Fachnachmittag der KoKi – Netzwerk frühe Kindheit in Forchheim
„Tatort Familie – Kinder im Spannungsfeld häuslicher Gewalt“
Was bedeutet es für Kinder, wenn sich die Eltern ständig streiten und der Streit in Gewalt ausartet? Eine Frage, die sich nicht nur Eltern sondern auch Fachkräfte regelmäßig stellen. Zu diesem Fachnachmittag hat Landrat Dr. Hermann Ulm ins Landratsamt eingeladen.
Landrat Dr. Ulm begrüßte die Teilnehmer und den Vertreter der Regierung von Oberfranken, Herrn Ruby, im gut gefüllten Veranstaltungsort, St. Gereon.
Er erinnert daran, dass „Gewalt“ ein Thema ist, das in unserer Welt präsent ist. Er weist darauf hin, dass es ist eine Form der Auseinandersetzung zwischen Menschen ist, wenn scheinbar andere Mittel gerade nicht zur Verfügung stehen. Gewalt kommt in allen sozialen Schichten vor, unabhängig vom Einkommen, vom Beruf oder der Religion. Frau Dagmar May, Leiterin des Amtes für Jugend, Familie und Senioren, betonte zu Beginn, dass es die KoKi-Arbeit seit 10 Jahren im Amt für Jugend, Familie und Senioren gibt und drückt ihre Freude an der positiven Entwicklung des KoKi-Netzwerkes aus. Sie bedankt sich bei den Mitarbeiterinnen der KoKi, Frau Barbara Schmidtlein und Frau Karin Kohlmann, für die geleistete Arbeit.
Diese haben ein umfangreiches Programm mit unterschiedlichen Referenten für die ca. 60 Teilnehmer vorbereitet.
Frau Susanne Prinz aus Oberhausen, Dipl. Pädagogin, Sozialtherapeutin für Sucht und Familienmediatorin, zertifizierte Kinderschutzfachkraft beginnt mit ihrem Fachvortrag. Sie schildert die vielen Gesichter Häuslicher Gewalt, wie z. B. körperliche Gewalt, Sexualisierte Gewalt, Psychische Gewalt, Stalking, Ökonomische Gewalt. Sie legt Zahlen aus einer Studie von 2004 „Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen“ vor, die zeigen, dass rund 25% der in Deutschland lebenden Frauen Formen körperlicher oder sexueller Gewalt (oder beides) durch aktuelle oder frühere Beziehungspartnerinnen oder -partner erlebt haben. 60% der befragten Frauen, die über die letzte gewaltbelastete Paarbeziehung berichteten, gaben an, in dieser Paarbeziehung auch mit Kindern zusammengelebt zu haben, 7% der Befragten gaben an, die Kinder hätten die Situationen gehört, und 50%, sie hätten sie gesehen. Fast doppelt so häufig wie nicht-behinderte Frauen erfahren Frauen mit Behinderungen körperliche und psychische Gewalt im Erwachsenenalter, aber auch bereits in ihrer Kindheit.
Frau Prinz zeigte einen Ausschnitt aus dem Animationsfilm „Wutmann“ von Anita Kili (Norwegen 2009, www.methode-film.de), der sehr eindrucksvoll die Gefühle eines Kindes während einer Gewaltsituation zwischen den Eltern offen legt, wie das Kind, hin- und hergerissen ist zwischen der Liebe zum Täter, der Angst vor der Gewalttat, dem Gefühl, es wäre selbst Schuld an den Gewaltausbrüchen und der Vorstellung, es könnte diese mit Wohlverhalten beeinflussen.
Frau Prinz berichtete, dass in der größten vorliegenden Studie mit mehr als 40.000 einbezogenen Kindern bei etwa 40% der betreuten Kleinkinder (1 – 2 Jahre alt) emotionale Probleme für die Fachkräfte erkennbar waren, gleiches galt für mehr als 50% der älteren Kinder, die zu einem ähnlich hohen Anteil auch Probleme im sozialen Verhalten zeigten (Lundy & Grossmann 2005). Nach „indirekt“ erfahrener Gewalt zeigten sich Verhaltensauffälligkeiten wie Unruhe oder Aggressivität, ausgeprägte Niedergeschlagenheit oder Ängstlichkeit, Schlafstörungen, Entwicklungsverzögerungen, kognitive Entwicklungsbeeinträchtigungen, posttraumatische Belastungsstörungen (deutlich nachweisbare funktionelle Gehirnveränderungen). Bei Kindern entwickelt sich eine fatale Haltung: „Fühle nichts, traue niemanden, rede nicht darüber“.
Die Referentin betonte, wie wichtig hier die Vernetzung und Kooperation der Verantwortungsgemeinschaft ist, um den Betroffenen und ihren Kindern Unterstützung anzubieten. Kinderschutz, der im Dialog mit den Betroffenen und auf Augenhöhe mit ihnen stattfindet macht eine veränderte Haltung der Netzwerkpartner notwendig. Häusliche Gewalt, Partnerschaftsgewalt und Kindeswohlgefährdung verlangen ein Handeln von vielfältigen Institutionen und Berufsgruppen sowie eine enge Kooperation der Beteiligten in einer interdisziplinären Zusammenarbeit. Fallübergreifende anonymisierte Fallbesprechungen und Gefährdungseinschätzungen, Qualitätszirkel, Fortbildung, Supervision, Kollegiale Beratung als notwendige Psychohygiene für die Fachkräfte sind bei diesem schwierigen Thema eine grundlegende Basis im beruflichen Handeln.
Der zweite Referent an diesem Nachmittag, Herr Peter Grundler von der Gewaltberatung Nürnberg e. V. (www.gewaltberatung–nuernberg.de) stellte den Teilnehmer*innen die Arbeit in dieser Beratungsstelle vor. Zielgruppen sind hier Personen mit Gewaltpotential oder Menschen, die befürchten, gewalttätig zu werden, Erziehungspersonen, die mit Gewalt konfrontiert werden und Opfer von Beziehungsgewalt. Die Beratungsstelle bietet Einzelgespräche und Gruppensitzungen für Betroffene an. Workshops und Präsentationen an Schulen, sozialen Einrichtungen und Unternehmen, Fortbildung von Berufsgruppen und Aufklärung in der Öffentlichkeit ergänzen das Angebot. Beratungsthemen sind z. B. die Aufarbeitung von Gewalttaten, Opferempathie, männliche/weibliche Identität, Unterscheidung zwischen positiver und negativer Aggression.
Das Angebot der „Gewaltberatung Nürnberg“ kann auch von Klienten aus dem Raum Forchheim in Anspruch genommen werden.
Im Anschluss an die Referate von Frau Prinz und Herrn Grundler hatten fünf unterschiedliche Beratungsstellen aus dem Landkreis Forchheim, Gelegenheit, ihre Angebote für die betroffenen Kinder und deren Familien vorzustellen und Fragen zu beantworten:
Frau Christine Legall und Frau Sindy Dinkel, Gewaltschutzberatung der Polizei Forchheim/Ebermannstadt;
Frau Eva Bert, Familienrichterin, Familiengericht Forchheim
Frau Ursula Weidig, Leiterin des Frauenhauses Bamberg
Frau Helene Wölfel-Wagner Leitung der Erziehungsberatungsstelle des Caritasverbandes
Herr Dieter Hümpfner, Leitung des Allgemeinen Sozialdienstes des Amtes für Jugend, Familie und Senioren
Abschließend gab Frau Schmidtlein, Leitung der KoKi, ihren Abschied aus dem Arbeitsgebiet in den wohlverdienten Ruhestand bekannt. Frau Schmidtlein hat die KoKi-Stelle im Landkreis Forchheim aufgebaut und maßgebend gestaltet. Sie betonte, wie wichtig neben dem fachlichen Austausch ein persönliches Kennenlernen der beruflichen Netzwerkpartner untereinander ist, damit man im Notfall leichter Kontakt aufnehmen kann. Diese Vernetzungsarbeit im Landkreis Forchheim der letzten Jahre ist gelungen. So gibt es Netzwerkpartner, die seit 10 Jahren aktiv im Netzwerk mitarbeiten und es kommen immer wieder neue hinzu. Frau Schmidtlein bedankte sich bei den Netzwerkpartnern für ihre zuverlässige Mitarbeit im KoKi-Netzwerk frühe Kindheit sowie bei der Jugendamtsleitung, Frau May, und beim Vertreter der Regierung von Oberfranken, Herrn Ruby, für die geleistete Unterstützung beim Auf- und Ausbau der KoKi-Stelle.
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