wir Radwege, die:
- ganzjährig benutzbar sind, auch mit schmalen Reifen (guter Belag plus gute Räumung)
- hinreichend breit sind,
- in der vollen Breite auch nutzbar sind (ohne Körperkontakt zu Bewuchs/Geäst/Hindernissen)
- soziale Sicherheit bieten (dunkle Unterführungen sind z.B. schwierig)
- oft Vorrang vor kreuzenden Nebenstraßen haben
- keine übermäßig langen Wartezeiten an ampelgeregelten Kreuzungen haben (und keine Bettelampel!)
- keine Drängelgitter haben (auch bei Vorfahrt gewähren nicht – lieber Radfahrer durch einen Schwenk in der Wegführung verlangsamen/wachrütteln)
- grundsätzlich bei Ausfahrten Vorrang haben und baulich möglichst nicht unterbrochen werden
- Sicherheitsabstände zu Einbauten, Mauern, Zäune, Leitplanken, Gräben, Böschungen, Baumstämme/Geäst, Felsen, Gabionen, usw. haben
- eine gute Kennzeichnung von unvermeidlichen Hindernissen und Gefahren mit Reflektoren aufweisen
- markierte Randlinien haben, insbesondere an abschüssigen Strecken (wie im Landkreis Forchheim)
- nur sanfte Kurven haben (mit Markierung von Randlinien/Mittellinien bei schwer einsehbaren Kurven)
- so geführt werden, dass Radfahrer nicht vom (Kfz-)Gegenverkehr geblendet werden
- nicht wesentlich mehr Höhenmeter als die Fahrbahn daneben haben
- sichere Überleitungen zwischen Radweg und Fahrbahn und sichere Querungen mit möglichst fahrdynamischer Gestaltung haben, die den Radverkehr nicht unnötig ausbremsen
Mehr Radwege im Landkreis – und mehr Akzeptanz für Radfahrer auf der Fahrbahn
Die Hoffnung nach mehr Radwegen äußern wir bewusst zuletzt. Radwege bieten nur ein Mehr an Sicherheit, wenn sie auch sicher erreichbar sind – von daher spricht einiges dafür, Defizite im Bestand zu korrigieren, bevor der Ausbau intensiv vorangetrieben wird.
Es gibt Strecken, bei denen es sich eher anbietet, die Straße selbst ins Radwegenetz aufzunehmen, anstatt einen Radweg daneben zu planen.
An Strecken mit starker Verkehrsbelastung (oft Täler) brauchen wir natürlich unbedingt gute und hochwertige Radwege. Aber nicht jede kurvige Gefällstrecke in den Naturparks Hassberge, Steigerwald und Fränkische Schweiz ist mit einem Radweg weniger gefährlich.
Schon gar nicht mit einem gemeinsamen Geh- und Radweg, der auch noch in zwei Richtungen benutzungspflichtig wäre. Am Würgauer Berg wären Radler auf der Straße wahrscheinlich sicherer. Die Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit war hier der richtige Schritt. Im nächsten Schritt könnte man diese Straße ins Radnetz aufnehmen und Autofahrer darauf hinweisen, dass Sie hier mit Radfahrern rechnen sollen. Solche mutigen Schritte würden den flotten Alltagsradverkehr voranbringen, aber auch den Rennradtourismus, der bisher im Landkreis wenig ausgebaut ist. Gemeinsame Zweirichtungs-Geh- und Radwege können schon deswegen nicht überall die Lösung der Wahl sein, weil ein Alltagsradfahrer mit schwerem Pedelec bergab mit 50 km/h unterwegs sein kann, 10 mal schneller als ein Fußgänger – auch bei schwachem Fußverkehr stellt sich dann die Frage, ob es wirklich gerechtfertigt ist, zwei so verschiedene Verkehrsarten gemeinsam zu führen. Manchmal ist es sinnvoller, den Radfahrer auf der Straße zu führen.
Auch an die Variante, Bergauf-Radfahrer auf dem Radweg und Bergab-Radfahrer auf der Fahrbahn zu führen könnte öfter gedacht werden.
Radwege sollten jedenfalls nicht mit der Gießkanne angelegt werden, deshalb begrüßen wir die Grundlagenplanung für den Alltagsradverkehr im Landkreis. Auch Benutzungspflichten sollten möglichst sparsam verteilt werden.
Wir glauben an den mündigen Radfahrer, der selber abwägen kann, wo er sich und andere am wenigsten gefährdet und der geringsten Gefährdung ausgesetzt ist.
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