Willy-Aron-Gesellschaft Bamberg e.V.: „Georg wurde gerettet“

Noch heute bitten Familien darum, niemandem zu sagen, dass in der NS-Zeit ein Kind oder ein anderer Angehöriger der Familie als „lebensunwert“ aus der Volksgemeinschaft ausgegrenzt worden war. Denn sie schämen sich noch immer. Diese Scham macht die Lebenden stumm und die Toten vergessen.

Maria Schmidt aus Gaustadt schweigt nicht. Sie schrieb für die Ausstellung im Stadtarchiv Bamberg, die noch bis zum 15. Juni zu sehen ist, die Geschichte ihres Onkels Georg auf. Er lebte in Hallstadt und wurde 5jährig bei einem landwirtschaftlichen Unfall am Kopf verletzt. Danach litt er an epileptischen Anfällen. Obwohl die NS-Programme zur „Ermordung von Schwachsinnigen, Idioten und Epileptikern“ vor der Öffentlichkeit geheim bleiben sollten, wusste Georgs Familie um die Gefahr, in der er sich befand. Die Familie beschützte ihr Kind, versteckte es, wenn es „abgeholt“ werden sollte und fürchtete auch einem Konflikt mit dem Blockwart nicht. So konnte Georg die NS-Zeit überleben. 1945 starb er eines natürlichen Todes.

Ob in Bamberg weitere Kinder durch ihre Eltern, Hebammen, Kindergärtnerinnen, Hortnerinnen, Pädagogen und andere in der Sozialen Arbeit Tätigen gerettet wurden, muss erst noch erforscht werden. Auch Prof. Ralph-Christian Amthor hat bei seinen Forschungen, die 2012 begannen, bis heute noch niemanden aus Bamberg gefunden. Was nicht heißt, dass es niemanden gab!

Vielleicht ist sein Vortrag im Projekt „Im Gedenken der Kinder“ Anlass, sich an Namen zu erinnern. 100 Persönlichkeiten aus der Sozialen Arbeit im Widerstand gegen das NS-Regime konnte Prof Amthor und sein Team ausfindig machen. Dass die Forschungen über den Widerstand von Persönlichkeiten aus dem Bereich der Wohlfahrtspflege gegen das NS-Regime erst 2012 begannen, führte Prof. Amthor zu der Frage, welchen Wert Kinder und welchen Wert die Frauen und Männer, die sich dem menschenverachtenden NS-Regime entgegenstellten, nach 1945 in der Gesellschaft hatten. Dabei haben manche dieser Mutigen Unglaubliches zuwege gebracht. Wie Irena Sendler (1910-2008), die mit ca. 20 Mitarbeitern 2500 (!) Kinder rettete. Sie wird „Die Mutter der Holocaust-Kinder“ genannt.

Auch der als Reformpädagoge bekannte Arzt, Schriftsteller und Heimleiter Janusz Korczak (1878 oder 1879 – 1942) leistete Außergewöhnliches. Er entwickelte eine Pädagogik der Achtung für eine Erziehung zur Demokratiefähigkeit. Dabei sollen Kinder in ihren oft schwierigen Stadien des Wachsens und der Entwicklung Liebe und Achtung, Fürsorge und Anerkennung, das Recht auf Mittelmäßigkeit und Scheitern – und immer wieder Freiheit erhalten. In dem von ihm geführten Heimen gab es Kinderparlamente und Kindergerichte. 1942 gingen er und seine Mitarbeiter freiwillig mit den Kindern in das KZ Treblinka. (Janusz Korczak ist der Vortrag am 17. Mai 2018 um 18.30 Uhr im Stadtarchiv Bamberg, Untere Sandstraße 30a, 96049 Bamberg gewidmet.)

Ganz anders verlief der Weg von Hans Muthesius (1887-1977), der während des Zweiten Weltkrieges im Reichsministerium des Innern mit der Einweisung von Kindern und Jugendlichen in die Jugendkonzentrationslager beauftragt war. Er machte nach 1945 Karriere, wurde Professor und erhielt das Große Bundesverdienstkreuz und den Stern zum Großen Bundesverdienstkreuz. Seine Verdienste: 1948 baute er als Beigeordneter des Deutschen Städtetages das Sozialdezernat neu auf, ab 1950 war er 16 Jahre Vorsitzender des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge. Im Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge sind alle deutschen Gemeinden und Städte Mitglied.