Studie der Universität Bamberg zum Störungsmanagement von Eisenbahnen

Symbolbild Bildung

Lösungen aus dem Ausland könnten der Deutschen Bahn ein Vorbild sein: Politikwissenschaftliche Studie zum Störungsmanagement der Eisenbahnen in sieben europäischen Ländern

In Deutschland kommt fast jeder dritte Zug im Fernverkehr zu spät am Ziel an. Die Deutsche Bahn verspricht jetzt, pünktlicher zu werden. Wie Eisenbahnen in ganz Europa mit Verspätungen umgehen, hat Prof. Dr. Dr. Lasse Gerrits, Inhaber des Lehrstuhls für Politikwissenschaft, insbesondere Steuerung innovativer und komplexer technischer Systeme an der Universität Bamberg, in einem mehrjährigen Forschungsprojekt analysiert.

Mithilfe des politikwissenschaftlichen Netzwerkgovernance-Konzepts hat sich Gerrits dabei vor allem auf soziale Beziehungen und deren Auswirkungen auf den Betriebsablauf in Deutschland, Schweden, Belgien, Dänemark, Portugal, Österreich und den Niederlanden konzentriert. So konnte er erstmal systematisch untersuchen, welche Lösungen im Störungsmanagement unter welchen Bedingungen funktionieren. „Einen besten Weg im Störungsmanagement gibt es nicht“, sagt er. „Aber die Länder können durchaus etwas voneinander lernen.“

Die Deutsche Bahn könnte sich zum Beispiel Anregungen aus Schweden oder Belgien holen. Dort verwenden die Bahnbeschäftigten einfache, informell nutzbare Benachrichtigungssysteme, um einzelne Kolleginnen und Kollegen schnell und zielgerichtet über Störungsfälle zu informieren. In Deutschland sind für Meldungen dieser Art bislang bestimmte Formulare und Dienstwege vorgeschrieben.

Die niederländische Bahn hat über 1500 Notfall-Pläne, die ganz klar definieren, was bei welcher Störung zu tun ist. Oft hilft das den Verantwortlichen blitzschnell zu entscheiden und so größere Beeinträchtigungen des Bahnverkehrs zu vermeiden. Die Deutsche Bahn hat nur wenige Pläne in der Schublade und verlässt sich im Ernstfall eher auf die Erfahrung und das Urteilsvermögen der Beschäftigten. Das kann aber auch ein Vorteil sein: „Pläne können zur Falle werden“, sagt Gerrits. „Man kann nicht alles vorhersehen. Es kommt also auch darauf an, dass man fähig ist, spontan von den Plänen abzuweichen und sie in Echtzeit an die Situation anzupassen.“

Pluspunkte der Deutschen Bahn: Dezentrale Organisation und großes Schienennetz

Gerrits Forschung zeigt darüber hinaus, dass in Deutschland entgegen der landläufigen Meinung vieles im Bahnverkehr besser läuft als gedacht: So sticht die Deutsche Bahn etwa mit ihrer dezentralen Organisation hervor, die klare Zuständigkeiten bei einer Störung im Betriebsablauf ermöglicht und Kompetenzgerangel vermeiden hilft.

Zudem hat die Deutsche Bahn gegenüber den Nachbarländern einen klaren Vorteil: Im größten Schienennetz Europas mit mehr als 30.000 Kilometern Strecke und doppelt so vielen Gleiskilometern gibt es meist verschiedene Möglichkeiten, mit einem Störungsfall umzugehen. So kann ein Zug auch mal umgeleitet werden, wenn eine andere Lokomotive ausgefallen ist und das Gleis blockiert.

Lasse Gerrits‘ Forschungsprojekt lief über fünf Jahre und wurde von der niederländischen Bahngesellschaft ProRail und der niederländischen Forschungsgesellschaft NWO mit 600.000 Euro unterstützt. Die Bahngesellschaften ermöglichten ihm den Zugang zu den entsprechenden Steuerungszentralen und den Beschäftigten dort.

Publikation:
Lasse Gerrits, Danny Schipper. 2018. Internationale Vergleichsstudie zum Eisenbahnstörungsmanagement. https://doi.org/10.20378/irbo-52592

Weitere Informationen zu Inhalt, Methode und Ergebnissen der Studie von Lasse Gerrits:
www.uni-bamberg.de/news/artikel/gerrits-stoerungsmanagement-bahn
www.uni-bamberg.de/news/artikel/ergebnisse-stoerungsmanagement-bahn