Leserbrief: Kanufahren auf der Wiesent, Reaktion auf Leserbrief von Paul Pöhlmann
„Auf der Wiesent zu paddeln ist ein besonderes Naturerlebnis. Tauchen Sie ein in das idyllische Wiesenttal! Lassen Sie die markanten Felsen an sich vorüberziehen und erleben Sie die Tier- und Pflanzenwelt aus der Entenperspektive“. Betrachtet man diesen Werbeauftritt einer Gemeinde, erkennt man klar, warum die Fränkische Schweiz ein für den Tourismus so attraktives Ziel ist. Im Land der Burgen, Täler, Höhlen und Mühlen findet sich für jeden etwas. Das Kapital unserer Region sind eindeutig unsere kleinräumige Landschaft und die vielfältige Natur, die neben der Geschichte, Kultur oder gerne auch der fränkischen Küche die Basis für den Tourismus bilden.
Unter der Rubrik „Das Wiesenttal mit seinen Seitentälern“ preist die Regierung von Oberfranken dieses Gebiet als eines der „schönsten und artenreichsten Flusslandschaften in Bayern an, das zu erhalten unserer aller Anstrengung erfordere“. Jede Region, die von der Freizeitnutzung lebt muss sich aber die Frage stellen, wie viel „Kommerz, Fun und Action“ Landschaft und Natur vertragen. Das ist in den Alpen nicht anders als bei uns. Sollen Begriffe aus dem touristischen Werbematerial wie „Einzigartigkeit, Idylle, tolle Naturerlebnisse oder Schönheit der Fränkischen“ nur auf Papier gedruckte, leere Begriffe sein, die gut taugen, dass der „schnelle und billige Rubel weiter rollt“, oder möchten wir, dass dahinter auch weiterhin ein wirklicher Wert steht?
Mehr Klasse statt Masse! Das bedeutet in keinster Weise, der polemischen Sichtweise von Herrn Pöhlmann (Link zu dessen Leserbrief im FT) zu folgen, der unsere Heimat als Rentnerparadies sieht, aus dem Sportler und junge Leute ausgesperrt werden sollen. Ich bin mir sicher, dass die Mehrheit der jungen Leute die Landschaft in ihrer Freizeit verantwortungsvoll und naturverträglich nutzen möchte und akzeptiert, wenn z.B. Felsen in der Brutzeit des Wanderfalken für das Klettern gesperrt werden. Die Situation der Wiesent ist aktuell leider ziemlich eindeutig: Das Gesamtökosystem ist aus dem Gleichgewicht geraten. Die Bestände des Eisvogels sind extrem eingebrochen, heimische Fischarten finden kaum noch intakte, nicht verschlammte Kiesbänke um zu laichen, hinzu kommen Sedimenteinträge durch zerstörte Uferbereiche oder Bodenverdichtung.
Auch hier gibt es genug Freizeitsuchende, die sich rücksichtvoll verhalten. Bei einer extrem hohen Zahl von Kanus reicht der Appell an das ökologische Gewissen der Fahrer zum Erhalt der Artenvielfalt aber nicht mehr aus. Die rechtliche Situation ist eindeutig: Die Wiesent ist ein Flora-Fauna Habitat, in dem ein Verschlechterungsverbot gilt. Hinzu kommt noch die Wasserrahmenrichtlinie, die besagt, dass negative Einflüsse vermieden werden und Verbesserungen auf der Ebene des gesamten Flusseinzugsgebietes zu erfolgen haben.
Muss man sich gezwungen sehen, diese beiden „scharfen Schwerter“ der europäischen Rechtsprechung hier bei uns im Landkreis zum Einsatz kommen zu lassen? Das würde nämlich sehr schnell das komplette Aus für jegliche kommerzielle als auch private Nutzung bedeuten! Neben der möglichen Reduzierung sollte ein erster Kompromiss darin bestehen, den Saisonbeginn für das Kanufahren auf Mitte Juni zu verlegen, um wenigstens die Erstbrut des Eisvogels zu bewahren. Was an Kletterfelsen funktioniert, sollte auch am Fluss möglich sein.
Christian Kiehr,
Bund Naturschutz Ortsgruppe Ebermannstadt-Wiesenttal
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