Bereitschaftspraxen drohen Ende März das Aus – MdB Ullmann zu Besuch in Scheßlitz
Die Bereitschaftspraxis ist Vorbild in der ländlichen Versorgung
Prof. Dr. Andrew Ullmann, MdB und Obmann der FDP-Bundestagsfraktion im Gesundheitsausschuss, hat die Bereitschaftspraxis Scheßlitz besucht. Diese steht erneut vor einem Aus, würden die Pauschalen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), wie angekündigt, am Ende dieses Quartals auslaufen (siehe Infobox). „Weshalb sollten bestehende und funktionierende Strukturen aufgrund zentraler Regelungen aufgelöst werden?“, fasste Prof. Andrew Ullmann die derzeitige Lage der Bereitschaftspraxis zusammen.
Dr. Wolfgang Steinbach, Vorsitzender des Gesundheitsnetz Jura eG und Allgemeinmediziner erläutert: „Wir haben eine interne Kalkulation durchgeführt und versuchen unser derzeitiges Kostenbudget um einen Euro zu senken. Aber langfristig können wir damit nicht arbeiten. Dabei versuchen wir die Bereitschaftspraxen vor Ort zu sichern, unter anderem durch eine Fusion mit den Kollegen der Ärztegenossenschaft Steigerwald in Burgebrach zur Kostenreduzierung.“
Als Gesundheitspolitiker und Universitätsprofessor für Infektiologie kennt Andrew Ullmann die Problematik. „Zentrale Vorgaben dürfen bereits gut funktionierende, regionale Versorgungsstrukturen nicht zerstören. Die Bereitschaftsdienstreform der Kassenärztlichen Vereinigung mag zwar in unterversorgten Gebieten wichtig und richtig sein, aber sie behandelt alle gleich. Dabei ist Scheßlitz mit einem sektorenübergreifenden Ansatz modern, wirtschaftlich tragfähig, patientenorientiert und vor allem gut für die Zukunft aufgestellt. Regionale, funktionierende Lösungen müssen immer Vorrang vor verpflichtendem Zentralismus haben“, positioniert sich der Bundestagsabgeordnete. Mit dem Bezirks- und Kreisvorsitzenden der Jungen Liberalen Stefan Wolf diskutierte er außerdem über Fragen zur Digitalisierung im Gesundheitswesen. Die Vorstände des Gesundheitsnetzes berichteten, dass Scheßlitz mit einem einheitlichen Patientenverwaltungsprogramm (und der Möglichkeit als niedergelassener Arzt auf das Heimische zuzugreifen) Vorreiter in vielen Bereichen ist. „Viele Kollegen, Vertreter verschiedener Verbände und der Kassenärztlichen Vereinigung haben unsere Praxis besucht und das innovative Konzept für ihre Versorgungsstrukturen vor Ort kopiert. Dennoch steht dieses erfolgreiche Pilotprojekt nun vor dem Aus“, bilanziert Dr. Wolfgang Steinbach.
Der Stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsnetzes Jura eG und Chefarzt der Inneren Medizin in der Juraklinik Scheßlitz Dr. Manfred Schöler ergänzt: „Wenn die Leistungen der Kassenärztlichen Vereinigung wegfallen, können wir die Praxis nicht mehr finanzieren. Das wäre ein Qualitätsverlust in der Versorgung und die Notfallambulanzen der Krankenhäuser würden aus allen Nähten platzen.“ Der Chefarzt ist auch sichtlich über die Kommunikation der Kassenärztlichen Vereinigung verärgert: „Es sind nur noch wenige Tage bis das Quartal ausläuft und man lässt uns über das weitere Vorgehen im Ungewissen. Dabei haben wir auch Kündigungsfristen und Verträge einzuhalten.“ Der Bezirksvorsitzende der Jungen Liberalen Stefan Wolf, welcher den Termin vermittelt hat, äußert sich besorgt. „Ich kenne die Bereitschaftspraxis noch von früher, als mein Vater als Hausarzt tätig war. Darum ist es mir ein besonderes Anliegen bei Problemen vor Ort zu agieren und mein Möglichstes zu tun. Aus diesem Grund habe ich auch im Wahlkampf als Bundestagskandidat das Thema Gesundheitspolitik ins Zentrum gestellt“, erläutert der Psychologieabsolvent.
Prof. Ullmann wird sich auch weiterhin für den Erhalt funktionierender Strukturen einsetzten: „Eine solche Bereitschaftspraxis leistet einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum. Landarztquoten und höhere Medizinstudentenzahlen sind kein Allheilmittel, sondern der ländliche Raum muss für Ärzte attraktiver werden. Neben Infrastrukturmaßnahmen können solche Bereitschaftsmodelle dabei helfen.“
Hintergrund
Die Ärztegenossenschaft Gesundheitsnetz Jura eG, welche die Bereitschaftspraxis Scheßlitz betreibt, existiert seit 2009. Derzeit haben sich 46 niedergelassene Hausärzte, Internisten und Klinikärzte dem Verbund angeschlossen. Die etwa 65.000 Bewohner im östlichen Landkreis Bamberg können sich in der Bereitschaftspraxis auch außerhalb der Öffnungszeiten der niedergelassenen Ärzte behandeln lassen, sowohl von ihren örtlichen Ärzten wie auch von Pool-Ärzten. Die Praxis finanziert sich vor allem durch die Behandlungspauschalen (7,00€/Fall) und die Förderungspauschale der Bereitschaftspraxen von 5,00€/Fall der Kassenärztlichen Vereinigung. Beide Pauschalen drohen zum Ende des Quartals nicht weiter ausgezahlt zu werden.
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