Sonntagsgedanken: Liebe mich, Du Schuft!
König Friedrich Wilhelm von Preußen war gefürchtet wegen seines cholerischen Temperaments. Wenn er durch die Straßen Berlins wanderte und einen Menschen traf, der ihm irgendwie seltsam vorkam, zog er seinen Stock, um kräftige Hiebe auszuteilen. Eines Abends nun begegnete er einem Mann, der es nicht mehr rechtzeitig schaffte, dem strengen Auge seines königlichen Herrn zu entgehen. Friedrich Wilhelm schnauzte ihn an, als der in einem Hauseingang verschwinden wollte.
„Was suchst Du in diesem Haus? Gehört es Dir?“
„Nein, Majestät.“
„Etwa Deinen Eltern?“
„Nein, Majestät.“
„Etwa einem Freund?“
„Nein, Majestät.“
Der Gefragte geriet ins Schwitzen und seine Zähne klapperten vor Angst. Als er den scharfen Blick seines Königs wie einen Dolch in sein Herz fahren spürte, rief er verzweifelt aus: „Ich wollte mich vor Euch verstecken.“
„Was!?“, brüllte der König auf: „Verstecken wolltest Du Dich. Du musst mich ehren, Du musst mich lieben für all das, was ich meinem Volk Gutes getan habe. Liebe mich, Du Schuft!“
Der König hatte keine Ahnung von Liebe. Liebe kann man nicht befehlen, sei es die Liebe zu einem konkreten Menschen, sei es die Liebe zu Gott, auch wenn sie in Luthers Auslegung der Zehn Gebote permanent verlangt wird. Liebe ist immer ein Geschenk, eine Gnade. Sie stellt sich ein, wenn ich fühle, dass einer unbedingt zu mir steht, mich annimmt trotz meiner Macken. Um die Liebe eines Menschen kann man nur werben, sie durch Freundlichkeit, eben durch Liebenswürdigkeit zu erringen suchen. Ein Recht darauf, von dieser oder jener Person geliebt zu werden, hat niemand. Nur auf die Liebe Gottes dürfen wir uns verlassen: Sie gilt jedem Menschen ohne Ansehen der Person. Er möchte, dass wir seine Liebe weitergeben. Natürlich kann man nicht jeden Menschen lieben. Das ist auch nicht mit der vielbeschworenen christlichen Nächstenliebe gemeint. Wenn Gott uns die Kraft schenkt, und eben nur dann, können wir vernünftig, verständnisvoll, ja rücksichtsvoll miteinander umgehen. Darum ist es so wichtig, sich täglich im Gebet und im Lesen der Bibel für Gottes Heiligen Geist zu öffnen.
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Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
Infos zu Christian Karl Fuchs:
- geb. 04.01.66 in Neustadt/Aisch
- Studium der evang. Theologie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
- Vikariat in Schornweissach-Vestenbergsgreuth 1993 – 1996
- Promotion zum Dr. theol. 1995
- Ordination zum ev. Pfarrer 1996
- Dienst in Nürnberg/St. Johannis 1996 – 1999
- seither in Neustadt/Aisch
- blind
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