Ausstellung zur Kinder-„Euthanasie“ im Bamberger Stadtarchiv bis 5. Juli verlängert
„Nebel im August“ – „Im Gedenken der Kinder“
Robert Domes, Autor des mehrfach ausgezeichneten und für das Kino verfilmten Romans „Nebel im August“, war am Sonntag, den 10. Juni in Bamberg zu Gast mit einem Filmgespräch im Odeon-Kino und einer Lesung im Stephanshof zur Lebensgeschichte von Ernst Lossa, der 1944 mit 14 Jahren in der Nervenheilanstalt Kaufbeuren/Irsee ermordet wurde. Die Veranstaltungen bildeten den Schlusspunkt des umfassenden Begleitprogrammes zum Projektes „Im Gedenken an die Kinder“, das von der Willy-Aron-Gesellschaft im Verbund mit der Medienzentrale, der KEB, dem ebw, den Volkshochschulen Bamberg-Stadt und -Land mit Unterstützung der Sparkasse Bamberg veranstaltet wurde. Zentraler Ort des Projektes ist die Ausstellung „Die Kinderärzte und die Verbrechen an Kindern in der NS-Zeit“ im Stadtarchiv Bamberg, sowie die wichtige Kontrapunkt- Ausstellung „Die Geschichte der Lebenshilfe Bamberg“ in der RehaWerkstatt der Lebenshilfe in der Gundelsheimer Str. 99, die jetzt bis 5. Juli verlängert wurden.
Robert Domes schildert in seinem Buch eindrücklich die Geschichte der jenischen Familie Lossa, die als fahrende Händler im schwäbischen Raum unter den Diskriminierungen der Nazis leiden. Der Vater kommt ins KZ, der älteste Sohn Ernst ins Kinderheim, wo er als „asozialer Psychopath“ abgestempelt und in die Psychiatrie überbracht wird. Dort ist das „Euthanasieprogramm“ bereits voll im Gange. Mindestens 200.000 Menschen fallen in Deutschland dem „Volkskörper-Gesundungswahn“ zum Opfer, der von den Nazis nur angestoßen werden musste, um bei den Ärzten in den psychiatrischen Anstalten – mit wenigen Ausnahmen – auf bereitwillige und effiziente Helfer zu treffen. Zuerst wurden die Menschen mit den „grauen Bussen“ an zentrale Orte verbracht und vergast, später, als dieses Verfahren zu auffällig wurde, tötete man in den Anstalten direkt, mit überdosierten Schmerzmitteln oder durch die perfide Kombination der sogenannten „Entzugskost“ und bewusster Vernachlässigung.
Domes berichtete von seinen fünfjährigen Recherchen und Nachforschungen in zahlreichen Anstalten, unterstützt von Dr. Michael von Cranach, der als ärztlicher Direktor der Psychiatrie Kaufbeuren/Irsee den historischen Aufarbeitungsprozess der Patientenmorde maßgeblich auf den Weg gebracht hat. Robert Domes beschrieb dabei auch das Phänomen, dass für die Todesursache sehr häufig die Diagnose „Lungenentzündung“ benutzt wurde. Sehr bewegend berichtete eine Person aus dem Publikum von der Geschichte des eigenen Vaters, der völlig überraschend mit dieser Diagnose in einer Anstalt verstorben war. Robert Domes versprach zu helfen, die Krankenakte zu besorgen, anhand derer mit den heutigen Erkenntnissen mit ziemlicher Sicherheit ermittelt werden kann, ob eine Person auf natürliche Weise verstorben ist oder getötet wurde. Ein sehr bewegender Moment am Ende der Veranstaltungsreihe zum Gedenken an die Opfer der „Euthanasie“.
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