BUND Naturschutz: „Kanuvergnügen auf der Wiesent – bitte nur naturverträglich!“
Gemeingebrauchsverordnung besser machen
Der BUND Naturschutz sorgt sich um die europäischen Schutzgebiete an der Wiesent. Das Landratsamt Forchheim beabsichtigt, die Regelungen zum Kanufahren auf der Wiesent fortzuschreiben. Prinzipiell eine gute Sache, weil ungeregelter Kanutourismus der Wiesent den Garaus machen würde. Bei einem Pressegespräch in Forchheim stellte der BUND Naturschutz die Wirkung der bisherigen Regelungen auf Flora und Fauna vor. Die Untersuchungen kamen zu einem erschreckenden Ergebnis:
Die Wiesent, einst ein ‚Amazonas der Fränkischen Schweiz‘, ist heute vor allem ein Paradies für Kanuten. Das macht Spaß und ist zunächst nicht problematisch. Weil aber in den zum Bootsfahren zugelassenen Sommermonaten zu viele Boote unterwegs sind, können die europäisch geschützten Vogelarten dort kaum mehr brüten. Und weil sich zu viele Kanuten nicht an die Regeln halten und unterwegs mal im Fluss aussteigen, gegen die Strömung paddeln oder ungeeignete, nicht zugelassene Boote nutzen ist auch die Unterwasservegetation, das Markenzeichen der Wiesent, stark im Rückgang.
Offizielle Untersuchungen zum Vogelschutzgebiet zeigen, dass der Bestand des Eisvogels extrem eingebrochen ist. Auch der Zwergtaucher, ebenfalls europäisch geschützt ist stark beeinträchtigt. Die Wasseramsel verliert. Ein aktuelles Gutachten zu den Gewässerlebensräumen zeigt, dass die Unterwasservegetation in miserablem Zustand ist.
„Der Eisvogel war schon da, als es noch gar keine Kanus gab. Heute gehen seine Bestände rapide zurück. Wenn der Naturpark auf seiner Homepage mit der ‚einzigartigen Naturlandschaft der Fränkischen Schweiz‘ und der „Unberührtheit“ wirbt, so hat er natürlich Recht. Wasseramsel und Eisvogel sind super Botschafter für die Wiesent. Die naturverbundenen Kanufahrer haben auch die berechtigte Erwartung, dass sie zumindest die Chance haben einmal einen Eisvogel zu sehen. Da geht es ihnen wie den Naturtouristen auf den Galapagos-Inseln vor der Küste Ekuadors mit den Riesenschildkröten. Und genauso wie dort braucht es auch hier klare Begrenzungen des Tourismus, die sich an den Belastungsgrenzen der Natur orientieren“, so Dr. Ulrich Buchholz, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Forchheim.
„Mit behördlichem Segen schippert eine teilweise geräuschvolle Spaßgesellschaft ab Mai den Fluss herunter. Und wer kein Boot hat, aber das Abenteuer trotzdem erleben will, wird im Internet schnell fündig. Wir haben festgestellt, dass sich eine kleine Gruppe von Spaßkanuten an keine Regeln hält. Da wird auch mal von der Brücke mit dem Kanu in den Fluss gesprungen und das Ganze im Internet gepostet. Sowas muss stärker geahndet werden, damit die Kanufahrer, die sich hier naturschonend verhalten nicht die Leidtragenden sind, wenn der Fluss vollständig gesperrt werden muss, um die Schutzziele einzuhalten“, so Hans Thiem, Naturschutzwächter.
„Wir werden immer gefragt ‚Wo sind denn die Naturschutzverbände, der BN, die könnten doch hier mal was machen!‘ Tatsächlich sind wir aber ausgesperrt vom Mitreden, ausgesperrt von Anhörungsverfahren durch das Landratsamt. Angeblich ginge es doch nur um eine Schifffahrtsgenehmigung auf einem Fluss und um Tourismus. Da hätte der Naturschutz nicht mitzureden. Das lassen wir nicht mehr durchgehen. Es geht hier um Schutzgebiete und erhebliche Beeinträchtigungen“, so Edith Fießer, 2. Vorsitzende der Kreisgruppe.
„Wir fordern vom Landratsamt die Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung des Kanufahrens nach EU-Recht. Bis sie fertig ist darf das Kanufahren nur noch eingeschränkt stattfinden. Auf keinen Fall mehr vor Mitte Juni, wo wertbestimmende Vogelarten noch brüten. Und wir fordern stärkere Kontrollen mit der Verhängung von Sanktionen für die, die sich nicht an die Regeln halten. Wer mit dem Auto über eine rote Ampel fährt muss ja irgendwann auch zahlen. Auch beim Naturschutz muss Recht gelten und durchgesetzt werden“, so Hansotto Neubauer, Ehrenvorsitzender der Kreisgruppe.
Europäische Schutzgebiete an der Wiesent
Die Wiesent liegt im FFH-Gebiet Wiesenttal mit Seitentälern 6233-371 und im Vogelschutzgebiet Felsen- und Hangwälder in der Fränkischen Schweiz 6233-471. Laut Managementplan ist das Vogelschutz-Gebiet massiv beeinträchtigt (z. B. Eisvogel Erhaltungszustand C, Zwergtaucher B). Das FFH-Gebiet ist ebenfalls massiv beeinträchtigt. Der wichtige Lebensraumtyp Submersvegetation ist laut Gutachten des Instituts für Vegetationskunde und Landschaftsökologie, Röttenbach, wegen Kanunutzung stark beeinträchtigt. 49 % der Flußsysteme in der Fränkischen Schweiz sind nur im Erhaltungszustand C und die Wiesent hat da den größten Anteil daran. Es geht hier auch um Störungen neben dem Gewässer. Bereits 2010 forderte der BN eine Verträglichkeitsprüfung nach EU-Recht.
Das Management-Konzept wurde erst vor Kurzem mit viel Prominenz vorgestellt. Dort heißt es: „Als eine der beliebtesten Freizeitregionen Nordbayerns sieht sich der Naturraum der Fränkischen Schweiz einem enormen Druck seitens der Heerscharen von Besuchern ausgesetzt. Kletterer, Mountainbiker, Kanufahrer, Wanderer etc. dringen in sensible Lebensräume ein und stören und gefährden die heimische Tier- und Pflanzenwelt durch mechanische Beeinträchtigungen, Vermüllung und Lärmemissionen. …“ (aus: Gebietsbezogene Zusammenfassung, Abschnitt 5.4).
Gemeingebrauchsverordnung
2004 nutzten lt. Regierung von Oberfranken durchschnittlich 146 Boote pro Tag den Fluss bei einem Spitzenwert von 300 Booten/Tag (5-Tage-Zählung 2004). Im April 2005 wurde nach einem Anhörungsverfahren, bei der der BN forderte, Kanunutzung erst ab Mitte Juni bis Oktober zu erlauben und die Boote auf 130/Tag zu begrenzen, die bestehende Verordnung von 1987 geändert mit Regelungen zu Sperrung Nebengewässer und eines Abschnittes der Wiesent, Tageszeiten, Erlaubnis 1.5 – 30.9. sowie weiterer kleinerer Regelungen zu Bootsgrößen, Ein-/Ausstiegen, Verhaltensregeln der Kanufahrer etc.. Eine Obergrenze wurde nicht festgelegt. 2006 wurden – wohl wegen der Beeinträchtigungen und auf Grundlage der Genehmigungspflicht gewerblicher Bootsfahrten – Beschränkungen für die Anzahl der vermieteten Boote festgelegt. Diese lagen über den geforderten max. 130 Booten/Tag und deren Einhaltung wurde und wird offenbar nicht kontrolliert.
Eine Klage von Fischereiberechtigten wegen der massiven Fischbeeinträchtigungen führte zu einem Urteil ausschließlich nach Wasserrecht. Seit 2011 dürfen die drei örtlichen Bootsverleiher (lt. FLZ 25.6.2015) im Mai 100, im Juni bis September 120, im Juli und August an Wochenenden 150 Boote pro Tag verleihen. Sanktionen bei Verstößen wie Ein-/ Aussteigen außerhalb der 18 festgelegten Stellen, Flussaufwärtsfahren usw., sind unbekannt. Die Verstöße sind an der Tagesordnung.
Zählungen des Bootsverkehrs 2016 im Auftrag des Landratsamtes in der Saison (22 Wochen) ergaben insgesamt 28.000 Bootsfahrten. Der Anteil der lokalen 3 Bootsvermieter lag bei 80 %. In der Summe sind das pro Woche ca. 1.000 Bootsfahrten aus Vermietung und 250 Bootsfahrten externer Gruppen und Einzelfahrer.
Eigene Zählungen ergaben z. T. über 400 Boote pro Tag an Wochenenden.
Arbeitskreis „Kanufahren auf der Wiesent“ im Landratsamt Forchheim
Zu den Sitzungen des im Landratsamt eingerichteten Arbeitskreises waren zwar die Naturnutzer, die Gewerbetreibenden und Fischer, nicht aber die Naturschutzverbände eingeladen (trotz Zusage des damaligen Regierungspräsidenten Wening). Hier wurden neben den Bedürfnissen der Bootsverleiher fast ausschließlich Belange der Fischerei behandelt.
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